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Mit Ballons und Drohnen: Konkurrenzkampf von Google und Facebook ist im Himmel angekommen

Google will abgelegene Regionen mit einem Internetzugang aus der Luft versorgen. Facebook schickt Drohnen hinterher. Was steckt dahinter?

Am 02. Juli 1900 um kurz nach 20 Uhr stieg eine 130 Meter lange „Riesenzigarre“ über dem Bodensee auf. LZ-1 hieß der aus Aluminiumstreben und Baumwolltuch bestehende Ballon, der von Ferdinand Graf von Zeppelin in die Luft geschickt wurde. Der Erfinder sagte einige Jahre später, dass „das deutsche Volk annehmen kann, dass es sich einen gangbaren Weg zur wahrhaftigen Eroberung des Luftmeeres aufgetan hat“. Der Traum vom Fliegen, Graf von Zeppelin sah ihn in seiner Erfindung erfüllt.

Über hundert Jahre später schickt Google ebenfalls Ballons in die Luft. Auch das soll zukunftweisend sein. Nicht mehr über dem Bodensee, dafür testweise in Australien, Neuseeland und Afrika. Der Traum in diesem Fall: auch in entlegenen Regionen Internet anzubieten. 2011 hatte der UN-Sonderbeauftragte für Meinungs- und Pressefreiheit, Frank La Rue, verkündet, dass das Internet eine Schlüsselstellung in der Wahrnehmung der freien Meinungsäußerung einnehme. Gleichzeitig habe aber nur ein Drittel der Weltbevölkerung Zugang zu schnellem Internet. Internet mithilfe von Ballons in entlegene Regionen zu bringen, passt zu Googles formuliertem Ziel, Ideen zu entwickeln, „um die wirklich großen Probleme der Welt zu lösen“.

Loon bringt zwei Technologien zusammen

Dafür hat der Internetriese eine eigene Abteilung gegründet. „Google X“ ist direkt Sergey Brin, einem der Mitbegründer, unterstellt und hat neben selbst fahrenden Autos und der Datenbrille Google Glass nun also ein Ballon-Projekt gestartet. Sie nennen es „Loon“, was zum einen an das englische Wort für Ballon angelehnt, zum anderen aber auch die englische Bezeichnung für den Seetaucher ist. Die Zielsetzung erklärt Google mithilfe eines mit einer Kinderstimme unterlegten Videos auf seiner Internetseite: allen Menschen auf der Welt mithilfe von Ballons Internetzugang bereitzustellen, auf dass sich Bildung, Gesundheit und Wirtschaft verbessern.

Loon bringt zwei Technologien zusammen, die es bereits auf dem Markt gibt: die von Graf Zeppelin erfundene Ballontechnik und die Technologie hinter mobilen Ad-Hoc-Netzen, auch Mech-Netze genannt. Ein Funknetz, das mehrere Endgeräte zu einem vermaschten Netz miteinander verbindet und heute schon an Stellen Internet bereitstellt, die schwer zu erreichen sind – etwa auf Bohrinseln. Die Ballons sind untereinander vernetzt und geben ein Signal ab, das auf der Erde mithilfe eines Empfängers aufgenommen werden kann.

So könnte man zwar selbst entlegene Regionen, die kaum besiedelt sind, mit Fiberglaskabeln an das Internet anbinden, allerdings ist das sehr teuer. Die Idee von Google, ihre Ballons zuerst über Neuseeland zu testen, ergibt Sinn. Dort leben zwanzig Mal so viele Schafe wie Menschen.

Am Ende wurde eine Menge Geld verbrannt

Das, was Google heute als bahnbrechende Neuerung verkauft, wurde so oder so ähnlich einige Male probiert. In den 1990ern wurden fünf Großprojekte gestartet, die das Gleiche im Sinn hatten. Darunter auch Teledesic, eine Firma, die mithilfe von speziellen Satelliten Internet-Dienstleistungen auf die Erde bringen wollte. Der saudi-arabische Prinz al Walid ibn Talal Al Saud investierte, auch Bill Gates stieg ein. Am Ende wurde eine Menge Geld verbrannt, das Projekt 2002 eingestellt. Kurz nach dem Bekanntwerden von Googles Loon-Projekt positionierte sich Gates als Kritiker. Er bezweifele, dass Loon die wirklich wichtigen Probleme des afrikanischen Kontinents lösen könne. „Wenn man gerade an Malaria stirbt, dann schätze ich, dass man aufschaut und den Ballon sieht, aber ich bin mir nicht sicher, wie das helfen soll.“

Bill Gates ist nicht der einzige Kritiker des Google-Projekts. Zwar stimmt es, dass zwei Drittel der Weltbevölkerung keinen Zugang zu schnellem Internet haben, allerdings sind 80 Prozent über mobiles Internet verbunden. Indonesien gehört zu den Ländern, die den Schritt des häuslichen DSL-Anschlusses übersprungen haben und mit bezahlbaren mobilen Alternativen online gehen. Ähnlich sieht es in einigen Ländern in Afrika aus. „In den meisten Gebieten Kenias haben wir ein funktionierendes 3G-Netzwerk“, sagte der frühere Technikberater der Weltbank, Phares Kariuki, gegenüber dem MIT-Magazin „Technology Review“. Statt Internet zu denen zu bringen, die keines haben, befürchtet Kariuki Konkurrenz für lokale Anbieter von mobilem Internet.

Dass Google allein aus altruistischen Motiven handelt, kann ausgeschlossen werden. Loon ist auch ein Schritt, neue Märkte zu erschließen. Googles Konkurrent ist Facebook. Das soziale Netzwerk setzt dabei nicht auf Ballons, sondern auf Drohnen. Das Ziel ist das gleiche: Internet zu denen zu bringen, die noch nicht online sind. Und damit – ganz nebenbei – potenzielle neue Nutzer für das eigene Geschäft zu bekommen.

Ein politisches Problem

Im März wollte Facebook das US-amerikanische Unternehmen Titan Aerospace kaufen, das unbemannte Drohnen herstellt, die mit Solarenergie laufen. Letztlich bekam Google den Zuschlag. Das Unternehmen will die Drohnen dem Vernehmen nach in erster Linie für den Ausbau seines Kartennetzes nutzen. Doch Facebook hat sich nicht abbringen lassen und kürzlich für 20 Millionen Dollar das in Großbritannien ansässige Unternehmen Ascenta gekauft, das solarbetriebene Drohnen herstellt.

Beide Varianten stehen vor einem fundamentalen Problem, selbst wenn die Technik irgendwann ausgereift sein sollte. Die Ballons fliegen in 20 Kilometer Höhe und gehören so zum Luftraum, der von den jeweiligen Landesregierungen als souverän betrachtet wird. Ein politisches Problem, das von Google und Facebook mit den jeweiligen Ländern geklärt werden muss, bevor die Internetheilsbringer in die Luft steigen können. Oder, wie es Iain McClatchie, ein Luft- und Raumfahrttechniker, der für Google schon bei Drohnen-Projekten mitgearbeitet hat, gegenüber dem Magazin „The Verve“ auf den Punkt brachte: „Alles, was in Chinas Luftraum fliegt, landet auf dem Boden.“

Google hat bisher den zeitlichen Vorsprung auf seiner Seite, doch Drohnen haben den Vorteil, weniger anfällig für Umwelteinflüsse zu sein. Ballons sind wesentlich schwieriger auf Position zu halten als Drohnen, zumal stratosphärischer Wind mit bis zu 160 km/h wütet. Erste Probleme gab es in der Testphase. Ein Ballon kollidierte in den USA mit einer Stromleitung und legte eine Kleinstadt lahm. In Neuseeland stürzte einer der Ballons ins Meer und wurde für ein Flugzeug gehalten.

Ob Drohne oder Ballon: Der Konkurrenzkampf von Google und Facebook ist im Himmel angekommen. Dem wollte Ferdinand Graf von Zeppelin auch immer ganz nah sein. Der Jungfernflug seiner „Riesenzigarre“ über dem Bodensee endete nach 18 Minuten, der Zeppelin musste notlanden. Einige Notlandungen später hatte der Graf einen neuen Spitznamen. Man nannte ihn „den Narr vom Bodensee“.

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