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Am Abgrund: Markus Graf (Florian Bartholomäi) ist mit der Rache für seinen im Gefängnis gestorbenen Vater nicht fertig. Er will Kommissar Faber (Jörg Hartmann) zum Selbstmord zwingen.

© WDR/Thomas Kost

Monster im „Tatort“: Der Moriarty von Dortmund

Kommissar Faber trifft im „Tatort: Monster“ auf seinen ärgsten Gegenspieler. Der konfrontiert den Polizisten mit menschlichen Abgründen.

Markus Graf ist zurück im „Tatort“ aus Dortmund. Aus Rache für seinen im Gefängnis gestorbenen Vater hatte er vor einigen Jahren die Frau und Tochter von Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) umgebracht und auch danach nichts unversucht gelassen, den Polizisten in den Wahnsinn zu treiben. Nun ist Graf aus dem Knast ausgebrochen – und kennt erneut nur ein Ziel.

An einem zunächst ganz gewöhnlichen Samstag, an dem auch „Tatort“-Kommissare einfach nur ihre Freizeit genießen, wird die Polizei zu einem unauffälligen Einfamilienhaus gerufen. Dort sitzt eine blutüberströmte junge Frau (Luisa-Céline Gaffron) neben einem Toten. Über das Geschehene will sie nur mit Kommissar Faber reden [„Tatort: Monster“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15].

Als der mit seinen Kollegen Martina Bönisch (Anna Schudt), Nora Dalay (Aylin Tezel) und Jan Pawlak (Rick Okon) eintrifft, überschlagen sich die Ereignisse: Bei Pawlak wurde eingebrochen, seine Frau liegt bewusstlos auf dem Boden, von Tochter Mia fehlt jede Spur. Bis sie dann von einem Pädophilenring im Internet angeboten wird. Die Auktionsuhr tickt.

Die Uhr tickt, das sorgt für Tempo

Das Drehbuch zur neuen, temporeichen Folge „Monster“ (Regie: Torsten C. Fischer) stammt von Jürgen Werner, der maßgeblich an der Entwicklung des Dortmunder „Tatorts“ beteiligt war. Zu zehn der 16 Fälle hat er die Bücher geschrieben. Das Monster ist für Werner nicht allein der selbsternannte Rächer Markus Graf. Die Monster sind die ganz normalen Menschen von nebenan, die liebevollen Familienväter, engagierten Ärzte, mutigen Anwälte. Es sind Menschen, die morgens freundlich grüßen und abends Dinge tun, von denen wir nichts wissen wollen, die wir verdrängen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wie Jürgen Werner sagt: „Aber wir müssen uns dazu zwingen hinzusehen, sonst wird es immer mehr dieser ,Monster‘ geben“.

Die Rolle mit der größten Zerrissenheit hat Luisa-Céline Gaffron zu spielen. Evelyn Kohnai ist Täterin und Opfer zugleich, ebenso wie der Ermordete nicht nur ein Opfer ist, sondern ein Täter der übelsten Sorte. Der Zuschauer erkennt, dass er sich den Schrecken, den Evelyn seit Kindertagen durchgemacht hat, nie auch nur annähernd wird vorstellen können. Luisa-Céline Gaffron weiß dies in ihrem Spiel beeindruckend umzusetzen. Aber auch von Jörg Hartmann wird viel verlangt. Denn Peter Faber darf sich nicht auf Grafs Spiel einlassen. Je wahnsinniger der Täter, desto kühler muss der Kommissar agieren – und umgekehrt.

Über die Figur des Markus Graf äußert sich Jörg Hartmann äußert verhalten. Er halte ihn „für keinen realistisch konzipierten Charakter“, sagte er der Programmzeitschrift „TV Spielfilm“. Ähnlich wie Professor Moriarty, der Gegenspieler von Sherlock Holmes, trage er Züge einer Kunstfigur.

Die Parallele zu einer Szene in der britischen TV-Serie „Sherlock“ mit Benedict Cumberbatch in der Titelrolle ist eindeutig. Faber und Graf stehen sich auf dem Dach des Hansa-Hauses in der Innenstadt von Dortmund gegenüber. Während der Kommissar Graf mit der Waffe in der Hand dazu zwingen will, den entscheidenden Hinweis zu Mias (Eliza Heitz) Rettung zu geben, hält ihm Graf die Pistole im übertragenen Sinne vor die Brust. Mit seiner Drohung will er Faber dazu dazu zwingen, Selbstmord zu begehen – den „Sittich zu machen“, wie Faber es nennt. In annähernd der gleichen Situation standen Sherlock und Moriarty in der britischen Serie auf dem Dach des St. Bartholomews Krankenhaus, bloß dass Watson in der Vorlage beim grausigen Ausgang dieses Kräftemessens zusehen musste.

Tiefe menschliche Abgründe

Der Moriarty aus Dortmund ist eher eindimensional geraten. Sein Anspruch geht nicht so weit, das brillanteste Verbrechen zu ersinnen. Florian Bartholomäi darf darum auch nicht zu nah an dem von Andrew Scott dargestellten Superverbrecher aus der der „Sherlock“-Folge „Der Reichenbachfall“ agieren. Bei aller Boshaftigkeit hatte dieser schließlich auch sympathische Seiten.

Die Szene auf dem Hochhaus-Dach war übrigens nicht ganz ungefährlich. Es wehte ein so starker Wind, dass Jörg Hartmann von einen Stuntman gedoubelt wurde. Das Thema dieses „Tatort“ lässt den Zuschauer aber auch so schon in einen menschlich besonders tiefen Abgrund schauen.

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