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Realität? Verloren im nächtlichen Nirgendwo stehen die Wohnmobile an den Landstraßen. Szene aus dem Dokumentarfilm "Lovemobil".

© NDR/Christoph Rohrscheidt

NDR-Dokumentarfilm "Lovemobil": Was Fake ist, was falsch ist

"Lovemobil" von Elke Margarete Lehrenkrauss verstößt gegen ein Grundgesetz des Dokumentarischen: Es darf nicht gefakt werden. Ein Kommentar.

Gibt es das, gibt ein Komparativ von authentisch? Kann etwas echter sein als echt? Die Autorin Elke Margarete Lehrenkrauss sagt ja. Sie hat den Dokumentarfilm "Lovemobil" gedreht. Er schildert das Leben von Prostituierten , die unter entwürdigenden Umständen in Wohnmobilen am Rande von Bundesstraßen in Niedersachsen arbeiten. Der Beitrag ist deprimierend eindrucksvoll, was Wunder, dass er weltweit auf Festivals gelaufen ist, mit dem Deutschen Dokumentarfilmpreis prämiert wurde und für den Grimme Preis nominiert ist.

Seine Überwältigungskraft zieht der Film auch aus dem Mittel, das Lehrenkrauss eine "viel authentischere Realität" nennt. Szenen sind nicht der Realität entnommen, sie sind in die Realität eingesetzt worden, sie wurden nachgestellt, inszeniert, zahlreiche Protagonisten schildern nicht ihre persönlichen Erfahrungen - sie spielen eine Rolle. Eine Hyperrealität ist entstanden, ein Hybridformat aus Dokumentation und Fiktion.

Irreführung des Publikums ist verboten

Das ist möglich, muss aber unbedingt einer Bedingung folgen: Der Zuschauer muss dringend und unmissverständlich darüber informiert worden, was er da sieht. Er darf nicht im Unklaren darüber bleiben über das echt Realistische und das nur angeblich Realistische in einer Produktion. Eine Irreführung des Publikums ist ein Irrweg. Lehrenkrauss hat gegen ein, nein, gegen das Grundgesetz des Dokumentarischen verstoßen. Der NDR distanziert sich zu Recht, allerdings gereicht es dem öffentlich-rechtlichen Sender nicht zur Ehre, dass nicht seine Dokumentarredaktion den Unterschleif bemerkt hat, sondern die Informationen aus dem Umfeld der Produktion gekommen sind. Der Norddeutsche Rundfunk war enorm stolz auf "Lovemobil", sonnte sich im Glanz der globalen Aufmerksamkeit und der Preise. Klar, der Film machte und macht Eindruck, er war auf Erfolg hingestrichen worden.

Fake News

Der Vorgang markiert keine lässliche Sünde, er fällt in eine Zeit, da permanent über News und Fake News diskutiert wird. Die Begriffe grenzen sich klar voneinander ab, sie dürfen nicht miteinander oszillieren, schon gar nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ein bisschen Fake, ein bisschen News, wen stört's, wenn das Ergebnis leuchtet? Eine "viel authentischere Realität" ist mehr Fiktion und keine Dokumentation mehr. Das wird auch Elke Margarete Lehrenkrauss wissen. Wie wäre es, wenn sie sich ihren Film erneut vornimmt und die nachgestellten, inszenierten Szenen herausschneidet und gegebenenfalls mit unverbrauchtem Material auffüllt. Wenn "Lovemobil" dann nicht mehr funktioniert, dann steht eines fest: Er taugt nicht für das, was er sein will: die Beschreibung und Beobachtung von tristem Leben in Deutschland, das im Schlagschatten der Landstraße liegt.

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