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Märchenhafte Errettung eines todkranken Mädchens (Lena Klenke) durch die Teilnahme an einem Galopprennen.

© ARD Degeto

„Mein wildes Herz“ im Ersten: Wiehern wider Viren

Das Melodram „Mein wildes Herz – Alles auf Sieg“ mit Lena Klenke und Dieter Hallervorden spendet galoppierenden Trost für die Corona-Seele.

Auf dem Rücken der Pferde … Sie wissen schon, diese gereimte Glücksverheißung … liegt das Glück der Erde. Das des Fernsehens inklusive. Zumal, wenn der heldische Hengst Rock My Heart gleich von sechs verschiedenen Tieren gespielt wird, seine kämpferische Reiterin Jana (Lena Klenke) Tragik und Mut draufsattelt und Paul (Dieter Hallervorden) als unverzagbarer Pferdebesitzer eines maroden Reiterhofs den Honig im Topf lässt. Schnauben statt verstauben, so kommt die ARD-Unterhaltung mal richtig in die Hufe. Hossa!

Was gelungen ist, klingt einfach, war es aber nicht. Hallervorden erinnert sich mit gemischten Gefühlen an die Dreharbeiten für das 2016 entstandene Melodram von der märchenhaften Errettung eines todkranken Mädchens durch die Teilnahme an einem Galopprennen. Hallervorden hatte es schon lange vor 2016 gewusst: Pferde lesen keine Drehbücher. Jahrzehnte früher war der begnadete Komiker nämlich vom ungarischen Fernsehen für einen Auftritt zu Pferde engagiert worden. Statt wie vom Drehbuch gewünscht, galoppierte das Militärross mit Didi nicht durch ein Tor, sondern querab durch eine Obstplantage. Erst rissen Zweige dem Komiker die Perücke vom Kopf, dann ihn, den ganzen „Wühlmäuse“-Kabarettisten, vom Gaul.

[„Mein wildes Herz – Alles auf Sieg“, ARD, Samstag, 20 Uhr 15]
Puszta-Härte war am Set von „Wilden Herz“ für Hallervorden allerdings nicht mehr gefragt. Aber Pferde, zumal Galopper, sind sensible Gesellen. Sie können nerven und den Betrieb aufhalten. Sie fliehen von Natur aus alles, was Regisseure anordnen. Dem jetzigen Film aber haben solche Schwierigkeiten möglicherweise gut getan. Die Story (Regie: Hanno Olderdissen, Buch: Clemente Fernandez-Gil, Kamera: Sten Mende) wandelt auf dem schmalen Grat der Gefühligkeit. Die Beschwörung vager höherer Mächte aus Hippo-Tiefen braucht es nicht. Rock, der schweißige Vierbeiner und Drehbuchverweigerer, bleibt im Film ein nur begrenzt zähmbares Stück Natur und wird nicht zum Kuscheltier. Es behält seine Würde, seine Erhabenheit, sein Bedrohungspotential.

Fiktionstoleranz vonnöten

Das lässt die Figuren und ihre Schauspieler in dieser ja eigentlich hanebüchenen Geschichte überleben. Man kann sich eigentlich nur mit größter Fiktionstoleranz vorstellen, dass sich ein von einer Herzkrankheit zu Tode erschöpftes Mädchen, zermürbt durch vergebliche Operationen, von einem pleiten Pferdebesitzer überreden lässt, einen ungezogenen Gaul zu zähmen und als Jockey zum Sieg zu bringen. Und das gegen den Widerstand der Mutter (Annette Frier) und trotz des Verlusts eine geliebten Freundes (Emilio Sakraya).

Aber das Unternehmen gelingt, weil sich die Inszenierung nicht vom Pferdekult anstecken lässt, sondern eine schwere menschliche Reifeprüfung zeigt. Die Arbeit am eigentlich Unmöglichen und Aussichtslosen und das mit Liebenswürdigkeit und Nüchternheit. Passt doch zu heute, solches Wiehern wider Viren. Nikolaus von Festenberg

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