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Klare Rollenverteilung: der starke Adam Schürk (Daniel Sträßer, li.) und der zaudernde Leo Hölzer (Vladimir Burlakov). So war es schon in Kindertagen.

© SR/Manuela Meyer, Peter Liwowski

Neue Ermittler im Saarland-„Tatort“: Die Gewalt der Väter

Old-Shatterhand-mäßig mit einem Schlag: Die neuen Saarbrücker „Tatort“-Kommissare verbindet ein tragisches Kindheitserlebnis.

Seit Jochen Senf zwischen 1988 und 2005 den radelnden Kommissar Max Palu gab, war der Beitrag des Saarländischen Rundfunks (SR) nicht mehr sonderlich prägend für die „Tatort“-Reihe. Zuletzt kurvte Devid Striesow als freundlicher Kommissar Jens Stellbrink auf seiner Vespa durch das kleine Bundesland im Westen.

Frauen spielten auf dem Fernseh-Kommissariat in Saarbrücken bisher nur eine Nebenrolle. Das ändert sich auch an Ostermontag nicht, wenn Daniel Sträßer und Vladimir Burlakov ihre Premiere geben, leider in einem zwar krassen und aufwühlenden, aber reichlich überladenen Fall: In „Das fleißige Lieschen“ von Hendrik Hölzemann (Drehbuch) und Christian Theede (Regie) geht es um einen Erbstreit und brüderliche Eifersucht, um Spielsucht und Wettmanipulation, um Zwangsarbeit in der NS-Zeit und die Vertuschung vergangener Verbrechen – und vor allem um die Gewalt, die Väter ihren Söhnen antun.

Die hat Adam Schürk (Sträßer) am eigenen Leib zu spüren bekommen. In Rückblenden sieht man, wie der Neue auf dem Saarbrücker Kommissariat als Kind von seinem Vater gedrillt und gequält wurde: Tritte in den Bauch, während Adam Liegestütze machte. Schläge mit dem Gürtel, wenn Adam nicht spurte.

Leo Hölzer (Burlakov) ist sein alter Freund aus Kindertagen, den der größere Adam schon auf dem Schulhof vor den Rabauken beschützt hatte. Irgendwann ist Adam jedoch abgehauen aus seiner saarländischen Heimat. Nach 15 Jahren taucht er plötzlich wieder auf und überrascht Leo als dessen neuer Kollege auf dem Kommissariat. Der Kontakt war abgerissen, Leo macht ihm erst mal Vorwürfe.

Bei den Ermittlungen ist man sich auch nicht immer einig, dennoch raufen sich die beiden schnell zusammen. Ein gemeinsames tragisches Kindheitserlebnis, von dem sie aus guten Gründen niemandem erzählt haben, verbindet Adam und Leo. Am Ende des ersten Films mit dem neuen „Tatort“-Team wird dieses Geheimnis enthüllt, das vermutlich auch in weiteren Episoden eine Rolle spielen dürfte.

An gemeinen (Groß-)Vätertypen mangelt es in dem Saarbrücker Premierenfilm jedenfalls nicht: Der gerade 94 Jahre alt gewordene Dieter Schaad zum Beispiel läuft als Firmen-Patriarch Bernhard Hofer zu großer Form auf. Hofer ist ein kalter, rücksichtsloser Greis, und Darsteller Schaad bellt die Verachtung auf alles vermeintlich Schwache geradezu furchterregend überzeugend heraus. Hofer bestimmt seinen Enkel Erik (Gabriel Raab) zum Erben und Inhaber des familieneigenen Textil-Unternehmens.

„Er war egoistisch, gewalttätig und gemein“

Auch das ist ein Akt der Demütigung, denn der Greis übergeht bewusst seinen ältesten, homosexuellen Enkel Konrad (Moritz Führmann). Der stürmt beleidigt aus dem Raum und wird von seinem Bruder Erik auf Geheiß des Alten zur Rede gestellt. Wie das Handgemenge endet, enthüllt die Kamera nicht. Allerdings wird Erik später erschlagen aufgefunden.

Konrad – Mörder-Motiv, blutiges Hemd, falsches Alibi vom Liebhaber – wird von Beginn an so offenkundig als Hauptverdächtiger präsentiert, dass Krimi-erfahrene Zuschauer ahnen dürften, wohin der Hase läuft beziehungsweise nicht läuft. Weitere Fährten müssen her und finden sich in Eriks umfassend unsympathischer Persönlichkeit. „Er war egoistisch, gewalttätig und gemein“, sagt seine Witwe, die er am laufenden Band betrog.

Außerdem war Erik spielsüchtig und hatte Wettschulden, womit ein weiteres Mord-Motiv zur Auswahl steht. Und dann ist da noch der rätselhafte Selbstmord von Eriks und Konrads Vater und die Vergangenheit der Firma, die in der NS-Zeit Zwangsarbeiter beschäftigt hatte. Die Familie mochte sich später nicht mehr so gerne daran erinnern.

Das wenig subtile und konstruierte Verwirrspiel („Tatort – Das fleißige Lieschen“; ARD, Ostermontag, 20 Uhr 15) hat immerhin eine starke Botschaft: Gewalt gebiert immer neue Gewalt, über Generationen hinweg. Auch die Kommissare sind deformierte Männertypen, wobei die alte Rollenverteilung – der starke, zupackende Adam; der zaudernde, ängstliche Leo – nach wie vor zu gelten scheint. Als Figur wird Adam Schürk mit einer Szene im Fernbus eingeführt, in der er einen Vater, der seinen Sohn übel beschimpft, Old-Shatterhand-mäßig mit einem Schlag bewusstlos schlägt.

Dagegen hat Leo Hölzer ein Disziplinarverfahren am Hals, weil er in einer bedrohlichen Situation nicht von der Schusswaffe Gebrauch machte und somit seinen früheren Partner im Stich ließ. Auch die Verfolgung eines Verdächtigen endet entsprechend: Leos Hände zittern, als er den Besitzer eines Wettladens mit vorgehaltener Waffe aufhalten will.

Der flüchtet seelenruhig weiter, wird dann aber von Adam gestellt. Seine Polizeikollegin Esther Baumann (Brigitte Urhausen) hält deshalb wenig von Leo: „Der hat Schiss in der Bux.“ Die Vierte im Bunde auf dem Kommissariat, Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer), hält sich raus. Auch beim Profil der weiblichen Nebenfiguren ist noch viel Luft nach oben.

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