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Rachel McAdams und Will Ferrell treten als Fire Saga beim ESC auf.

© John Wilson/NETFLIX

Netflix-Film über den Eurovision Songcontest: Will Ferrell singt mit den Elfen

Krude Story, dafür ganz viel Glitzer: In der Netflix-Klamotte „Eurovison Song Contest – The Story of Fire Saga“ persifliert der US-Komiker den Gesangszirkus.

Klar ist er ausgefallen, der Eurovision Song Contest. So wie fast alle anderen Großereignisse in diesem Hätte-hätte-Fahrradkette-Jahr. In Rotterdam sollten im Mai die Schampuskorken beim Gesangswettbewerb fliegen. Nun knallt der ESC 2020 dank der Bemühungen des US-Komikers Will Ferrell doch noch. In Edinburgh. Oder besser gesagt beim Streamingdienst Netflix, der die Klamotte „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ produziert hat.

Wie kommt ein Ami dazu, sich für den ESC zu begeistern? Mal abgesehen davon, dass sich auch Australien, Israel und Aserbaidschan zu Europa rechnen, wenn es um den Sängerwettstreit geht, wurde Ferrell von seiner schwedischen Ehefrau in die Materie eingeführt. Gleich zu Beginn der schrillen Komödie, die David Dobkin inszeniert hat, wird der Triumph der Schweden im Jahr 1974 als Erweckungserlebnis inszeniert.

Da singen Abba im Fernsehen „Waterloo“ und der kleine Lars Erickssong (haha), dem eigentlich die Trauer um seine verstorbene Mutter in den Knochen steckt, fängt zum Unwillen seines Vaters Erick (Pierce Brosnan) an, vor der Glotze zu tanzen.

Ein grenzdebiles Riesenbabymit großen Träumen

Von Stund an hat Húsavík im Nordosten Islands, wo sich sonst Buckelwale und Fischer gute Nacht sagen, einen Dorfdeppen. Den von Will Ferrell als grenzdebiles Riesenbaby angelegten Träumer Lars, der unbedingt den Eurovision Song Contest gewinnen will, aber im echten Leben nur Knöllchen an Falschparker verteilt. An ihn und seine musikalischen Ambitionen glaubt seit Kindertagen eigentlich nur eine: Sigrit Ericksdottir.

Rachel McAdams spielt die sonnige Lehrerin, die Feierabends zusammen mit Lars als Duo Fire Saga auf der Bühne der Dorfkneipe brilliert. Seltsam nur, dass zwischen Sigrit und Lars optisch zu viele Jahrzehnte und zwischen Lars und seinem Vater zu wenige zu liegen scheinen. Doch wer sich an solchen Kleinlichkeiten stört, hat das Prinzip Will Ferrell nicht begriffen. Der kümmert sich auch als Drehbuchautor nicht um die krude Story, sondern lieber um bekloppte Gags und Skandinavier-Stereotype.

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Den Elfen-Glauben beispielsweise, der in Island irgendwie Staatsräson ist und Sigrit zu regelmäßigen Opfergaben anstachelt. Oder den knorrigen Fischer, den Pierce Brosnan mit schweigsamer Hingabe mimt. Logisch, dass so einer Juniors Bühnen-Drang für Humbug und singende Männer für Knalltüten hält. Die Einschätzung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn man sich das amüsant persiflierte ESC-Personal so anguckt.

Die eherne Regel der Feelgood-Komödie besagt, dass Underdogs genau da hinkommen, wo sie hinwollen. Also fahren Fire Saga als Abgesandte Islands nach Edinburgh und der Bühnenspaß beim ESC beginnt.

Conchita Wurst und Netta haben Gastauftritte

Den hat Will Ferrell zu Recherchezwecken tatsächlich mehrmals besucht. Und sich der Unterstützung der austragenden Europäischen Rundfunkunion versichert, die gewiss nichts gegen Publicity beim Netflix-Publikum hat. Anders als am Originalschauplatz wären die aufwändigen Liveacts in der Riesenhalle auch schwerlich zu inszenieren gewesen. Sie zitieren die Theatralik und grelle Ästhetik echter ESC-Nummern im Breakdancer-, Wikinger- oder Zombie-Kostüm und wurden im Rahmen des letztjährigen Songcontests in Tel Aviv gedreht.

Selbstverständlich gibt sich auch ESC-Prominenz die Ehre, auf einer Party im Palast des reichen Russen Alexander Lemtov (Dan Stevens). Da schmettern ehemalige Kandidatinnen und Kandidaten Songs von Cher, Madonna und Abba. Die Ausstattung funkelt wie die Menschen, dynamische Kamerabewegungen und Musik beschwören die Macht des Miteinanders.

Bekloppte Gags und Skandinavier-Stereotype gibt's im Film zuhauf.
Bekloppte Gags und Skandinavier-Stereotype gibt's im Film zuhauf.

© Elizabeth Viggiano/Netflix

Die feiern unter anderen Alexander Rybak, Bilal Hassani, Anna Odobescu, Jamala und die Diversitäts-Botschafterinnen Netta und Conchita Wurst. Die innige Verbindung der Gay-Community zum Songcontest ist selbstredend Thema.

Nicht nur, weil der schwule BBC-Moderator Graham Norton, wie im echten Leben, den Kommentator spielt. Auch der feurige Bariton Alexander entpuppt sich als homosexuell. Den kurz zuvor geäußerten Satz „Kein Russe ist schwul“ hat ihm sowieso nicht mal seine Babuschka geglaubt. Von Mütterchen Russland ganz zu schweigen.

Die Elfen müssen den Auftritt retten

„Double Trouble“, die Schlagerstampfpop-Nummer, mit der Fire Saga im Halbfinale antritt, könnte anstandslos beim echten Wettsingen mithalten. Bei ihrem Auftritt allerdings geht alles schief, was schief gehen kann. Doch das große Herz des Eurovision-Publikums gehört auch Außenseitern, solange sie keine Deutschen sind. Und so ist das Slapstick-Desaster noch nicht das Ende.

Immer gut, wenn man als Isländer noch eine Elfe im Ärmel hat. Und ein Glück für den Eurovision Song Contest, wenn sich ein Fan ans Parodieren der Veranstaltung macht. Zur Qualität des ESC-Zirkus wären wahrlich beißendere Satiren denkbar. Doch Will Ferrell ist ein Clown, der geliebt werden will.

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