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"Literarisches Quartett": Marion Brasch, Gastgeberin Thea Dorn, Jakob Augstein (von li.)

© ZDF und Svea Pietschmann

Mit Thea Dorn als Gastgeberin: Das neue „Literarische Quartett“ ist wie das alte

Am Lesen bleiben: Dem neuen „Literarischen Quartett“ mit Thea Dorn ist noch mehr Mut zum Risiko, mehr Veränderung zu wünschen.

Am Ende wurde es richtig munter, als Thea Dorn auf das Thema zu sprechen kam, dass die Welt leider gerade mehr bewegt als neue Bücher: das Coronavirus. Und was man „in diesen eigenwilligen Zeiten der Angst eigentlich lesen kann, um sein literarisches Immunsystem zu stärken“, wie Dorn es hübsch, aber auch irgendwie schief formulierte.

Sie empfahl Camus’ „Die Pest“ als „Antihysterikum“, was Jakob Augstein sofort Edgar Allan Poes Erzählung „Die Maske des Roten Todes“ erwähnen ließ.

Auch Vea Kaiser hatte zu dem Thema was in petto: „Man kann die ,Illias’ lesen, Homer, die beginnt mit der Pest“. Überhaupt habe man damit „lange etwas zu lesen in Quarantäne. Und hilft gegen alles“.

Wäre noch mehr Zeit gewesen, hätte auch die vierte im neuen "Literarischen-Quartett"-Bunde, Marion Brasch, sicher noch einen Seuchenliteraturtitel genannt.

Business as usual

Es war ein schönes, zwangloses Durcheinander auf einmal, vielleicht so, wie es sich Thea Dorn vorgestellt hat [„Das Literarische Quartett“, Freitag, ZDF, 23 Uhr, berreits in der ZDF-Mediathek]. In Interviews hatte sie davon gesprochen, ihr schwebe als neue Quartett-Moderatorin und damit Nachfolgerin von Volker Weidermann und Marcel Reich-Ranicki mehr ein „Salon“ vor, „um in unruhigen Zeiten literarisch-gesellschaftliche Gespräche“ zu führen, so Dorn im Tagesspiegel.

Hätte die Sendung eine halbe Stunde länger gedauert, wäre so etwas womöglich wirklich zustande gekommen. So war die Premiere des Thea-Dorn-Quartetts vor allem: business as usual.

Hier die Moderatorin und ihre drei in Zukunft wechselnden Gäste, nicht wie ehedem eine feste Dreier-Runde und ein Gast, immerhin, und dort vier Neuerscheinungen, die diskutiert werden.
Aus dem Korsett der vorgegebenen Dramaturgie kamen Dorn, der „Freitag“-Verleger und Autor Jakob Augstein, die österreichische Schriftstellerin Vea Kaiser sowie Radiomoderatorin und Schriftstellerin Marion Brasch nicht heraus. Das wollten und sollten sie wohl auch nicht.

Brav gingen sie Buch für Buch durch: Moritz von Uslars „Deutschboden“-Fortsetzung über seinen zweiten Besuch im ostdeutschen Zehdenick nach acht Jahren, Ingo Schulzes Roman „Die rechtschaffenen Mörder“, Colm Toíbíns Roman „Haus der Namen“ und Vicki Baums Romanklassiker „Vor Rehen wird gewarnt“.

„Ich mag keine Bücher, die ich nicht verstehe“

Ähnlich brav gaben sie sich Mühe, zumindest ein bisschen konträr zu sein und nicht alles „toll erzählt“ zu finden oder wieder einmal „in einen Erzählsog“ geraten zu sein. Besonders Jakob Augstein schlug hie und da mal eine Kerbe.

„Ich mag keine Bücher, die ich nicht verstehe“ (über Schulzes Roman) oder „das ist mir zu relativistisch“, sagte er, als Kaiser die von Schulze gezielt vorgenommene Verunsicherung hervorhob. Und Dorn wollte den „krassen“ Männlichkeitsgestus bei von Uslar dann doch einmal problematisieren oder bezeichnete Baums aus den fünfziger Jahren stammenden Roman „als Gegenschuss zu MeToo–Debatten“.

Ja, ein bisschen mehr als Literatur sollte es schon sein, ein Blick in Politik und Gesellschaft. Gerade mit von Uslars und Schulzes Büchern hatte man genau dafür ja auch zwei ausgewählt, Bücher, die Einblicke in wahlweise ostdeutsche oder rechtsnationale Seelen verschaffen.

Das nächste Spiel ist immer das Schwerste

Doch, es war ein ganz manierliches Gespräch, das die vier über die jeweiligen Bücher führten. Und ja, Dorn ist eine souveräne Gastgeberin, der allerdings ein bisschen Glam fehlt.

Aber ob dieses Format auf diese Weise noch einmal eine neue Blüte erlebt? Das Zusammenspiel von Fernsehen und Literatur ist nie eins der glücklichsten, gelungensten gewesen, und inzwischen hat die Literatur in anderen, neuen Medien (Podcasts, Blogs, Instagram, Youtube) besser funktionierende Resonanzräume gefunden.

Verlieren konnte das ZDF eigentlich nichts. Mehr Mut zum Risiko, mehr Veränderung als bloß die von Sendung zu Sendung wechselnden Gäste und der Verzicht auf eine brutal professionelle Literaturkritik würde man sich von dem Kulturressort des Senders schon wünschen. Kreativität geht anders.

Aber gut: Hauptsache die Zuschauer und Zuschauerinnen „bleiben am Lesen“, wie Thea Dorn am Ende sagte. Oder, im Fußballsprech: Das nächste Spiel ist immer das schwerste. Am 1. Mai also mit Sahra Wagenknecht, Marko Martin und Feridun Zaimoglu als Dorn-Gäste. Vielleicht fabuliert diese Runde dann salonmäßig einfach mal drauf los .

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