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Aglaia Szyszkowitz lebt ihre Rollen stets mit ansteckender Herzlichkeit aus, so auch als Gerichtsvollzieherin Billy Kuckuck.

© SWR/Martin Valentin Menke

Neue Folge von „Billy Kuckuck“: Des Teufels Haufen

Der dritte Film aus der Reihe „Billy Kuckuck“ mit Aglaia Szyszkowitz bietet erneut eine gelungene Kombination aus Unterhaltung und Engagement ohne Eigennutz.

Wenn die Redaktion der ARD-Tochter Degeto nach einem zugkräftigen Episodentitel für eine Reihe wie „Billy Kuckuck“ sucht, könnte das in etwa so klingen: Wie wär’s denn mit „Aber bitte mit Sahne!“? – Das hat doch gar nichts mit der Geschichte zu tun. – Na und? Unsere Zielgruppe mag den Udo-Jürgens-Hit, den können wir dann auch gleich am Anfang einspielen, und außerdem ist die Episodenhauptfigur Konditor.

Das stimmt zwar, aber um die Konditorei geht’s nur am Rande; Karl Löwe (Karl Kranzkowski) könnte auch einen Elektrofachhandel besitzen. Als die Mainzer Gerichtsvollzieherin Kuckuck (Aglaia Szyszkowitz) ihm eines Tages einen Vollstreckungsbescheid zustellt, regt sich der alte Herr derart auf, dass ihn ein Herzinfarkt ereilt: Er soll einen Elektroroller im Internet bestellt und nicht bezahlt haben. Weil vor lauter Schreck niemand daran gedacht hat, die Geräte abzustellen, bricht auch noch ein Brand aus. Als Löwe heimkommt, steht er vor der Ruine seines Lebensabends: Die Versicherung weigert sich, für den Schaden aufzukommen. Kreditwürdig ist er auch nicht mehr, denn zu dem Elektroroller sind noch weitere Bestellungen gekommen.

[„Billy Kuckuck: Aber bitte mit Sahne“, Freitag, ARD, 20 Uhr 15]

Viel besser als der Titel des Udo-Jürgens-Liedes würde also die Redensart vom Teufel und dem größten Haufen passen, und wer weiß, was aus dem bedauernswerten Konditor geworden wäre, wenn nicht Billy Kuckuck, sondern irgendein gleichgültiger Kollege für den Fall zuständig wäre. So jedoch nimmt die Gerichtsvollzieherin die Sache persönlich, und das zudem aus gutem Grund, denn es gibt eine uralte Verbindung zwischen Löwe und Billys Mutter (Ursela Monn); womöglich steht die Tochter dem Mann näher, als sie anfangs ahnt.

Billys Privatleben ist ohnehin mindestens so wichtig wie das Schicksal des Bäckers, schließlich ist die Kombination von fachlichen Herausforderungen und romantisch-dramatischen Herzensangelegenheiten ein Markenzeichen von Reihen wie diesen, in denen sich Frauen in helfenden Berufen weit über das gewöhnliche Maß hinaus für ihre Kunden, Klienten oder Patienten engagieren.

Hin- und hergerissen zwischen zwei Männern

Reihenschöpferin Kirsten Peters hat auch die Drehbücher zu den ersten Episoden („Margot muss bleiben“ und „Eine gute Mutter“) geschrieben und setzt im dritten Film fort, was sich nicht nur dort, sondern in unzähligen anderen Geschichten bereits bewährt hat: Billy ist zwischen zwei Männern hin und her gerissen. Der eine, Gunnar (Gregor Bloéb), ist ihr Ex, der sie wegen einer geschwängerten Jüngeren verlassen hat; der andere, Lukas (Bernd-Christian Althoff), ist ein schmucker junger Sanitäter, der sie aufrichtig liebt. Die Rivalität der beiden sorgt für diverse heitere Momente, zumal mit dem etwas gruseligen Nachbarn Holger (Rüdiger Klink) ein zwar chancenloser, aber recht lästiger weiterer Kandidat durch Billys Leben schleicht.

Das mag alles nicht außergewöhnlich klingen, und tatsächlich wird auch der dritte Film weder in die TV-Historie eingehen noch irgendwelche Preise gewinnen; er bietet neunzig unbeschwerte Minuten, die bald wieder vergessen sind. Trotzdem ist „Aber bitte mit Sahne!“ sehenswert, denn auch beim Gebrauchsfernsehen gibt es große Qualitätsunterschiede; Inszenierung (Thomas Freundner) und Bildgestaltung (Benjamin Dernbecher) sind jedenfalls ansprechend. Einige Szenen mögen sich bei Versatzstücken des Boulevardtheaters bedienen, wenn sich beispielweise nacheinander diverse Besucher Billys Klinke in die Hand geben, sorgen aber für viel Kurzweil. Die flotte, leicht rockige Musik von Helmut Zerlett vermittelt ohnehin eine Leichtigkeit, die einen reizvollen Kontrast zum Episodenthema Identitätsdiebstahl bildet.

Die „Billy Kuckuck“-Geschichten sind zudem mit großer Zuneigung zu den Figuren erzählt; die Schauspieler vermitteln nie das Gefühl, dass sie womöglich ganz andere künstlerische Ambitionen haben. Das gilt vor allem für Aglaia Szyszkowitz, die ihre Rollen ohnehin stets mit ansteckender Herzlichkeit auslebt. Die 52-jährige gebürtige Grazerin gehört seit 25 Jahren zu den meistbeschäftigten Schauspielerinnen im deutschen Fernsehen und hat großen Anteil daran, dass selbst eher schlichte Degeto-Produktionen wie die Reihe „Zimmer mit Stall“ keine Zeitverschwendung und Komödien wie „Der Kotzbrocken“ weitaus besser als ihr Titel sind. Tilmann P. Gangloff

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