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Sarah Kuttner zu Gast bei Thomas Gottschalk.

© Tsp

Neue Sendung von Gottschalk: Mensch, Thomas, du musst dich nicht beweisen!

"Gottschalk liest" war kurzweilig, es gab "Wetten, dass"-Anklänge. Die Literatur kam aber ein wenig kurz, und Gottschalk wollte zu viel Bildung beweisen.

Das für viele Wichtigste zuerst: Thomas Gottschalk hat kein einziges Wort verloren über die Trennung von seiner Frau Thea, das war ja die Meldung, die am Montag alle überraschte. Bei der Premiere von Gottschalks neuer (bereits am 6. März aufgezeichneter) Literatursendung am Dienstagabend im Dritten Programm des BR ging es um nichts weniger als Katharsis, die Beziehung von Literatur, Tod und Wahnsinn, Metamorphosen und natürlich auch um Marcel Reich-Ranicki, Gottschalks alten „Buddy“, wie er ihn nannte. Doch dazu später.

Ein Moderator, vier Autoren und ihre neuen Werke. Zum Warmwerden gab’s erst mal Sarah Kuttner auf der Bühne des Augsburger Parktheaters. Man kennt sich, man duzt sich. Das Couch-Gespräch hätte gut auch bei „Wetten, dass..?“ stattfinden können, das teils äußerst enthusiasmierte Publikum passte dazu. Das Thema „Kindstod“ in Kuttners Roman „Kurt“ sorgte schnell für eine gewisse Erdung. „Ich habe mich wohl gefühlt in diesem Roman“, sagt Gottschalk. Was will man mehr.

Mit dem Gast Ferdinand von Schirach und seinem Buch „Kaffee und Zigaretten“ wurde es stockender. Der gerne geschwätzige Moderator bewundert Kürze und Präzision des Erfolgsschriftstellers. Allzu großer Respekt vor Gästen hat Gottschalk nie gut getan, genauso wenig wie in Interviews vorab verbreitete Koketterie à la „Ich halte mich für einen durchschnittsgebildeten deutschen Bürger“. Fehlt noch das Faustsche Sehnen („Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.“)

Nerviges Hingeweise auf Bildung

Etwas nervend auch in der Folge das Hingeweise auf Gottschalks Kenntnisse in Literatur, Latein und Griechisch. Thomas-Bernhard-Zitat hier, Ovids „Metamorphosen“ auswendig hergebetet dort – Mensch, Thomas, möchte man rufen, du hast es nicht nötig zu beweisen, dass Deutschlands größter TV-Entertainer zuhause seinen Rilke zu stehen hat. Du kannst nicht nur Dur, du kannst auch Moll. Vor Monaten war Gottschalk zu Gast bei Volker Weidermann im „Literarischen Quartett“ und gab den Peter-Handke-Versteher. Danach kann im Grunde nicht mehr viel kommen.

Und wieder muss Unterhaltung betrieben werden. Das wurde besonders deutlich zum Ende von „Gottschalk liest?“: Es gab zwei weitere, viel zu kurze Bücherbesprechungen (Vea Kaisers „Rückwärtswalzer“, Daniel Biskups „Wendejahre“). Dass ein Autor, ein Werk in acht Minuten nicht erschöpfend besprochen werden kann, haben schon andere Literatursendungen nicht begriffen. Selige Zeiten, als das „Literarische Quartett“ 75 Minuten dauern durfte. Aber solchen TV-Formaten braucht man mit dem Wunsch nach angemessen ästhetischer Würdigung nicht zu kommen.

Gottschalk hielt es am Ende einer, ja, durchaus kurzweiligen Dreiviertelstunde mit Marcel Reich-Ranicki: Letzten Endes sind alle Bücher Unterhaltung. Ein Buch dürfe nicht langweilen. Bei allem Respekt vor MRR: Dem kann man auch gerne mal widersprechen. Manch’ gutes Buch will errungen sein.

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