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Das einzig Unverwüstliche in „Tribes of Europa“ sind die Betonbauten. Die drei Geschwisterkinder Liv (Henriette Confurius, v. l. n. r.), Elja (David Ali Rashed) und Kiano (Emilio Sakraya) müssen sich immer neuen Gefahren stellen.

© Gordon Timpen/Netflix

Netflix-Serie „Tribes of Europa“: Eine Serie, wie es sie aus Deutschland noch nicht gegeben hat

Die Erben von „Mad Max“: Die deutsche Netflix-Serie „Tribes of Europa“ zeichnet die düstere Perspektive einer archaischen Welt des Jahres 2074.

Eine solche TV-Serie hat man aus Deutschland noch nicht gesehen – was nicht allein daran liegt, dass ein solcher Stoff auf eine enge Zielgruppe zugeschnitten ist. Die Netflix-Serie „Tribes of Europa“ erzählt die Geschichte von drei jungen Geschwistern, die Jahrzehnte nach einer technologischen Katastrophe in einem postapokalyptischen Europa mit stammesgeprägten Strukturen zwischen die Fronten geraten und nun – getrennt voneinander – ihren eigenen Weg aus ihrer beängstigenden Lage finden müssen.

Einer von ihnen wird zudem noch unfreiwillig mit einer Mission beauftragt, von deren Ausgang zwar nicht unbedingt die ganze Menschheit, aber zumindest doch die Zukunft der in Europa lebenden Menschen abhängt.

Für internationale Kinoproduktionen ist diese grundsätzliche Thematik freilich nicht neu. In einigen Punkten lässt sich „Tribes of Europa“ mit „Mad Max“ oder den „Tributen von Panem“ vergleichen, was auch an der kämpferischen Liv (Henriette Confurius) mit ihrem Hochleistungs-Bogen und dem muskulösen Bruder Kiano (Emilio Sakraya) liegt.

Doch für eine deutsche TV-Serienproduktion ist das Stammestreiben des Jahres 2074 ebenso gewagt und experimentell wie es die Netflix-Serien „Stranger Things“ und „Dark“ waren.

[„Tribes of Europa“, Netflix, erste Staffel mit sechs Episoden, ab Freitag]

Dass der wilde, fast hemmungslose Genre-Mix, den sich das klassische Fernsehen nicht traut, der aber bei den Streamingdiensten erstaunlich gut funktioniert, erneut von der Produktionsfirma Wiedemann & Berg stammt, ist dabei nicht einmal verwunderlich.

Die Münchener haben bereits so erfolgreiche Serien wie „4 Blocks“ und „Der Pass“ sowie die erste deutsche Science-Fiction-Mystery-Serie „Dark“ produziert. Aktuell setzen die beiden Produzenten die TV-Adaption von „Blackout“ (Marc Elsberg) für den ProSiebenSat1-Streamingdienst Joyn um – und sind mit dem Thema einer Technologie-Katastrophe somit doppelt vertraut.

Zwielichtig, aber zugleich sympathisch: Schrotthändler Moses (Oliver Masucci).
Zwielichtig, aber zugleich sympathisch: Schrotthändler Moses (Oliver Masucci).

© Netflix

Zum postapokalyptischen Science-Fiction-Setting kommt bei „Tribes of Europa“ die Coming-of-Age-Story von drei Geschwistern auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Abgerundet wird das Ganze dann noch mit Spuren von Gesellschaftskritik insbesondere in Richtung Klimawandel und zunehmender Technologie-Abhängigkeit.

Bemerkenswert ist aber auch das Timing: „Tribes of Europa“ starten am selben Tag, an dem Konkurrent Amazon Prime die Geschichte der drogensüchtigen Christiane F. in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ als Serie neu adaptiert.

So unterschiedlich die Stoffe sind, eines verbindet sie: Sowohl die Netflix-Serie als auch die Amazon-Produktion adressieren das junge, streamingaffine Publikum, das sich damit ein weiteres Stück vom klassischen Fernsehen entfernen kann. Am Freitag stößt damit eine große bekannte Vorlage auf ein Serien-Wagnis, das eine große Chance sein kann.

In der Netflix-Besetzungsliste fallen zwei Namen besonders auf: Oliver Masucci („Werk ohne Autor“) gibt den ebenso zwielichtigen wie sympathischen Schrotthändler Moses, der sich zwischen den rivalisierenden Machtgruppen durchlaviert.

Melika Foroutan spielt eine gleichermaßen attraktive wie machthungrige Crow-Anführerin. Sowohl bei Moses als auch bei Foroutan als Lord Varvara muss sich erweisen, welchen Idealen sie sich wirklich verpflichtet fühlen.

Ein Casting mit europäischer Ausrichtung

Im Zentrum stehen freilich die Geschwister. Während Bambi-Preisträgerin Henriette Confurius („Tannbach“) und Emilio Sakraya („4 Blocks“) bereits einige Bekanntheit erlangt haben, steht David Ali Rashed („Tigermilch“) als Elja noch am Anfang einer vielversprechenden Karriere. Im Sinne des europäischen Anspruchs wurden weitere Schauspieler aus England, Holland, Frankreich, Spanien, Kroatien und Rumänien rekrutiert.

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Eindrucksvoll sind zudem die fantastischen Locations unter anderem in Kroatien, Tschechien und Südafrika (gedreht wurde Ende 2019). Eine Erkenntnis dabei: zumindest Beton ist unverwüstlich. Auch sonst ist es äußerst interessant, in welche Richtung Showrunner Philip Koch und Mit-Regisseur Florian Baxmeyer ein Europa nach dem Blackout weitergedacht haben.

Die alten Gesellschaftssysteme existieren nicht mehr, auf der Mikro-Ebene haben Stämme wie in der Vorzeit deren Platz eingenommen. Deren Leben ist archaisch, aber nicht anarchisch. Und es gibt größere, quasi-staatliche Gebilde.

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Auf der einen Seite eine auf Survival of the fittest ausgerichtete Kriegergesellschaft, die sich Crows nennen, andere Stämme versklaven und Gladiatorenkämpfen huldigen. Auf der anderen Seite steht die Crimson Republic, die die Idee eines freiheitlichen Europas propagiert und sich auf Überbleibsel des alten europäischen Militärs stützt.

Hinzu kommt noch eine andere, fremde Macht: Die Atlantier. Sie leben außerhalb Europas und verfügen weiterhin über fortschrittliche Technologie. Eines ihrer Flugzeuge stürzt über dem ehemaligen Deutschland ab und löst damit einen gefährlichen Wettlauf aus.

Dabei kommt ein spezieller Würfel zu neuen Ehren. Anders als der Zauberwürfel Rubik’s Cube aus den 1970er Jahren steht dieses handgroße schwarze Objekt für die Macht und zugleich für die Versuchung der Technologie.

Zum neuen Serientypus gehört zumindest bei Netflix, dass man die Produktionen im Binge-Watch-Verfahren in einem Rutsch verschlingen kann. Dass viele neuere Streamingproduktionen – wie auch „Tribes of Europa“ – als Mini-Serien angelegt sind, kommt dem entgegen.

Damit einher geht, dass die Cliffhanger vor allem am Ende der Staffel zu finden sind. Und ohne nun mehr zu verraten, deutet das Ende der ersten Staffel der neuen Netflix-Serie auf eine Fortsetzung hin – vorausgesetzt, sie ist ähnlich erfolgreich wie „Stranger Things“ und „Dark“.

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