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Der Thron steht rechts. Selbst US-Präsident Barack Obama (links) wirkte bei seinem Besuch in der Late-Show von David Letterman verkleinert. Foto: Reuters

© REUTERS

Nach 33 Jahren im Fernsehen: US-Talkmaster David Letterman hört auf

Selbst Präsidenten sahen neben ihm klein aus. Talkmaster David Letterman hört als spöttisches TV-Gewissen der USA auf.

Es ist so leicht, David Letterman zu lieben. Julia Roberts tut es. George Clooney tut es. Ellen DeGeneres, Oprah Winfrey, Bill Clinton oder Michelle Obama – sie alle lieben den ergrauten Mann mit seinem leicht verzogenen Lächeln im Gesicht. Es ist der Talkmaster, der unbemerkt zuhört, auch wenn er eigentlich lieber zu sich selbst zu sprechen scheint, den die liberale Hälfte Amerikas verehrt. Den Comedian, der viele gute und manche weniger inspirierte Witze macht, aber auch die schlechten einfach stehenlässt. Und dessen Bösartigkeiten, Abend für Abend, mit erlösender Leichtigkeit schon immer die Richtigen treffen.

„Wir sind mit dir aufgewachsen“, sagte Barack Obama in der vergangenen Woche zu einem gerührten David Letterman. Der Präsident saß zum achten Mal auf einem der beiden grauen Sessel, die stets neben Lettermans Sprecherpult stehen. Obama huldigte einem Mann, der auf kauzige Art nicht nur das kulturelle Leben in Amerika bereichert hat. „Das ganze Land“, erzählte Obama, „wir wussten: Du warst da. Wenn wir nach einem harten Tag im Büro nach Hause kamen, hattest du etwas Freude und ein kleines Lachen für uns. Du bist ein Teil von uns. Wir lieben dich.“

Am Mittwoch ist Schluss. Zum letzten Mal tritt David Letterman dann im Ed Sullivan Theater in New York um 23 Uhr 35 Ostküstenzeit auf die Bühne. Nach 33 Jahren Bildschirmtalk, von denen Letterman 22 Jahre durch die „Late Show“ führte, beendet der Sender CBS diese nächtliche Zufuhr an Humor und Intellekt.

Was der Comedy-Talker Stephen Colbert, der Letterman in der „Late Show“ nachfolgen soll, demnächst in den amerikanischen Alltag einspeist, wird man sehen. Seine Zuschauer pflegt Colbert, der Show statt Talk macht, mit „Nation“ anzusprechen. Das ist nicht mehr der Alltagston, mit dem Letterman seine Gäste an die Hand genommen hat. „Ich bin ein Menschen-Typ, ich liebe Menschen“, beschreibt der sich selbst. Aber was sollte Colbert auch versuchen, Letterman zu imitieren? Er solle als ersten Gast am besten Wladimir Putin einladen, rät Letterman seinem Nachfolger.

Bill Murray war Lettermans erster Gast

Auf wackligen Fernsehbildern von 1982 erkennt man das schiefe Lächeln mit dem vorgeschobenen Oberkiefer. Ein dunkelblonder Letterman mit fülliger End-70er-Frisur interviewt in seiner allerersten Sendung einen dunkelhaarigen Mann mit noch schlechterer Frisur. Der Comedy-Schauspieler Bill Murray („Lost in Translation“) war Lettermans erster Gast. Das Interview begann Letterman damals wie heute wenig charmant. „Diese Frage mag niemanden interessieren“, stellte Letterman voran, „es interessiert mich ja selbst kaum.“ Murray ist ihm trotzdem treu geblieben, 43-mal war er in Lettermans Show. Außer Murray liest sich die Gästeliste dieser letzten Tage wie eine bunte Auswahl aus den Forbes-Listen. Letterman spricht mit Tom Hanks und Julia Roberts, mit Bob Dylan und George Clooney. In der letzten Sendung am Mittwoch wird Letterman dann wohl alleine auf der Bühne stehen. Mit Highlights aus drei Jahrzehnten.

6028 Episoden wird Letterman dann gefüllt und Fernsehgeschichte geschrieben haben. Am 1. Februar 1982 hat er mit der „Late Night with David Letterman“ angefangen und in den folgenden elfeinhalb Jahren fünf Emmys gewonnen. Seit dem 30. August 1993 führt er durch die „Late Show“, war für 73 Emmys nominiert und hat neun davon gewonnen. Er hat international Fernsehformate geprägt und ist Vorbild einer ganzen Generation von Talkshowmoderatoren geworden. Der inzwischen 68-Jährige aus dem Mittleren Westen ist dabei bei einem Format angelangt, das als spöttisches Gewissen der Nation gelten kann.

Aber Letterman, erinnerte George Clooney, habe nicht nur viel Lachen mitgebracht. Er habe das Land auch durch Zeiten geführt, in denen niemand mehr wusste, was man tun sollte; ob man je wieder würde lachen können. Wie nach den Anschlägen des 11. September. Im September 2001 hatte Letterman wenige Tage nach den Anschlägen in New York und Washington als erster Talkshowmaster wieder die Bühne betreten und um Worte gerungen. Er bitte um Geduld. Er sei sich nicht sicher gewesen, ob er die Show weiterführen solle. „Aber Bürgermeister Rudolph Guiliani hat uns aufgefordert, zu unserem Leben zurückzukehren. Rudolph Guiliani ist die Personifizierung von Mut.“ Deshalb stehe er nun hier auf der Bühne. Der „Rolling Stone“ urteilte später: „Letterman hat die Stimmung der Nation erfasst und brachte die Sendung, die das Land brauchte.“

„Fernsehen wird ohne dich nicht mehr dasselbe sein, Dave“, kommentiert Ellen DeGeneres den TV-Abschied. Aber jeder hat so seine Art der Huldigung. Der Schauspieler Adam Sandler griff sich eine Gitarre und spielte eine selbst verfasste, stellenweise nicht ganz jugendfreie Ode an David Letterman. „There simply is no better man“, sang Sandler, „than good old David Letterman.“

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