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Die Motive für den Angriff auf das Team der „heute-show“ am 1. Mai liegen weiter im Dunkeln. Fest steht jedoch, dass die Attacken auf Journalisten zunehmen.

© Christoph Soeder/dpa

Mehr Angriffe auf Journalisten: „Die schießen sich auf uns ein“

Anfeindungen und Angriffe vor allem aus dem rechtsextremen Spektrum auf Journalisten nehmen zu. Hate Speech tritt immer organisierter auf, ergibt eine Studie.

Journalisten werden immer häufiger angefeindet und werden auch verstärkt Opfer körperlicher Gewalt, wie gerade erst ein Team der ZDF-Satiresendung „heute- show“ am 1. Mai in Berlin. Das ergab die Studie „Hass und Angriffe auf Medienschaffende“ des Bielefelder Konfliktforschers Andreas Zick.

Rund 60 Prozent der Journalisten, die an einer Online-Befragung teilgenommen hatten, berichten von Angriffen innerhalb der vergangenen zwölf Monate. 41 Prozent wurden mehrfach attackiert, ein Fünftel mehr als bei der Vorläuferstudie von 2016. Jeder sechste war in seiner beruflichen Laufbahn zudem Opfer körperlicher Gewalt, beinahe eben so viele haben Morddrohungen erhalten.

Die Bandbreite reicht von Rempeleien und Schlägen über Nötigung, Sachbeschädigung bis hin zu gefährlicher Körperverletzung und schriftlichen Morddrohungen. „Die schießen sich auf uns ein“, so wird die Situation empfunden.

„Wir haben durch die Studie Hinweise erhalten, dass sich Hate Speech gegen Journalismus in den den vergangenen Jahren radikalisiert hat“, erläutert Zick die Ergebnisse der Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung in Zusammenarbeit mit dem Mediendienst Medienschaffende. Die Kritik an Journalisten wird dabei zunehmend undifferenzierter, Fakten würden pauschal angezweifelt.

Befragt wurden von Oktober bis Dezember 2019 insgesamt 322 Journalistinnen und Journalisten. Damit ist die Studie zwar nicht repräsentativ, aber nach nach Einschätzung von Zick dennoch aussagekräftig, da die Befragten über die Journalistenorganisationen dju und DJV gewonnen wurden.

Freiheit und Unabhängigkeit von Journalismus berührt

Beinahe zwei Drittel von ihnen gaben an, dass durch die Zunahme von Hate Speech und Gewalt die Freiheit und Unabhängigkeit des Journalismus berührt wird. „Man macht sich mehr Gedanken, ist nicht mehr frei und ungehemmt in der Berichterstattung, überlegt noch einmal mehr aus Angst vor Repressalien“, sagte ein Befrager.

Viele Journalisten hätten entsprechend Verständnis, wenn Kollegen bestimmte Themen nicht mehr behandeln wollten. Das geht so weit, dass bestimmte Themen nicht mehr am Freitagnachmittag zu veröffentlichen, weil am Wochenende viele Social-Media-Redaktionen nicht mehr besetzt seien, die sonst durch die Moderation von Kommentaren Shitstorms entgegen wirkten.

„Das Feindbild hat sich sicherlich verschärft“, bewertet Zick die Ergebnisse. Dabei geht es den Angreifern offenbar häufig nicht um die Inhalte, vielmehr fühlt sich jeder zweite Journalist wegen seiner unterstellten politisch-ideologischen Orientierung angegriffen. Mit der Folge, dass 63 Prozent der Befragten von psychischen Belastungen berichten, 2016 waren es 46 Prozent.

Durch die Netzwerkanalyse habe sich zudem gezeigt, dass die Hassrede bestens organisiert sei. Eine Erfahrung, die auch Gilda Sahebi macht, die seit 2018 Workshops für betroffene Journalisten gibt. „Rechter Hass ist extrem organisiert. Es handelt sich quasi militärische Riesennetzwerke.“ In der Studie gaben 81,4 Prozent der Angegriffenen an, dass sie die Angreifer dem rechtsextremen Spektrum – AfD, Pegida, Identitäre Bewegung und andere – zuordnen konnten.

Eine Häufung von älteren weißen Männern

Eine Beobachtung, die auch Christoph Hebbecker von der Cybercrime-Einheit der Staatsanwaltschaft Köln bestätigt. Der Wohnort spiele hingegen offenbar keine große Rolle, aber es gebe eine Häufung von Angriffen durch ältere weiße Männer, so Hebbecker.

Das Löschen von Hass-Beiträgen in den sozialen Netzwerken allein sei keine Lösung, vielmehr müssten die Verfasser zur Verantwortung gezogen werden, sagt der Cybercrime-Experte, der damit zugleich das Netzwerkdurchsetzungsgesetz kritisiert. „ Wir müssen effektiver werden, wenn es um Strafverfolgung geht.“

Immerhin reagieren die Medienhäuser inzwischen sensibler auf Hate Speech – auch wenn weiterhin Nachholbedarf herrscht. Das gilt ebenso für den Schutz durch die Sicherheitsbehörden. Jeder zweite Befragte sieht sich nicht ausreichend geschützt.

Geahndet werden die Angriffe selten: Nur etwa jeder vierte Fall, der polizeilich ermittelt wurde, hat zu einer Verurteilung geführt. Von der Politik fordern die Befragten klarere gesetzliche Regelungen. Und mehr öffentliche Solidarität.

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