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Jasna Fritz Bauer, 30, wird oft für viel jünger gehalten, als sie ist. In ihrer neuen Arbeit als arbeitslose Darstellerin kann die Schauspielerin („Axolotl Overkill“) zeigen, wie sich das anfühlt: als rebellische „Rampensau“. Privat ist sie, natürlich, ganz anders.

© TV Now

Neue Serie mit Jasna Fritz Bauer: Eine Rampensau? Bestimmt nicht

Ultra-Vox: Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer geht mit ihrer Serienrolle als „Rampensau“ in die Offensive. Eine Begegnung.

Proben für Live-Musik, Vorbereitungen auf ein Konzert am Abend, junge Paare mit Kleinkindwagen, bunte Holzhäuser, Ateliers und Galerien, eine Kita, viel Sitzzonen und Platz zum Feiern – der Holzmarkt 25 im hippen Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit seinem Mix aus Partystimmung und Working Place scheint wie geschaffen für ein Treffen mit Jasna Fritzi Bauer. Ein Setting ebenso nah am Klischee für modernes Berlin, wie Bauers neue Serienfigur an der Rollenschublade, in die die Schauspielerin gerne mal hineingesteckt wird.

Die Serie heißt: „Rampensau“ [zehn Folgen, mittwochs, Vox, ab 20 Uhr 15]. Natürlich ist diese Arbeit grandiose Vorwärtsverteidigung. Die Rolle der arbeitslosen, rebellischen Schauspielerin Shiri Conradi, die 30 ist, aber aussieht wie 16, sodass sie sich von der Polizei als Spitzel an einer drogenverseuchten Berliner Schule einschleusen lässt – das musste sich Jasna Fritzi Bauer ja erst mal trauen.

Von Weitem sieht das so aus, als ob Bauer in der Klischeefalle steckt. Wie oft hat sie in Interviews gesagt, dass sie die Frage nerve, ob es Spaß mache, so viele junge Rollen angeboten zu bekommen, wie zum Beispiel die in „Axolotl Overkill“. Und jetzt ist es wieder eine Art – junge Rolle.

Zunächst, sagt sie, tief Luft holend, mit einem Blick über die Spree in der Abenddämmerung, es gebe doch eh wenig Schauspieler, die alles spielen dürften. „Es müsste in meinem Fall dann ja auch jemand auf die Idee kommen, mich anders zu besetzen.“

Und: Sie spiele in der „Rampensau“ auch keine 16-Jährige, sondern schon ihr Alter, eine 30-Jährige, nur eben 1 Meter 58 groß. „Da sind Probleme in dem Charakter, die ich auch in mir trage, natürlich viel radikaler geschrieben: das ständige Unterschätzt- oder Angerempeltwerden, das ständige Sichrechtfertigen, nicht als 30-jähriger Mensch wahrgenommen zu werden.“

Radikaler geschrieben ist gut. Die hochrangig besetzte Crime-Dramedy (Ronald Kukulies, Florian Bartholomäi, Stephan Grossmann), basierend auf einer recht erfolgreichen israelischen Vorlage, geschrieben vom preisgekrönten Autorenduo Arne Nolting und Jan Martin Scharf, kommt nicht in jeder Szene so überzeugend daher, wie sich das Vox, Bauer und Ufa Serial Drama vielleicht vorgestellt haben.

Ja, Tempo und Machart (Regie: Dustin Loose) setzen sich vom konventionellen deutschen Fernsehen ab. Nur manchmal etwas zu gewollt. Wenn die Shiri Conradi gefühlt alle 30 Sekunden „Fuck“, „Bumsen“, „Verpiss dich“, „Spast“ oder „Scheiße“ sagt, auf Ultrarebell getrimmt, dann ist das nahe an der Überzeichnung, weiter entfernt von der feinen Figurenzeichnung, die das Autorenteam im Vox-Serienerfolg „Club der roten Bänder“ geschaffen hat.

Antigone statt „Rampensau“

Mit der Kritik kann Jasna Fritzi Bauer umgehen. Sie finde es nur schwierig, sich zuzusehen, wenn sie sich selbst nicht glaube. „Ich will, dass es wahrhaftig ist.“ Das ist es bei der Conradi am Ende tatsächlich. Obwohl oder gerade weil Bauer privat sicher keine Rampensau ist. Themen des 45-minütigen Journalistengesprächs: Rechtsextreme, Klimawandel, Bildungsinitiativen wie das Projekt GermanDream, eine von der Journalistin Düzen Tekkal gestartete Initiative, die sich für ein selbstbewusstes gesellschaftliches Bekenntnis zu den Werten der freiheitlich- demokratischen Grundordnung in Deutschland starkmacht und von der Schauspielerin unterstützt wird.

Schüchtern, zurückgenommen, so kommt Jasna Fritz Bauer herüber, manchmal blitzt ein dreckiges Lachen durch. Sie gehe nicht so mit dem Kopf durch die Wand. Macht sich, natürlich, Gedanken, über die Art und Weise, wie sie als Schauspielerin eingeschätzt wird. Sie lehne inzwischen viele Rollen ab, wo sie Frauen unter 20 spielen muss. „Ich bin 30, habe eine andere Lebenserfahrung, arbeite da an einer anderen Wahrnehmung von außen, zum Beispiel mit meiner Rolle in ,Jerks‘.“ Sie wolle wahrgenommen werden als Schauspielerin, die eben etwas spielt.

Im Falle der Shiri Conradi ist das eine Frau, die versucht, sich mit 30 auf die eigenen Beine zu stellen, von der Abhängigkeit vom eigenen Freund zu befreien. Wobei das, sagt Bauer, über 70 Drehtage schon eine anstrengende Arbeit gewesen sei, die Rolle mit dieser Kraft und Aggression anzugehen, fast in jeder Szene. Eine Berserker-Figur, radikal unüberlegt. „Die Leute sind immer ganz erstaunt, wenn sie mich privat kennenlernen: ,Sie sind ja ganz anders!‘“

Für ihre Karriere ist diese ihr quasi auf den Leib geschriebene Serienrolle ein Meilenstein, auch wenn sich die Schweizerin damit keinen Fernsehpreis erspielen dürfte. Da sind die Mifti in „Axolotl Overkill“ oder die Ausreißerin Stella in einem der besten deutschen Filme der letzten 20 Jahre, Christian Petzolds „Barbara“, ein anderes Kaliber. Was oder wen sie gerne mal spielen würde?

Das steckt ja viel drin: Schule kurz vorm Abi abgebrochen, der Wille zur Schauspielerei, Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berliner Schaubühne, Wiener Burgtheater, Volksbühne mit Frank Castorf. Nochmals ein Blick auf die Spree. Es ist dunkel geworden, gleich Zigarettenpause im Interviewmarathon zur Serie. Die Musik draußen am Holzmarkt wird lauter. „Ich habe keinen Fünfjahresplan, keine Traumrollenvorstellung.“ Im Theater könne es gerne mal etwas Klassisch-Antikes sein. Gute Idee für andere Übertritte: Antigone statt „Rampensau“.

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