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Das "Spiegel"-Verlagsgebäude an der Hamburger Ericusspitze.

© dpa

Nachrichtenmagazin "Der Spiegel": Immer wieder samstags

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ erscheint jetzt am Sonnabend – wie bereits 1947. Außerdem ändern sich auch Schlachtruf, Druck und Preis. Das erste Cover würdigt "Charlie Hebdo".

Der „Spiegel“ hatte sie alle. Den Montag. Den Mittwoch. Den Donnerstag. Den Sonnabend, wahlweise Samstag genannt. In ausgewählten Großstädten wie Hamburg, Berlin oder München hatte er sogar den Sonntag. Nur dienstags und freitags ist das „Sturmgeschütz der Demokratie“ nie erschienen, nirgends. Na gut, der „Spiegel“ hatte sie also doch nicht alle. Aber fast.

Blick zurück: Nachdem Gründer Rudolf Augstein auf Rat seines Vaters entschieden hatte, die neue Zeitschrift statt „Das Echo“ klangeshalber „Der Spiegel“ zu taufen, brauchte man einen festen Erscheinungstermin. Die Wahl fiel zunächst auf Samstag, am 4. Januar 1947 erschien der erste „Spiegel“ überhaupt. Preis eine Reichsmark, auf dem Titel „1. Jahrgang Nr. 1“ und das Versprechen: Erscheint jeden Sonnabend. Nur circa zwei Jahre hielt sich der Verlag daran, in den darauffolgenden Jahrzehnten wurden munter alle beschriebenen Erscheinungstage durchprobiert. Erst jetzt, 2015, kehrt das Magazin zurück zu seinen Wurzeln. Ab dieser Woche erscheint der „Spiegel“ wieder samstags. „Spiegel“, 1947-Style?

Die Marktforschung sagt: Der Mensch liest am Wochenende

Kaum. Die neue Erscheinungsweise ist vielmehr kommunikationswissenschaftlichen Studien sowie der Marktforschung geschuldet, die den Samstag als „Lesetag“ der Deutschen identifiziert haben wollen. Samstags hat der Mensch Zeit und Muße, sich den schönen Dingen des Lebens zu widmen; er trinkt Kaffee und liest ein Magazin. Wenn dieses Magazin dann noch „Der Spiegel“ hieße, hätten Forscher und Verlag sozusagen alles richtig gemacht.

Solidarität mit den Kollegen von "Charlie Hebdo": Mit diesem Cover erscheint der "Spiegel" diesen Samstag.
Solidarität mit den Kollegen von "Charlie Hebdo": Mit diesem Cover erscheint der "Spiegel" diesen Samstag.

© Promo

Stimmt schon: Es ist Fakt, dass am Wochenende mehr gelesen wird als sonst. Bei einer Umfrage kam einmal heraus, dass Leser ihr bisher montäglich geliefertes oder gekauftes „Spiegel“-Exemplar oft fast eine ganze Woche liegen ließen – um es in Ruhe samstags und sonntags zu durchforsten. Bei einem derart sträflichen Verhalten konnten sich die Journalisten natürlich noch so sehr um Aktualität bemühen: Die „News“ waren, kamen sie zum von der Arbeitswoche gestressten Konsumenten, schon an die sieben Tage alt.

Früher wurde der "Spiegel" per Eilkurier zugestellt

Damit sich das ändert, muss der Samstag ran. Kritiker bemängeln allerdings, dass der „Spiegel“ als Nachrichtenmagazin damit die Chance vergebe, zum Wochenanfang politische Duftmarken zu setzen und sogenannte „Scoops“ – also Exklusivberichte – zu landen. Denn das war lange „Spiegel“-Brot: Die Entscheider der Bundesrepublik, sogar andere einflussreiche Journalisten, ließen sich das Magazin manchmal nachts per Fahrradkurier direkt aus der Druckerei zustellen, um noch vor allen anderen zum Wochenstart top informiert zu sein.

Für ein Nachrichtenmagazin, das wie kein anderes den Takt des kritischen Politikjournalismus vorgegeben hat (und immer noch vorgeben will) ist der Samstag daher vielleicht nicht wirklich optimal. Für eine kundenorientierte Lifestyle-Zeitschrift ist Sonnabend dagegen zweifellos der bessere Erscheinungstermin: Denn dann, so sagen Forscher, entscheiden Menschen, wohin sie verreisen, welche Autos sie kaufen und welche Einbauküche es werden soll. Dazu passt, dass, wenn man ehrlich ist, die zuletzt publizierten „Spiegel“-Titel nur noch selten den Geist knallharten Recherchetums vermittelten. Da beschäftigten sich Autoren mit Themen wie „Beste Freunde – Das wichtigste Bündnis unseres Lebens“ oder „Nachts im Gehirn – warum wir träumen“. Texte, die man früher im nutzwertorientierten „Focus“ vermutet hätte – der es dem „Spiegel“ bekanntlich gleichtut und ebenfalls samstags am Kiosk liegt. Wenn es allerdings hart auf hart kommt, findet der „Spiegel“ wie immer verlässlich zu seinen Leitmedium-Genen zurück: Das erste Samstags-Cover ist den Opfern des erschütternden Attentats auf die französische Satire-Zeitung „Charlie Hebdo“ gewidmet.

Die Umstellung des Erscheinungstags: Büchners Vermächtnis

Die Umstellung von Montag auf Samstag ist lang beschlossene Sache. Wolfgang Büchner, der vor wenigen Wochen geschasste Ex-Chefredakteur des „Spiegel“, glaubte an den Lesetag Sonnabend. Bereits im Dezember 2013 fielen unter ihm die Würfel; im Übrigen mit breiter Zustimmung der Redaktion. Büchner wurde nach schier endlosen Querelen um seine Person und sein publizistisches Lifting-Konzept abgesetzt; sein Samstags-Beschluss aber blieb. Hinter dem standen ja auch die Printredakteure.

Der jahrzehntealte Schlachtruf „Montag ist ,Spiegel’-Tag“ ist daher Geschichte. Stattdessen fährt der Verlag nun eine teure, breit angelegte Werbekampagne: Crossmedial, also online, in Funk und Fernsehen, auf Plakaten und im Print ist der „Spiegel“ ab jetzt mit dem Slogan „Keine Angst vor der Wahrheit“ präsent. In Zeiten von „Lügenpresse“-Vorwürfen durchaus ein Statement mit Gewicht, das Verlagssprecherin Anja zum Hingst wie folgt begründet: „Wir wollen zeigen, welch großen Aufwand dieses Unternehmen betreibt, um „Spiegel“-Journalismus möglich zu machen.“ Allerdings soll es nicht nur der Aufwand richten, sondern weiterhin Aktualität und Exklusivität.

Gedruckt wird ab sofort in Pforzheim und Gütersloh - Offset statt Tiefdruck

Deshalb hat der „Spiegel“-Verlag sogar den Druck umgestellt: Die Hälfte der rund eine Million Hefte kommt künftig aus dem baden-württembergischen Pforzheim; die andere Hälfte von Mohn Media aus Gütersloh. Der „Spiegel“ ändert nämlich nicht nur den Erscheinungstag, sondern wechselt auch von Tiefdruck zu Offset-Druck. Für die Verlagsmanager hat das strategische Gründe: Offset-Druck gilt als schneller und flexibler. Matthias Schmolz, Leiter des „Spiegel“-Verlags, spricht unter anderem davon, kurzfristig noch Inhalte und Inserate einzubauen, die auf bestimmte Regionen zugeschnitten sind – besonders interessant für Werbekunden. Donnerstagabend ist künftig „Spiegel“-Redaktionsschluss, im Lauf des Freitags wird das neue Heft gedruckt.

So viel Innovation kostet. Im Abo bezahlt man für einen „Spiegel“ künftig 4 Euro 40, am Kiosk 20 Cent mehr. Die magische 5-Euro-Hürde, über die Verlagsgeschäftsführer Ove Saffe bereits seit längerer Zeit nachdenkt, rückt in greifbare Nähe. Spätestens beim nächsten Wechsel des Erscheinungstags.

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