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Frauenmagazin mit Männernamen. Guido Maria Kretschmer hält die „Guido“ im Arm. Eigentlich wollte er die Zeitschrift „Liebe“ nennen.

© Gruner + Jahr

Magazin von Guido Maria Kretschmer: Ich bin Promi, ihr könnt Zeitschrift

Immer mehr Persönlichkeitsmagazine auf dem Markt: Der Modedesigner und "Shopping Queen"-Moderator Guido Maria Kretschmer macht jetzt die „Guido“.

Frauenhände mit wohlmanikürten Nägeln berühren das Gesicht des Modedesigners Guido Maria Kretschmer auf dem Cover seiner neuen Zeitschrift. „Ein Frauenmagazin, das die Frauen liebt“, will „Guido“ sein, der Claim lautet: „Eine von Euch“. Kretschmer nennt das Magazin im Editorial „die Guido“. Am 25. Oktober erscheint das Heft, schon vor dem Release verzeichnete Gruner + Jahr nach eigenen Angaben über 900 Aboanmeldungen. Die Druckauflage beträgt 250 000 Exemplare. Geplant sind zehn Ausgaben pro Jahr, Kostenpunkt: 3,80 Euro

Eine Frauenzeitschrift mit einem männlichen Titel ist gewiss ungewöhnlich. Dennoch springt die „Guido“ auf einen Trend auf: Viele Promis machen inzwischen eigene Magazine oder steigen in bestehende Titel ein. Darunter Barbara Schöneberger, Birgit Schrowange oder Johann Lafer. Noch im Herbst soll die Lifestyle-Zeitschrift „Boa“ des Profifußballers Jérôme Boateng erscheinen, bei Territory, der Content-Agentur von G+J. Am 24. Oktober kommt „Soul Sister“ von vier Lifestyle-Influencerinnen bei Motor Presse Hearst, im Januar 2019 dann eine Einrichtungszeitschrift mit Design-Influencerin Holly Becker bei der Deutschen Medien-Manufaktur.

Das Hamburger Medienhaus Gruner + Jahr ist Vorreiter des Trends der Persönlichkeitsmagazine, auch Testimonial-Hefte genannt. Zum Portfolio gehören neben „Barbara“ (verkaufte Auflage laut IVW 3/18 115 877 Stück) auch Eckart von Hirschhausens Gesundheitsmagazin „Stern gesund leben“ (verkaufte Auflage 76 731 Stück) und Joko Winterscheidts Reportagemagazin „JWD“ (verkaufte Auflage nach Verlagsangaben 70 000 Stück). „Guido“, entsteht wie „Barbara“ und die „Brigitte“-Gruppe unter der Regie von Chefredakteurin Brigitte Huber.

Sehnsucht nach Identifikation

„Wir glauben, dass der Erfolg der Persönlichkeitsmagazine auf der Sehnsucht der Menschen nach Identifikation gründet“, erklärt G+J-Sprecherin Sabine Grüngreiff. „Barbara und Co. geben viel von sich selbst in ihre Magazine und zeigen Haltung. Dieses Subjektive macht unsere Persönlichkeitsmagazine aus.“ Die Promis brächten ihre persönlichen Interessen ein, der Verlag wiederum sein Können in der Magazin-Produktion.

Die Erklärungen für den anhaltenden Promi-Trend sind vielfältig. „Die großen Verlage haben erkannt, dass nicht alles nur digital wird, sondern auch im Markt der Publikumspresse noch viele Möglichkeiten bestehen, Geld zu verdienen“, sagt Andreas Vogel, Leiter des Wissenschaftlichen Instituts für Presseforschung in Köln. Mit den Titeln spreche man Zielgruppen an, die sonst eher nicht zur Zeitschrift greifen würden. Nämlich die Fans und Follower, die Barbara Schöneberger im Fernsehen zuschauen, Guido Maria Kretschmers Mode bei Otto kaufen oder ihnen in sozialen Netzwerken folgen. Immerhin hat Jérôme Boateng allein bei Instagram knapp sechs Millionen Follower.

„Das Influencer-Marketing wird hier auf die Magazinwelt übertragen“, sagt Marketing-Professor Sascha Raithel von der Freien Universität Berlin. „Dafür wird eine bekannte Persönlichkeit eingesetzt, die in ihrer Domäne eine Expertise hat.“ Wenn zum Beispiel Johann Lafer ein Kochmagazin herausgebe, dann sei das super glaubwürdig und attraktiv. Anders als es bei einem gesichtslosen Kochmagazin der Fall wäre, meint Raithel. Vor dem Zeitschriftenregal spricht das Heft Lafer-Fans genauso wie Hobbyköche an. Zudem können auch die Werbeanzeigen im Heft mit dem Promi verknüpft werden, sagt Raithel: „Die Zeitschrift liefert den Promi mit, ohne dass die Werbekunden selbst in ihn investieren müssen. Umgekehrt haben die Prominenten oft Verträge mit bestimmten Unternehmen, was andere Werbekunden ausschließt.“ Wenn die Zeitschrift schließlich erfolgreich ist, profitiere auch der Prominente selbst: „Weil Leser ihm die Fähigkeit zusprechen, nicht nur ein guter Koch oder Entertainer zu sein, sondern auch eine gute Zeitschrift machen zu können.“

Zurück zur „Guido“: Das Heft soll eine Art „Nachschlagewerk" für die Leser sein, betont Kretschmer, eine Zeitschrift, die man später wieder aufschlagen könne, um sich inspirieren zu lassen. Als Designer sei man auf Print angewiesen, um seine Arbeit zu zeigen. Mehrere Verlage hatten bei ihm für ein Magazin angefragt, doch letztlich gab Kretschmer G+J den Zuschlag.

"Shopping Queen" läuft seit 2012

In der „Guido“ tritt Kretschmer als Mode- und Stilberater auf und setzt damit auch seine Rolle in der Sendung „Shopping Queen“ fort, die seit 2012 beim Privatsender Vox läuft. Vox ist wie G+J eine Tochter von Bertelsmann, eine crossmediale Vermarktung von Heft und Sendung ist also naheliegend. Ableitungen von der Show tauchen in der „Guido“ auf: In einer Rubrik vergibt Guido Maria Kretschmer Punkte für Outfits, auch die Leserinnen und Leser können abstimmen. Eine weitere Rubrik stellt Geschäfte aus der Show vor.

„Wir wollen den Leserinnen mit dem Magazin auch vermitteln, dass man nicht die eine Körperform oder Kleidergröße haben muss, um sich gut zu kleiden“, sagt der Designer. So gehe zum Beispiel das Schnittmuster im Heft über mehrere Konfektionsgrößen bis 52. Weitere Ressorts behandeln die Themen Liebe, Leben und Wohnen.

Gerade scheint der Promi-Trend noch einmal Fahrt aufgenommen zu haben. Doch ob er von Dauer ist, ist schwer abzusehen. Schließlich sind „Guido“, „Lafer“ und Co. unter anderem abhängig vom Erfolg ihrer Namensgeber. Presseforscher Vogel sieht keine langfristige Zukunft für die Magazine: „So alt wie die ,Freundin’, ,Petra’ oder ,Brigitte’ kann so ein Titel nie werden, wenn er sich an eine Person knüpft.“ Die 14-tägige „Freundin“ (verkaufte Auflage 262 845 Stück) feierte gerade ihr 70-Jähriges. Außerdem, so Vogel: „Wenn die Prominenten irgendwann feststellen, dass ihr Projekt gut läuft, dann könnten sie sich fragen, wozu sie die Verlage noch brauchen. Sie könnten sich theoretisch aus publizistischem Interesse heraus ihr eigenes Heft leisten.“

Dennoch klingt seine Prognose optimistisch. Wo Trends entstehen und Lebenswelten sich ändern, die Zeitschriften begleiten können, liege die Zukunft der Branche. „Die Bewegung ist das Wesen der Publikumspresse. Sie lebt von der Innovation. Und wenn es gelingt, über diese Persönlichkeitstitel die Leute an die Kioske zu bringen, dann ist das nicht verkehrt.“

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