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Abschied nehmen am Sonntag, 18 Uhr 50.

© Tsp

MEINE Lindenstraße: Aus 1758 und einer Nacht

Nie war die „Lindenstraße“ so wertvoll. Und am Sonntag soll Schluss sein. Ein letzter persönlicher Brief an den ARD-Programmdirektor.

Am Sonntag, 18 Uhr 50, läuft im Ersten die 1758. und letzte Folge der "Lindenstraße". Hiermit schließen wir den Countdown der 1985 gestarteten Familienserien, mit zehn persönlichen Erinnerungen.

Am Sonntag ist Schluss. Wohl endgültig. Darum, hallo Herr Herres, falls Sie das hier lesen und falls es Sie noch interessiert: Ich halte die Entscheidung der ARD, die „Lindenstraße“ einzustellen, für einen der größten Fehler, den der Sender jemals begangen hat. Für diese Sicht braucht man sich gar nicht die Brille der drei Millionen Fans aufzusetzen, die der Serie Sonntag für Sonntag seit 35 Jahren die Treue halten und tapfer, bis zum Corona-Shutdown, für den Erhalt demonstriert haben.

Es hilft ein Blick in den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag. Das wird es nicht mehr im Fernsehprogramm geben: eine wöchentliche Familienserie, die auf unterhaltsame Weise ein getreues Bild der Verhältnisse der Republik gibt und heikle Themen wie Rechtsextremismus, Rassismus, islamistischen Terror oder Pädophilie rechtzeitig anschneidet. Tatsächliches Spiegelbild vieler Alltagsprobleme, Lagerfeuerfernsehen, das zumindest in Teilen des Landes einen Konsens herstellt (der dem Rest kaum wehtat).

Weiter, immer weiter

Klar, das war keine US-Quality-Serie à la „This Is Us“ oder Deutschland-Kino wie die „Heimat“-Chronik von Edgar Reitz. Konnte es gar nicht sein, bei den Mitteln. Und ja, die „Lindenstraße“ konnte über 1758 Folgen auch nerven, wie Hauptdarsteller Moritz A. Sachs aka Klaus Beimer im Tagesspiegel-Interview zugab.

Es war das, was es war: der Versuch, Alltagsgeschichten, Geschichten immer weiter zu erzählen, im besten Scheherazade-Sinne. Die Perserin ließ sich von ihrem Vater dem König zur Frau geben. In der Nacht beginnt sie, dem König eine Geschichte zu erzählen, deren Handlung am nächsten Morgen unterbrochen wird. Neugierig aufs Ende der Geschichte, lässt sie der König – der vorher jeden Tag eine neue Frau heiratete und am nächsten Morgen tötete – am Leben.

Weiter, immer weiter. Diesen Impetus, Herr Herres, könnte man gerade jetzt sehr gut gebrauchen.

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