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Macht Sex nach natürlicher Geburt noch Spaß? In „Jerks“ geht es hauptsächlich um die ungleiche Männerfreundschaft von Christian Ulmen (re.) und Fahri Yardim. Die beiden geben vor, ihren Schauspieler-Alltag in Potsdam in den 25-minütigen Episoden zu filmen.

© Joyn

Neue Folgen von „Jerks“: Warum peinlich so beliebt ist

Christian Ulmen und Fahri Yardim haben’s wieder getan. Mit neuen „Jerks“-Folgen gehen sie an Schmerzgrenzen.

Wer in Potsdam oder gar Babelsberg lebt, findet sich mit seiner Heimat nicht all zu oft im fiktionalen Fernsehen wieder, vom „Soko“-Krimi im ZDF mal abgesehen. Vielleicht war das auch ein Grund, irgendwann dem Drängen von Kollegen und Freunden nachzugeben, die von der angeblich besten deutschen Comedy schwärmten, gedreht auch am Griebnitzsee.

„Hast du ,Jerks’ schon gesehen?" war oft die Frage, die in die Welt von Fahri Yardim und Christian Ulmen lockte, oder besser: in die Welt, in der die Schauspieler Ulmen und Yardim vorgeben Ulmen und Yardim zu sein – wie ab Mittwoch wieder, mit zwei Doppelfolgen zum Start einer vierten Staffel.

Wer „Jerks“ noch nicht gesehen, worum geht’s? Hauptsächlich um die – auch in dieser Doppelfolge wieder - ungleiche Männerfreundschaft von Christian Ulmen und Fahri Yardim (bekannt aus dem Til-Schweiger-„Tatort“). Die beiden geben vor, ihren Schauspieler-Alltag in Potsdam in den 25-minütigen Episoden zu filmen.

Der besteht aus: Vulva-Workshops, Sex mit Wachkomapatienten, Rollstuhl-Diebstählen bei Gehbehinderten, Erektionsproblemen oder nun der extrem ausführlichen Behandlung der Frage, ob Sex mit Fahris Frau Pheline (Pheline Roggan) nach der natürlichen Geburt samt vermutetem Dammriss genau so viel Spaß macht wie vorher.

Diskutabler Stoff. „Jerks“-Fans erzählen, dass ihre Beziehung beim gemeinsamen Schauen der Serie mit Freund oder Freundin stimmungsmäßig nicht unbedingt aufgehellt wird. Meistens steht eine(r) auf und verlässt unter Protest das Wohnzimmer. Uneheliche Kinder und Partnertausch wurden im deutschen Fernsehen noch nie so offen diskutiert wie bei „Jerks“, dass zum Neustart beim Streamingdienst Joyn läuft (weitere Folgen werden wegen verzögerten Drehs im Sommer 2021 auf Pro7 ausgestrahlt).

Die Serie lässt Zuschauer mehr als einmal pro Folge zusammenzucken. Was die einen für große Kunst halten – bei „Jerks“ wären die Storylines am witzigsten, die bei anderen Serien herausgeschnitten werden –, ist für Andere die nervende Endlosschleife zweier spätpubertierender Erwachsener, deren Entwicklung zu wünschen übrig lässt.

Ganz so hintersinnig ist es dann doch nicht

Aber das, eine Entwicklung der Protagonisten, würde das Format-Konzept aus den Angeln heben, ähnlich dem US-amerikanischen „Curb Your Enthusiasm“. Auch dort spielt ein Fernsehprominenter sich selbst und gerät immer wieder aufgrund seines Verhaltens in peinliche Situationen.

Offenbar gibt es da eine Affinität zur Fremdscham. Die tritt bekanntlich auf, wenn eine andere Person Normen oder Werte verletzt und das selbst nicht merkt oder nicht als peinlich empfindet. Sie ist damit ein wichtiges Regulativ. Eben wie „Christian Ulmen“, der seine Serien-Freundin Emily (Emily Cox) ständig enttäuscht, Versprechen und Verabredungen vergisst.

Eine Katharsis beim Publikum? Warum? Ulmen und Yardim haben Spaß. Wo Loriot vor 40 Jahren haarfeine Risse in den Fassaden der bürgerlichen Gesellschaft entblößt hätte, erschüttere „Jerks“ mit wilder Entschlossenheit die Grundfesten der Zivilisation, schrieb die „F.A.Z.“. Ganz so hintersinnig ist es bei der Fixierung auf peinliche Sex- oder Fäkalunfälle dann doch nicht.

Stets nachvollziehbar und vor allem politisch korrekt soll „Jerks“ mit seinen meist improvisierten Dialogen auch gar nicht sein. Oft sind die Texte an der Grenze des Sagbaren. Eine „sozusagen politisch korrekte Schere im Nachhinein“ gebe es nicht, sagte Ulmen im Interview mit dem „Weser-Kurier“. „Ich sehe auch keinen pädagogischen Auftrag in unseren Geschichten. Jeder darf damit machen, was er möchte. Von Empörung über Anteilnahme bis hin zu trostspendendem Gelächter ist alles erlaubt.“

Bisweilen hat sich die „Jerks“-Kritik darauf gerichtet, dass man dem Sexismus oder Rassismus der Hauptcharaktere keinen Raum geben sollte. Die Serie, so Ulmen, lade zu dieser Kritik ein. „Ich finde, ,Jerks’ ist die anti-rassistischste und anti-sexistischste Serie im weltweiten Fernsehen, der Bezugsrahmen ist klar.“ Aber das sei nur seine Sicht auf diese charmante, kleine Serie aus Potsdam.

Damit kann Brandenburgs Metropole leben. TV-Tipps aus dem Bekanntenkreis werden weiter entgegen genommen.

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