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Die Deutsche Welle sieht sich neuen Vorwürfen sexueller Belästigung, Rassismus und Mobbing ausgesetzt.

© picture alliance / Marius Becker

Update

Mobbing, Rassismus, Machtmissbrauch: Schwere Vorwürfe gegen Deutsche Welle

In einem "Guardian"-Beitrag wird der deutsche Auslandssender als "Sumpf" bezeichnet. Senderspitze und Redaktionen wehren sich.

Bei der Deutschen Welle (DW) sind erneut Vorwürfe von Mobbing, Rassismus und Machtmissbrauch laut geworden. Nach einem Bericht der britischen Zeitung „The Guardian“ bezeichnete ein Mitarbeiter den Auslandssender vor diesem Hintergrund als "Sumpf".

"Die Probleme sind systemisch - sowohl auf journalistischer, politischer als auch auf menschlicher Ebene. Es gibt keine Möglichkeit, dieses System von innen zu reparieren.“ Die deutsche Regierung müsse Verantwortung übernehmen und untersuchen, was passiere.

Mitarbeiter beschreiben in dem Bericht mehrere Vorfälle. So soll ein Mitarbeiter der arabischen Abteilung einer schwangeren Mitarbeiterin vor den Augen der anderen Kollegen gedroht haben, ihr einen Finger zu brechen. Außerdem habe es im Fernseh-Newsroom in Berlin rassistische Bemerkungen über Schwarze, Juden und Pakistaner gegeben.

Ein schwarzer Mitarbeiter sei zudem mit verschiedenen rassistischen Klischees beleidigt worden. Mitarbeiter, die die Zustände nicht hinnehmen wollten, seien ignoriert oder zum Schweigen gebracht worden. Die Deutsche Welle hat zwei Standorte, einen in Bonn und einen in Berlin. Die Vorwürfe scheinen sich auf den Standort an der Berliner Voltastraße zu konzentrieren.

DW verteidigt sich

Die im "Guardian" erhobenen Vorwürfe sind nicht neu, die Deutsche Welle ist schon des Öfteren damit konfrontiert worden. Christoph Jumpelt, Sprecher der Deutschen Welle, sagte dem Tagesspiegel, die Vorfälle seien sämtlich "18, beziehungsweise bis zu 36 Monate alt".

Die DW habe die vorgebrachten Beschwerden seinerzeit untersucht und ist in der Bewertung jeweils zu klaren Ergebnissen gekommen. "Arbeitsrechtlich relevante Behauptungen wurden geprüft und wo erforderlich entsprechend geahndet. Es gab einen bekannt gewordenen Fall von sexueller Belästigung.

"Die betreffende Person arbeitet nicht mehr in der DW, weil das Arbeitsverhältnis beendet wurde." Weiter habe einen einen Fall von Mobbing gegeben, nach dessen Bekanntwerden die Geschäftsleitung aktiv geworden sei und das Beschäftigungsverhältnis mit der betreffenden Person beendet habe.

Zugleich habe die Geschäftsführung unabhängig von irgendwelchen Vorwürfen im Frühjahr 2018 eine Aufklärungskampagne gestartet. Intendant und Verwaltungsdirektorin hätten in rund 40 Gesprächsrunden mit allen Abteilungen und Bereichen der DW ihre Null-Toleranz-Haltung gegenüber (Macht-)Missbrauch und sexueller Belästigung deutlich gemacht und die Kolleginnen und Kollegen dazu aufgerufen, sich frei von Ängsten und Vorbehalten bei den dafür vorgesehenen internen oder externen Stellen zu melden, sollten sie von solchen Fällen betroffen sein.

Code of Conduct

Daraufhin, so sagte Sprecher Jumpelt, wurden der Geschäftsleitung einige wenige Fälle bekannt, die unverzüglich geprüft wurden. "Darüber hinaus gibt es ein funktionierendes Konfliktmanagement in der DW, das insbesondere für den Bereich der sexuellen Belästigungen durch die Benennung von internen und externen Beratungspersonen (auch anonym) und einen klaren Beschwerdeweg noch weiter ergänzt wurde.

Weiterhin hat der Intendant eine Richtlinie zum Umgang mit sexueller Belästigung in der DW erlassen, die auch die Zustimmung der Personalräte gefunden hat. Diese Richtlinie wird gerade in diesen Tagen noch einmal intern beworben und dabei breit veröffentlicht."

Der aus deutschen Steuermitteln finanzierte Auslandssender, der weltweit 1500 Mitarbeiter beschäftigt, hat jüngst einen intern wie extern geltenden Code of Conduct erlassen, der ebenfalls grundlegende Regeln des Miteinanders erneut und für alle Mitarbeiter, ob fest oder frei, verbindlich festhält.

Neben einer Vielzahl von Schulungsmaßnahmen für Führungskräfte wurde für die Standorte Berlin und Bonn für alle Mitarbeiter/innen ein " "Respekttag" initiiert, um bei der breiten Mitarbeiterschaft die Thematik im Bewusstsein zu halten und Missbrauch insgesamt präventiv zu verhindern. "Machtmissbrauch hatte und hat in der DW keinen Nährboden", sagte der Sprecher. Sobald der DW ein solcher Fall bekannt werde, werde sie umgehend tätig. "Kritik und berechtigte Beschwerden haben und werden in der DW nicht zu Nachteilen führen."

Prozess mit gefeuertem Mitarbeiter

Im Sommer 2019 berichtete „Die Zeit“ davon, dass das Arbeitsverhältnis mit einem arabischen Star-Reporter Yosri F. gelöst wurde, der sich dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs stellen musste. Laut „Guardian“ wurde den anderen Mitarbeitern gedroht, dass sie den Mund über den Vorwurf halten sollen, anderenfalls drohe ihnen der Rauswurf oder Kürzungen der Schichten.

Die DW-Geschäftsführung stufte die "vorgebrachten Vorwürfe als glaubwürdig" ein und trennte sich von dem Mitarbeiter, der sich dagegen vor Gericht wehrt.

Intendant Peter Limbourg sagte im Tagesspiegel-Interview zur #Metoo-Debatte im Sender: "Uns war und ist klar, dass dies nicht von heute auf morgen beendet sein wird". Zum "Guardian"-Artikel stellt die Deutsche Welle am Mittwoch in einer Pressemitteilung fest: "Die DW ist darüber verwundert, dass The Guardian hier einem Redakteur die Autorenschaft für diesen Artikel überlässt, der die DW nach kurzer Zeit als Freier Mitarbeiter im Unfrieden verlassen musste."

Offener Brief der Redaktion an den "Guardian"

Am späten Mittwochmittag wurde noch ein Offener Brief verschiedener DW-Redaktionen an den "Guardian" bekannt. Darin heißt es unter anderem: "Die Vorgänge, die sie in Ihrem Artikel beschreiben, sind inakzeptabel, und wir solidarisieren uns mit den Opfern. Ihre Vorwürfe sollten untersucht und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden, Fehler der Unternehmensführung sollten klar thematisiert werden. Aber das Arbeitsumfeld, welches sie in Ihrem Artikel beschreiben, hat keine Ähnlichkeit mit dem Newsroom, in dem wir heute arbeiten."

Die Belegschaft setze sich aus Kolleginnen und Kollegen unterschiedlichster Herkunft und verschiedener Nationalitäten zusammen. "Antisemitismus und Rassismus tolerieren wir nicht, weder in unserem Newsroom, noch anderswo: Auch in unserer Berichterstattung zeigen wir derartige Missstände auf und prangern sie an." Es handele sich allerdings um vereinzelte Vorfälle, die ganz konkret mit einzelnen Mitarbeitern in Verbindung gebracht werden können. "Dies als ,systematisch' zu beschreiben, ist nicht korrekt und unfair den hunderten Mitarbeitern gegenüber, die nichts damit zu tun haben. Es bringt eine anständige Organisation in Verruf, die täglich großartige Arbeit abliefert mit fairem und auf Fakten gestützten Journalismus." Die Story des "Guardian" sei fehlerhaft.

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