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Der Journalist Claas Relotius

© dpa

Nach Relotius-Skandal: „Spiegel“ veröffentlicht überarbeitete Standards

Nach dem Relotius-Skandal hat die Redaktion des „Spiegels“ ihre journalistischen Grundsätze neu formuliert.

„Als Teil dieses Aufarbeitungsprozesses haben in den letzten Monaten rund 50 Kolleginnen und Kollegen Standards für unsere Arbeit formuliert“, erklärte Chefredakteur Steffen Klusmann am Montag im Online-Auftritt des Magazins.

In Abstimmung mit der Chefredaktion sei das 74 Seiten umfassendes Booklet mit dem Titel „Die Spiegel-Standards“ entstanden, das im Internet heruntergeladen werden kann.

In einem Kapitel über den Umgang mit Quellen und Protagonisten heißt es in dem neuen Leitfaden: „Wir wählen Protagonistinnen und Protagonisten aus, die eine besondere Geschichte haben, eine interessante Perspektive einnehmen, wichtige oder relevante Standpunkte vertreten. Wir betreiben kein ,Casting', das konkrete Protagonisten idealtypisch zusammensetzt, um möglichst effektvoll erzählen zu können.“

Im Teil zu Verifikation von Texten heißt es: „Nach Abgabe des Manuskripts liefert der Redakteur der Dokumentation eine annotierte Fassung - also ein Manuskript mit Verweisen auf die verwendeten Quellen, inklusive der Nennung von Gesprächspartnern. Das beschleunigt die Verifikation und verschafft den Dokumentaren und Dokumentarinnen, aber auch Ressortleitung und Rechtsabteilung Zeit für die Prüfung schwieriger Passagen und eine gründlichere Beurteilung der verwendeten Quellen.“

An anderer Stelle des Leitfadens ist vermerkt, dass zur Qualitätssicherung bestimmte Beiträge nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und von der Dokumentation vertieft geprüft werden können.

„Vieles darin mag selbstverständlich klingen“, schrieb Klusmann. Dennoch sei es „sinnvoll und notwendig“ gewesen, sich in dieser Form noch einmal auf handwerkliche und journalistische Grundsätze zurückzubesinnen. Diese Standards würden künftig regelmäßig überarbeitet und seien für die „Spiegel“-Mitarbeiter in Redaktion und Dokumentation verbindlich.

In der Präambel des Booklets heißt es, die Erkennung, Vermeidung und Analyse von Fehlern und Unstimmigkeiten lebe vom Einsatz der Beschäftigten in allen Bereichen des Hauses.

„Diese teamorientierte Kultur muss weiter vertieft werden: verpflichtet der Richtigkeit und Klarheit, der Transparenz und Selbstkritik, der Freude am konstruktiven Dissens und dem Vertrauen in unsere gemeinsamen Grundwerte.“ In den insgesamt vier Kapiteln „Wie wir arbeiten“, „Verifikation“, „Fehlerkultur“ und „Redaktionelle Unabhängigkeit“ soll den Mitarbeitern dazu ein Leitfaden an die Hand gegeben werden.

Im Dezember 2018 hatte der Fall Relotius den „Spiegel“ in eine publizistische Krise gestürzt. Der vielfach mit Preisen ausgezeichnete Journalist Claas Relotius gab nach internen Nachforschungen Fälschungen zu und verließ das Haus. Er hatte über mehrere Jahre hinweg Geschichten erfunden und Tatsachen verfälscht.

„Der Spiegel“ hatte zur Aufarbeitung der Affäre eine Aufklärungskommission eingesetzt, die im Mai vergangenen Jahres ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte. Damals kündigte das Nachrichtenmagazin auch die Einrichtung einer Ombudsstelle an. Dort sollen Leser und Kollegen künftig Ungereimtheiten in Texten melden können. Laut Ankündigung vom Dezember sollte die Ombudsstelle Anfang dieses Jahres eingerichtet werden. Nähere Informationen dazu sind bislang nicht bekannt. epd/dpa

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