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Thomas Gottschalk in "Wetten, dass...?"

© imago images/Future Image

Medien-Tops & Flops 2021: Zwischen SMS und großer Showbühne

Lauterbach, Döpfner, Gottschalk, Townhalls & Triells, „ZDF Magazin Royale“: Was aus diesem Medien-Jahr in Erinnerung bleibt.

Es war nicht alles schlecht, im zweiten Corona-Jahr, in 2021, auch nicht in den Medien. Welche Personen, welche Formate, welche Themen bleiben haften aus Fernsehen, Streaming, Print oder Rundfunkpolitik? Eine Auswahl der Redaktion.

TOPS

Der Mann für alle Talkshows. Auch wenn es obszön klingt, die Pandemie kennt einen Gewinner: Karl Lauterbach. Ein Covid-19-Talk war ohne den Gesundheitsexperten möglich, zugleich war er deutlich sinnloser ohne KL. Der SPD-Politiker kann Ergebnisse und Erkenntnisse bestens vermitteln, in diesen unsicheren Zeiten hat er seinen Glaubwürdigkeitsbonus von Sendung zu Sendung gesteigert. Lauterbach hat die Talkshows geboostert. „Anne Will“ und „Maybrit Illner“ waren so erfolgreich wie nie , umgekehrt hat das TV-Format Bundeskanzler Olaf Scholz aufgezeigt, wer in seinem Kabinett das Gesundheitsministerium vertreten sollte. Erste Haupt- und Nebenwirkung: Seitdem Karl Lauterbach in diesem Amt wirkt, gehen die Infektionszahlen runter. 2022 will das „Sitzfleisch“ nun seine Talkauftritte runterfahren. Eine echte Herausforderung – für ihn, die Talkshows und das große Publikum.

Info-Offensive der Privaten. Früher hieß es, die Öffentlich-Rechtlichen würden sich den kommerziellen Sendern anverwandeln. 2021 zeigte das Gegenteil: RTL & Co näherten sich ARD und ZDF an – was die Information angeht. Dank Großeinkaufs bei der Konkurrenz konnte „RTL direkt“ mit Jan Hofer und Pinar Atalay starten, ProSieben bleibt überzeugt, dass „Zervakis & Opdenhövel. Live“ noch ein Erfolg wird, alldieweil Thilo Mischke dort eine investigative Reportage nach der anderen abliefert. Und „Joko & Klaas. 15 Minuten live“ geht mit der Direktheit seiner Protagonisten mittenmang in die Zuschauerinnen und Zuschauer hinein, die aus ihren Herzen noch keine Mördergrube gemacht haben.

Mehr Kurzweil im Streaming. Zu den Gewinnern des Jahres gehören die Streaming-Fans. Lange Zeit schien es sowohl bei Netflix & Co. als auch bei den Öffentlich-Rechtlichen keinerlei Längenbeschränkungen für neue Serien zu geben. Ob der Inhalt weiter trägt oder nicht, spielte kaum eine Rolle. Hauptsache, man konnte die Zuschauer möglichst lange auf der eigenen Plattform halten. Doch die Zeit der Nutzer ist beschränkt, die Aufmerksamkeitsspanne der Abonnenten endlich.

Der Ausweg heißt Mini- Serie – und es gibt sie immer öfter. Statt den Stoff endlos und vielleicht noch über mehrere Staffeln auszuwalzen, werden die Geschichten in sechs oder acht Episoden in straffer Form erzählt. Serien wie „8 Zeugen“ und „Ferdinand von Schirach – Glauben“ auf RTL+ oder „Westwall“ und die serielle Neuverfilmung von „In 80 Tagen um die Welt“ in der ZDF-Mediathek sind aktuelle Beispiele dafür. Das erinnert auf den ersten Blick an die klassischen Fernsehmehrteiler, allerdings mit dem Unterschied, dass sie den Nutzern häufig zum Binge-Watching angeboten werden. So macht Streaming Spaß.

Julian Reichelt
Julian Reichelt

© dpa

And the winner is…Das ist bei den Fernsehsendern eindeutig. Das ZDF liegt mit einem Marktanteil von 14,8 Prozent zum zehnten Mal in Folge (!) an der Spitze aller TV-Sender in Deutschland, nach 13,6 Prozent im Vorjahr. Die Mainzer machen offenbar vieles richtig. Holen sich Jan Böhmermanns investigativ aufgeladenes „ZDF Magazin Royale“ ins Hauptprogramm, verjüngen damit die Zielgruppe und schenken der Generation Ü60 mit dem „Wetten, dass...?“-Comeback doch noch bestes Lagerfeuerfernsehen in Zeiten allgemeiner Separation und Ausdifferenzierung.

Auch den Abschied von „Mister heute-journal“ Claus Kleber Ende des Jahres wird das erfolgreichste Nachrichtenmagazin-Format 2022 überstehen. Da muss sich ZDF-Chefredakteur Peter Frey nur die eine Frage beantworten: Warum eigentlich nicht mehr „Wetten, dass…?“? Thomas Gottschalk hat Zeit.

FLOPS

Döpfner und Reichelt. Rügen sind für den Axel Springer Verlag nichts Neues. „Bild“ führt die Negativ-Statistik des Presserats mit Abstand an. Der Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger BDZV verteilt keine Rügen, doch die Missbilligung des Verbandspräsidiums über eine Bemerkung seines Präsidenten Mathias Döpfner kommt dem sehr nah. Dieser meinte, dass es im Prinzip nur der geschasste „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt gewagt hat, die Corona-Maßnahmen der Regierung zu hinterfragen, während der Rest der Branche so obrigkeitshörig agierte wie einst die DDR-Medien.

Von Döpfners Aufgaben im Verband wollten ihn die Verleger und Publisher im November nicht entbinden, nachdem er sich einmal mehr von seinen Ausführungen distanzierte und entschuldigte. Doch der Satz „Die Formulierungen in der privaten Textnachricht sind selbstverständlich inakzeptabel“ ist eindeutig. Beinahe könnte man den eigentlichen Stein des Anstoßes vergessen: Dass es Döpfner versäumte, Reichelt, dem Machtmissbrauch und das Ausnutzen von Abhängigkeiten vorgeworfen wurde, bereits im Frühjahr vor die Tür zu setzen, statt ihn nur zu ermahnen.

Die Öffis und das liebe Geld. Die öffentlich-rechtlichen Sender mögen sich durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Mitte des Jahres bestätigt fühlen. Karlsruhe sah durch die Blockade von Sachsen-Anhalt die Rundfunkfreiheit verletzt, in der Folge konnte der Rundfunkbeitrag doch um 86 Cent auf 18,36 Euro steigen – wenn auch erst im August statt im Januar. Viel gravierender sind die anderen Signale des Urteils. Das Gericht macht den Gesetzgeber dafür verantwortlich, dass die Sender die benötigten Finanzmittel erhalten.

Wird dieser Finanzierungsanspruch nicht erfüllt, sei dies eine Verletzung der Rundfunkfreiheit. Wofür braucht es noch die demokratische Ratifizierung durch die Landesparlamente, wenn ein Nein nicht vorgesehen ist? Das Verfassungsgericht sagt: Alle oder keiner. Sollte ein Land wie Sachsen- Anhalt gegen die Erhöhung sein, müsse es alle anderen Länder davon überzeugen. Was für ein Signal in einer Zeit, in der es für ARD und ZDF immer schwieriger wird, ihre Existenz ebenso wie die Gebührenmilliarden zu rechtfertigen.

Die RTL-Moderatoren Peter Kloeppel und Pinar Atalay (links oben) brachten mehr Politikjournalismus ins Privatfernsehen.
Die RTL-Moderatoren Peter Kloeppel und Pinar Atalay (links oben) brachten mehr Politikjournalismus ins Privatfernsehen.

© dpa

Wieso noch Townhall? „Triell“ nannte sich das frühere „Kanzlerduell“ zur Bundestagswahl. Einmal, weil mit Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz eine Kandidatin und zwei Kandidaten am Start waren, zudem drei Runden veranstaltet wurden: RTL (Pinar Atalay/Peter Kloeppel), ProSieben/Sat 1 (Claudia v. Brauchitsch/Linda Zervakis), ARD/ZDF (Oliver Köhr/Maybrit Illner). Große Überraschung: Die Ausgaben der Privaten haben die öffentlich-rechtliche Version glatt geschlagen. Überzeugendes Fragenkorsett, Nachfragen wo nötig, Duos im Miteinander.

Oliver Köhr wollte nachweisen, was er für eine brillante Besetzung als neuer Chefredakteur ist, Maybrit Illner als Queen of Triell rauskommen. Die Politik hatte so im Triell leichtes Spiel. Köhr/Illner haben es vergeigt. Und wenn die Öffentlich-Rechtlichen schon über das nächste Kanzlerwahl-TV nachdenken, dann bitte über alle anderen Formate gleich mit. Townhall & Co sind in die Jahre gekommen.

Springers Fernsehen. 2022 ist das Fernsehangebot in Deutschland um Bild.TV gewachsen, also die Übersetzung von Deutschlands auflagenstärkster Boulevardzeitung und Deutschlands reichweitenstärkster Online-Plattform ins audiovisuelle Medium. Laut bis zur Schreihalsigkeit, ein Sammelbecken der roten Köpfe, das Austragsstüberl überkommener Politiker und Publizisten – Bild.TV versammelt in seiner Ressentiment-Seligkeit alle Vorwürfe gegenüber „Bild“. Faktisch, aber ungewollt unterstreicht das Springer-Fernsehen Bedeutung und Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und ist die Antithese zum anderen, zum anschaubaren Programm aus dem Medien-Konzern: Welt.TV.

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