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Geht da was? Kate Sharma (Simone Ashley) und Anthony Bridgerton (Jonathan Bailey) kommen sich auf der Jagd näher.

© Liam Daniel/Netflix

Neue Staffel des Netflix-Erfolgs "Bridgerton": Augenkonfetti mit Anspruch

Jane Austen in XXL: Netflix setzt die Romantic Comedy-Serie „Bridgerton“ fort. Jetzt gehören auch Inderinnen zur multiethnischen Society.

So eng die Welt der feinen Gesellschaft in London am Anfang des 19. Jahrhunderts auch ist, die Romantic Comedy-Serie „Bridgerton“ erweitert auch in der zweiten Staffel ihre Grenzen. Um indische Ladys, die den „colourblind“ besetzten Cast aus weißen und schwarzen Schauspielerinnen um einen weiteren Teint bereichern.

Aus farbenblind wird Vielfarbigkeit. Schon erwartet man in Staffel drei und vier, die bereits in Auftrag gegeben sind, auf die selbstverständliche Eingemeindung weiterer Ethnien.

Die Welt, so dreidimensional wie möglich

US-Produzentin Shonda Rhimes wünscht in ihrer modernen Interpretation eines XXL-Jane-Austen-Kostümfests die Welt so „dreidimensional wie möglich“ abgebildet zu sehen. Die überfällige und auch von anderen Produktionen umgesetzte Idee hat sich für den Streamingdienst Netflix mit seinem weltweiten Publikum ausgezahlt: 2020 entschieden sich 68 Millionen Menschen dafür, die erste Staffel der Serie anzuschauen, die jetzt mit acht Folgen fortgesetzt wird.

Trotzdem führt die Selbstverständlichkeit, mit der Darsteller aller Hautfarben den versnobten Adel der Regency-Zeit verkörpern, nicht nur zu einer Fiktion, in der zwar immer noch Klasse und Geschlecht, aber wenigstens nicht mehr die Abstammung über den gesellschaftlichen Status entscheidet.

Die Geschichtsverbiegung im Namen zeitgemäßen Entertainments erzeugt auch eine schräge Form von Geschichtsblindheit.

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[„Bridgerton 2“, acht Folgen auf Netflix]

Den britischen Kolonialismus erwähnen die aus Bombay angereisten Schwestern Kate Sharma (Simone Ashley) und Edwina Sharma (Charithra Chandran), um die sich der Liebesreigen der 1814er Ballsaison dreht, mit keinem Wort. Ebenso wenig wie die Society, die sie mit offenen Armen empfängt.

Schönheit ist alles

Ihre britische Mutter machte sich zum Entsetzen der Adelseltern vor Jahren mit einem Inder davon, was einen mächtigen Skandal auslöste. Der beruhte allerdings nicht auf dessen Nationalität oder Hautfarbe, sondern auf seiner unstandesgemäßen Position eines einfachen Beamten, der noch dazu Witwer war. Das sind die Kuriosa der von Elend und Alltag konsequent befreiten „Bridgerton“-Welt, in der ein artifizielles Schönheitsdiktat gilt.

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Auch die zweite Staffel ist überwältigend opulent und mit einer Vielzahl einprägsamer Charaktere ausstaffiert. Von den schwelgenden Blumendekorationen bis zu den glamourösen Kostümen (Sophie Lambe) ist „Bridgerton“ ein erlesenes Augenkonfetti. Die Spannung, bei wem es sich um Lady Whistledown handelt, die mit ihren Gesellschaftsblatt-Sottisen den adeligen Fleischmarkt in Aufruhr versetzt, ist seit dem Ende der ersten Staffel flöten.

Das Erzähltempo insgesamt gemächlicher. Dafür kann man jetzt Penelope Featherington (Nikola Coughlan) dabei zusehen, wie sie ein Doppelleben als braves Töchterlein und Klatschreporterin führt.

Sterne der Saison. Kate Sharma (Simone Ashley) mit Hund und Edwina Sharma (Charithra Chandran).
Sterne der Saison. Kate Sharma (Simone Ashley) mit Hund und Edwina Sharma (Charithra Chandran).

© Liam Daniel/Netflix

Die Geschicke der Featheringtons bilden erneut die Parallelerzählung zu den Umtrieben der reicheren Bridgertons. Dort ist Viscount Anthony (Jonathan Bailey) auf Brautschau. Der zum pflichtbewussten Familienvorstand gereifte Frauenheld ist um eine Vernunftehe bemüht, was angesichts der Neuzugänge Edwina und Kate Sharma zum Scheitern verdammt ist.

Besonders Kate, die nicht von ungefähr so heißt, wie die Heldin in Shakespeares misogynem Klassiker „Der Widerspenstigen Zähmung“ löckt gegen den arroganten Charmebolzen.

Glamour pur. Familie Featherington in voller Ballmontur.
Glamour pur. Familie Featherington in voller Ballmontur.

© Liam Daniel/Netflix

Wie in Jane-Austen-Verfilmungen dominiert das Werben, Entsagen, Sehnen und Begehren. Unablässig wogen aufgeregte Frauen- und Männerbrüste und blitzen die Blicke. Handfester Sex fehlt diesmal fast völlig. Die Absurdität gesellschaftlicher Codes, die sich nur um passende Partien und noblen Müßiggang drehen, wird im stilisierten Pomp offenbar.

Absolut stark ist die Mehrgenerationen-Parade der Frauenfiguren. Eloise Bridgerton (Claudia Jessie) dringt als Proto-Suffragette sogar bis in aufmüpfige Arbeiterkreise vor. Und dass die Großmütter-Generation nicht zu Hauben tragenden Neutren mutiert, ist ein steter Quell der Freude.

Die Spin-Doktorinnen Lady Danbury (Adjoa Andoh) und Königin Charlotte (Golda Rosheuvel) wirken als souveräne Marionettenspielerinnen der Gesellschaft. Auch die Bitternis gattenloser weiblicher Existenzen ist der Balzerei als abgründiger Grundton eingewebt, der sich in der Figur der ausgebufften Lady Featherington (Polly Walker) niederschlägt. Als Witwe gehört ihr nicht mal mehr ihr Haus, weil Britinnen in der Regency-Epoche nicht erbberechtigt waren. Und das ist nun wirklich historisch.

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