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Technische Blickwinkel. Jakob Vicari beschäftigt sich mit twitternden Bienen.

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MEDIA Lab: Kühe, Bienen und Sensoren

Journalismus braucht Innovation. Es gibt in Deutschland großartige Pioniere. Sie agieren meist außerhalb der Medienhäuser. Eine Studie zeigt, wofür das gut ist.

Jedenfalls, wenn der Draht nicht verloren geht. Wiebke Loosen (Hans Bredow-Institut Hamburg) und Andreas Hepp (Universität Bremen) untersuchen in einem umfangreichen Forschungsprojekt, wie sich Medieninnovation im Journalismus implementieren lässt. Ihr Konzept eines Pionierjournalismus wurde in der Fachzeitschrift „Journalism“ unter einem spannenden Fokus veröffentlicht. Hepp und Loosen haben mit fünf erfolgreichen Medienpionieren gesprochen, um herauszufinden, was nötig ist, um wirklich erfinderisch zu sein.

Alle fünf arbeiten mit Datenpaketen, wenig überraschend in einer digital geprägten Gesellschaft. Ein Beispiel: Jakob Vicari. Er macht aktuelle journalistische Geschichten, aber aus einem technischen Blickwinkel, nämlich mit Sensoren, durch die er neue Zugänge und Blickwinkel eröffnet.

Schon „klassisch“ sind seine Berichte aus dem Leben einer Milchkuh und sein twitterndes Bienenvolk. Vicari nennt das Sensorjournalismus und „Journalismus der Dinge“. Ideen kommen ihm bei jeder Gelegenheit. Weil er sich morgens von Nachrichtenmeldungen überrollt fühlte, hat er sich eine sprechende Kaffeetasse mit Kippsensor gebaut, die ihm pro Schluck nur noch eine News zumutet. Solche Einfälle bedürfen eines kreativen Raums.

Nur wer Wissen transferiere, könne etwas bewegen

Er und die anderen vier Befragten sind sich einig: In traditionellen Medienhäusern (in denen sie phasenweise gearbeitet haben) geht das meist nicht. Zwar gebe es eine, verglichen mit Startup-Umgebungen, bessere finanzielle Absicherung, aber das Entscheidende fehle: Eine Kultur, in der man Dinge ausprobieren kann. Und was dort als „innovativ“ oder „neu“ gilt, werde immer vor dem Hintergrund bereits etablierter Praktiken oder Medienprodukte definiert und nicht aus einer umfassenderen Perspektive.

Pionierjournalismus, so die Studie, erfordert, persönlich mobil zu sein, interdisziplinär zu denken, kooperativ und vernetzt zu arbeiten. Nur wer Wissen transferiere, könne etwas bewegen, einen „Push“ initiieren – sowie kooperativ und vernetzt. Die Zusammensetzung solcher Pionierteams folge nicht Traditionslinien, sondern ist individuell und unabhängig von nationalen oder kulturellen Einschränkungen.

Das Konzept passt dann, wenn der Kontakt bleibt: Wenn die „Pioneers“ ihre Ideen gemeinsam mit Medienhäusern in deren Umfeld übertragen dürfen, wenn sie dort sowie in Journalismusstudiengängen und -schulen als Ausbildende ihre Impulse weitergeben können. Und wenn eine systematische Medieninnovationspolitik für Pionierleistungen einen Rahmen sichert.

Marlis Prinzing

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