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Großer Erfolg. Liberace bei einem seiner Auftritte in Las Vegas.

© Kinescope Film/Arte

Luxus und Lebenslügen: Arte-Themenabend über Liberace

Erst im Film, dann in der Dokumentation: Der US-Entertainer Liberace, der Dekadenz neu definierte.

Abend für Abend fuhr er mit einem verspiegelten Rolls Royce auf die Bühne. Hinter sich her zog er die meterlange Schleppe seines weißen Chinchilla-Mantels. Mit breitem Grinsen präsentierte er seine diamantene Knöpfe seines Mantels. An dieser Show änderte er über 27 Jahre hinweg nur unwesentliche Details. Denn mit dieser Mischung aus überbordendem Luxus und virtuosen Klaviernummern zwischen Pop und Klassik avancierte Wladziu Valentino, bekannt unter seinem Familiennamen Liberace, zum bestbezahlten Entertainer überhaupt.

30 Jahre nach seinem Tod blickt Jeremy Fekete zurück auf ein zwiespältiges Leben zwischen Pomp und Heimlichkeit. Der Schweizer Autor rekonstruiert die gebrochene Lebensgeschichte eines Schwulen, der sich selbst niemals outete. Gewiss, im Showgeschäft war seine Homosexualität ein offenes Geheimnis. In den biederen USA der 70er Jahre hätte ein Bekenntnis zur sexuellen Orientierung seiner Karriere in jedem Fall geschadet. Dank seiner streng katholischen Erziehung konnte er es auch privat nie ganz akzeptieren, dass er homosexuell war.

[„Look Me Over – Liberace“, Arte, Mittwoch, 22 Uhr 05]

Der Druck einer bigotten Öffentlichkeit lasteten schwer auf ihm. Umso heftiger lebte der exzentrische König der Showmaster seine Exzesse hinter den Kulissen aus. Mit seinem ausschweifenden Lebensstil, den er zu seinem Markenzeichen machte, kompensierte er seine Kindheit in Armut. Als junger Mann schuftete Liberace in Kneipen. Er verkörpert buchstäblich den Tellerwäscher, der es zum Multimillionär brachte.

Zeitlebens war Liberace besessen von Schönheitsoperationen. So überreichte er dem Chirurgen eines Tages eine Federzeichnung. Nach dieser Vorlage sollte er seinen Geliebten Scott Thorson bitteschön so herrichten, damit er ihm, Liberace, buchstäblich wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelte. Dummerweise hatte der fast 40 Jahre jüngere Lebenspartner ein massives Drogenproblem. Immer schwerer fiel es ihm, als Chauffeur den Glitzer-Rolls-Royce Abend für Abend auf die Bühne zu lenken. Als er mit dem Wagen ins Publikum raste, setzen die mächtigen Show-Manager Liberace ein knallhartes Ultimatum: Entweder er trennt sich von Scott Thorson. Oder seine Karriere ist beendet.

Schlammschlacht zwischen Liberace und Thorson

Im Gegensatz zu Steven Soderberghs Spielfilm nach Thorsons Biographie wirft Jeremy Fekete ein etwas anderes Licht auf das Novum jener Schlammschlacht zwischen dem Entertainer und seinem abservierten Liebhaber. Als Thorson vor Gericht zog, um von Liberace 100 Millionen Dollar zu fordern, schuf er einen Präzedenzfall. Erstmals war es keine Frau, die ihren Gatten verklagte – sondern ein Mann. In quälender Weise wurde so eine homosexuelle Liebesbeziehung ins gleißende Licht der Öffentlichkeit gezerrt. Der Film macht spürbar, wie traumatisch diese Affäre für den Entertainer war. Sein ganzes Kapital bestand in seiner einzigartigen Beziehung zum Publikum. Und deshalb hatte er panische Angst davon, dass nach dem versuchten Outing jemand aus dem Zuschauerraum ihn plötzlich als „Schwuchtel“ beschimpfen würde.

Als der Pianist 1987 einer HIV-Infektion erlag, hatte die Aids-Hysterie das Land voll im Würgegriff. Menschen fürchteten sich davor, etwas anzufassen, was Liberace gehörte. Abgesehen von Reenactment-Szenen, in denen ein einstiger Liebhaber im Protz-Wagen an Originalschauplätzen vorfährt, gelingt Jeremy Fekete ein sehenswertes Porträt. Manager, Anwälte, Freunde und Bekannte erzählen. Schillernde Anekdoten verdeutlichen, welche Verlogenheit im Umkreis des Paradiesvogels herrschte. Ein informativer und zugleich todtrauriger Film über eine der schillerndsten Figuren der Unterhaltungsbranche.

Manfred Riepe

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