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Die Dresdnerin Cornelia Gröschel steht schon die Hälfte ihrer 31 Jahre vor der Kamera, nach „Honigfrauen“ 2017 folgt nun das deutsche Fernsehhochamt: der „Tatort“. Am Sonntag hat sie ihren ersten Einsatz in „Das Nest“ (ARD, 20 Uhr 15).

© Daniela Incor/MDR

Neue "Tatort"-Schauspielerin Cornelia Gröschel: „Theatralisch können andere besser“

„Tatort“-Schauspielerin Cornelia Gröschel über ihre Heimatstadt Dresden, zu blonde Locken, artifizielle Rollen und Fremdschämen als Ostdeutsche. Ein Interview.

Frau Gröschel, Ihre „Tatort“-Kommissarin heißt Leonie – irgendwie ein weicher Name für diese toughe Kommissarin, oder?

Deshalb war mir wichtig, dass man ihn auch tough abkürzen kann, so, wie Charlotte zu Charly wird, wird Leonie bei uns zu Leo.

Das heißt, Schauspieler kreieren ihre Rollennamen mit?

In diesem Fall ja. Zuvor war Bea Henrichs im Gespräch, das empfanden wir aber als untypisch für Dresden. Leonie Winkler ist präzise und wird sofort verstanden. Diese Klarheit mag ich. Deshalb bin ich auch auf Wotan Wilke Möhring so neidisch.

Wegen Wotan?

Wegen Falke! Was für’n toller Name!

Dafür haben Sie den krasseren Auftaktfall mit Ritualmord, Entführung, Folter.

Stimmt, wirklich ein spannender Thriller. Und wer sich bewusst auf die überhöhte Spielweise einlassen kann, wird krimitechnisch bestens unterhalten.

Und Ihnen bietet es die Chance, entspannt in zweiter Reihe beim „Tatort“ einzuparken.

Es ist nicht vorrangig ein Leo-Fall, das ist richtig. Aber ich fühle mich nicht vernachlässigt, sondern kann so gut darin ankommen. Es fühlte sich einfach von Beginn an schlüssig an, dass nicht die Neue, sondern die alte Ermittlerin erst mal im Vordergrund steht.

Wird dieser ruhende Pol neben der aufbrausenden Kollegin Gorniak auch künftig Leo Winklers Rollenprofil?

Sie wird zumindest so korrekt bleiben wie zum Einstieg und auf Einhaltung der Regeln pochen. Aber der Ruhepol ist ihr hier eher beiläufig passiert und hängt auch ein bisschen mit meiner Art zu spielen zusammen. Ich fühle mich jedenfalls sehr wohl als Leo.

Wann fühlen Sie sich generell wohl in Figuren?

Wenn sie realistisch sind. Das Artifizielle liegt mir weniger; theatralisch können andere besser. Ich mag die natürlichen, direkten Töne und möchte mir selber glauben. Durch meine familiäre Prägung habe ich zum Beispiel ein Bauchgefühl, das mich DDR-Figuren authentisch darstellen lässt.

Obwohl Sie ja erst zwei Jahre vor dem Mauerfall geboren wurden …

Bei Zeiten, die noch weiter zurückliegen, benötige ich stärkere Regieanweisungen, sie sind aber genauso möglich, wie zuletzt bei Aenne Burda, Fünfzigerjahre in Westdeutschland. Die ostdeutsche Mentalität hat mich und meine Art schon geprägt.

Worin drückt sich das aus?

Zum Beispiel darin, dass Westdeutsche erst reden, während Ostdeutsche haltmachen. Das ist gar nicht wertend gemeint, aber bis heute im Alltag spürbar. Ostdeutsche sind oft einfach unverstellter. Diese Direktheit kann aber auch anstrengend sein. Wenn meine Verwandten finden, das Essen habe nicht geschmeckt, sagen sie das auch so – mit entsprechendem Gesichtsausdruck. Da würde ich mir manchmal mehr, wie sagt man …

… Diplomatie …

… wünschen. Ich lebe ja schon länger in Karlsruhe – und wenn man deren Diplomatie gelernt hat, versinkt man da schon mal im Boden. Andererseits passt die Hemmungslosigkeit, Dinge offen anzusprechen, bestens zu meinem Beruf. Wir zeigen ja oft Abgründe auf. Ich freue mich jedenfalls riesig, wegen des „Tatorts“ in Zukunft nicht nur ab und an fürs Wochenende in Dresden zu Gast zu sein, sondern zwei Monate wirklich daheim.

"Ich fühle mich in keine Himmelsrichtung gedrängt"

Dort also, wo Sie die Branche mit Ostrollen wie „Honigfrauen“ ohnehin verortet?

Ich fühle mich da nicht in irgendeine Himmelsrichtung gedrängt. Auch wenn sich der Fokus zuletzt ein bisschen ostwärts verschoben hat, bin ich offenbar für beide Seiten kompatibel und versuche auch, nicht dauernd DDR-Filme zu drehen. Wobei „Tatorte“ häufiger mal entregionalisiert sind. Bis auf ein paar Nebenrollen und die Autokennzeichen könnte unser erster, abgesehen vom Drehort, ja in fast jeder Großstadt spielen.

Immerhin transportiert er das realsozialistische Bild gleichberechtigter Frauen. Bringen Sie das durch Ihre Erziehung mit?

Total. Weil mein Vater als Opernsänger viel unterwegs war, hat meine Mama im Alltag alles bestimmt. Ich mag es überhaupt nicht, nicht für voll genommen zu werden. Nach einem halben Leben vor Kameras muss ich mir von keinem Mann erklären lassen, wie mein Job funktioniert, dagegen hab ich innerlich schon mit 21 rebelliert. Und mir muss auch keiner in die Jacke helfen, Hilfsbedürftigkeit strahle ich eher nicht aus.

Von derzeit 46 „Tatort“-Ermittlern sind gut 40 Prozent weiblich. Empfinden Sie das als zeitgemäß oder unrealistisch?

Ich empfinde es vor allem als spürbares Bemühen darum, Gleichberechtigung herzustellen. Dass unser gesamtes Team beim MDR weiblich ist, ist doch absolut zeitgemäß.

Haben Sie ein Quotendenken?

Dafür war mein Leben bislang zu sehr von Frauen in wichtigen Positionen geprägt. Trotzdem weiß ich natürlich, dass das nicht die Regel ist und ich viel Glück hatte.

Weil Ihre blauen Augen und blonden Locken ein telegenes Schönheitsideal verkörpern?

Vielleicht. Zumindest registriere ich, dass es zehnmal bessere Schauspielerinnen ohne blaue Augen und blondes Haar womöglich schwerer haben. Andererseits wurde ich deswegen auch schon an einem großen deutschen Theater mit der Begründung abgelehnt, mir fehle die Tiefe – als könne man nicht hübsch und gut sein. Ich will durch meine Arbeit überzeugen.

Und das klappt?

Ich hatte jedenfalls bislang nie die Befürchtung, kellnern zu müssen.

Das Interview führte Jan Freitag.

Jan Freitag

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