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Wie wäre es auch bei Olympia mit guter Laune, Béla Réthy?

© ZDF und Jana Kay

Marathon-Übertragung der Olympischen Spiele: Béla Réthy verliert, Leidenschaft gewinnt

Der ZDF-Senior verhaut die Eröffnungsfeier. Doch die Reporter und Kommentatoren machen großes Olympia-TV. Ein Kommentar.

Béla Réthy hätte es nicht übertreiben müssen, doch wie der Reporter die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Tokio für das ZDF runterrockte, das hatte was von ostentativer Lustlosigkeit. Vielleicht hatte es der 64-Jährige noch nicht verwunden, dass ihm beim Finale der Fußball-EM Oliver Schmidt vorgezogen worden war? Réthy jedenfalls wirkte bei dieser Marathon-Übertragung mehr ab- als anwesend und nur dank seiner Co-Kommentatorin Marei Mentlein, Japan-Korrespondentin des Senders, wurden seine fachlichen Schnitzer ausgebügelt.

So attestierte der ZDF-Senior der japanischen Tennisspielerin Naomi Osaka, die das Olympische Feuer im Nationalstadion entzündete, nur sehr wenig japanisch sprechen zu können, was Counterpart Mentlein sofort korrigierte: „Naomi Osaka spricht sehr gut japanisch.”

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Vielen werden die Fehler und Fahrigkeiten von Béla Réthy nicht aufgefallen sein, die ZDF-Übertragung der Eröffnung interessierte nur knapp zwei Millionen Menschen, bei Olympia in Peking 2008 waren es noch über sieben Millionen gewesen. Und die Quoten für die ersten Wettkampftage in Tokio blieben noch unter dem Wert für die Eröffnungsfeier.

Das ist doch bedauerlich, denn das Einschalten wird belohnt. Die übertragenden Sender ARD, ZDF und Eurosport sind sehr darauf bedacht, die Sommerspiele leuchten zu lassen. Der Event existiert nur, weil er übertragen wird. Die Austragungsstätten sind der Pandemie wegen menschenleer, das sonstige Zusammenspiel von Stadionzuschauer und Athleten im Stadion entfällt. Es sind die Bilder, die Sportler, die Kommentatoren und Reporter, die für Atmosphäre, für das Olympia-Feeling sorgen müssen.

Expertise aus den Sportredaktionen

Die Öffentlich-Rechtlichen setzen dieses Mal – und damit anders als bei der Fußball-EM – auf die Expertise ihrer Sportredaktionen. Ob Julius Hilfenhaus beim Fechten, Tibor Meingast beim Schießen (beide ZDF) oder Bodo Roeck (ARD) beim Bogenschießen – sie alle wie auch ihre Kolleginnen und Kollegen entschlüsseln für das Publikum die Feinheiten und Regeln, die Klein- und Großigkeiten eines Wettbewerbs. Selten wird, wie beim Beachvolleyball im Zweiten mit Jonas Reckermann ein externer Experte hinzuzugezogen.

Es ist eine Freude zu erleben, mit welchen Kenntnistiefe, mit welcher Leidenschaft die Fachjournalisten zugange sind. Sie entfachen diese Begeisterung, die es nur bei Olympia geben kann, sie illustrieren und illuminieren, welche Bedeutung die Teilnahme an den Spielen für die Athletinnen und Athleten hat. Fernsehbild und Reporterton sind die Essenzen für gelungenes Olympia-TV.

Gewiss, es sind Fernsehspiele, aber wer möchte darauf verzichten, dass beispielsweise bei einer Beachvolleyball-Partie 19 Kameras jede Bewegung von Ball und Spielerinnen/Spielern verfolgen? Jede strittige Szene wird qua Videobeweis geklärt. Gerechtigkeit ist garantiert, Fairness sichergestellt, der Zuschauer in seinem Richterstuhl nicht überfordert.

9000 Sendestunden Olympia

Rasch wechseln die Bilder von den Wettkämpfen, Katrin Müller-Hohenstein und Rudi Cerne, bei ARD Jessy Wellmer und Alexander Bommes arbeiten wie Conférenciers in ihrem Studio, wenn sie dem Publikum Ereignis auf Ereignis ankündigen. Olympia als Fernsehprogramm kennt keine Langeweile. Und wer will, der kann sich über die Livestreams jeden einzelnen der 339 Wettbewerben von Anfang bis Ende zu Gemüte führen.

Der Olympic Broadcasting Service produziert 9000 Sendestunden. Das Publikum dafür sitzt vor dem Fernseher. Olympia ist eine Leistungsschau der menschengemachten Television. Deswegen braucht es gar nicht die absurd teure Konzentration auf einen Austragungsort. Die Spiele könnten, dezentral organisiert, deutlich kostengünstiger veranstaltet werden – Logik und Logistik des Fernsehens werden immer ein einzigartiges Event daraus machen.

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