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Alexander „Sascha“ Bukow (Charly Hübner) und Kollegin Katrin König (Anneke Kim Sarnau).

© NDR/Christine Schroeder

Letzter Polizeiruf mit Charly Hübner: Tschüss, Alexander Bukow!

Polizeiruf-Kommissar Alexander Bukow alias Charly Hübner geht. Damit löst sich eines der interessantesten Ermittlergespanne auf.

„Polizeiruf – Keiner von uns“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

Ach, Sascha. Zwölf Jahre haben wir Krimifans mit dir ermittelt, gelitten, geliebt, gewütet, auch ein bisschen betrogen. Nach Schimanski gab es keinen TV-Cop mehr, der besser „Scheiße!“ in der Primetime rufen und Abwechslung ins Krimi-Einerlei bringen konnte. Ist das zu viel Pathos? Nein. Mit Kriminalhauptkommissar Alexander „Sascha“ Bukow alias Charly Hübner, der am Sonntagabend seinen letzten Auftritt im Rostocker „Polizeiruf“ hat und seine Kollegin – und neuerdings Geliebte – Katrin König alleinelässt, löst sich eines der interessantesten Ermittlergespanne der vergangenen Fernsehdekaden auf.

Und wie es das tut!? Wenn wir das bloß wüssten. Der NDR hat Journalisten Bukows Abschiedsfolge in einer um 15 Minuten gekürzten Version zur Verfügung gestellt. Man kann nur spekulieren, wie Bukow den „Polizeiruf“ verlässt: mit einem Gleitschirm fliegend wie Schimanski über Duisburg damals? Vom Gangster angeschossen in den Armen seiner Kollegin verblutend? Oder wird vielleicht ein Hintertürchen offen gelassen?

Davon ist nicht auszugehen, nach allem, was zu hören ist. Charly Hübner selbst bleibt im ARD-Interview verschlossen. Es hätte verschiedene Möglichkeiten gegeben. Bukows Lebensweg sei, immer wenn es konkret wurde, von Changieren und Verschwinden geprägt gewesen. „Die Variante, die wir letztlich gewählt haben, ist schon drastisch.“

„Keiner von uns“ löst die letzten Rätsel

Das hört sich nicht nach Wiederkehr an. Zu umschlossen, zu abgerundet ist auch das, was Paradeautor und Regisseur Eoin Moore seinen Team Bukow/König zum Abschied mit der Folge „Keiner von uns“ beschert hat, garniert mit einem Gastauftritt von „Ärzte“-Musiker Bela B. Felsenheimer, der dem von Udo Lindenberg neulich im Furtwängler-„Tatort“ in seiner Schrägheit kaum nachsteht.

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Ein Mord im Rostocker Banden-Milieu lässt Moore (zusammen mit Autorin Anika Wangard) die privaten und beruflichen Stränge rund um Bukow und König aus den vergangenen zwölf Jahren zusammenführen. Mit all den Zweifeln, all dem Vertrauen und Misstrauen, die die beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Protagonisten begleitet haben. Man denke nur an Königs klare politische Haltung gegen Extremismus, die Bukow nicht hinbekommt. Was es manchmal schwer macht, ihn zu mögen.

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„Keiner von uns“ löst die letzten Rätsel nach dem gewaltsamen Tod von Bukows Vater, der ja aus dem Milieu kam, bringt die Rückkehr von Bukows altem kriminellen Konkurrenten Subocek (einer der besten Fiesen-Darsteller im deutschen Fernsehen: Aleksandar Jovanovic), der diesen mit Informationen erpresst, die wiederum Kollegin Katrin König belasten, die bei einem früheren Fall Beweise gefälscht hat. Wie gesagt, Katrin König, seine Kollegin und nun auch Geliebte, mit der der Bullen-Klotz seine Zahnbürste teilt. Dazu Serben- gegen rechte Gangs, es kracht noch mal gewaltig an der Ostsee.

Der menschliche Rostocker Kommissar

Ein Riesen-Schlamassel. Wie soll man da rauskommen, wie allen gerecht werden? Ist Bukow noch „einer von uns“? Sein Drama lebte immer von inneren Zerrissenheit, davon, dass Engel und Teufel in einer Seele wohnen, die sich bekämpfen. Bukow ist Polizist, aber er hat von Kindesbeinen an das Milieu aufgesaugt, die dunkle Seite. Im Finale müssen wir mitansehen, wie Bukow allmählich auf diese Seite kippt, nicht weiß, wohin mit seiner Wut und Ohnmacht. Und seinem Irrglauben. „Bukow hat den Instinkt seines Vaters, der sagt, ich regle das alles auf meine Art. Ich komme schon klar“, sagt Eoin Moore.

Von wegen regeln. Bukows Unzuverlässigkeit, seine Zwiespältigkeit, ungeachtet der Fahndungserfolge, machten den Rostocker Kommissar so menschlich, allzu menschlich. Und nötig, wenn er zweimal im Jahr mit Katrin König frischen Wind in den Primetime-Krimi brachte. Was man vor allem vom „Tatort“ nicht behaupten kann, der nicht rausweiß aus der Klammer zwischen ewig gepflegten Stereotypen (München, Köln), Krimi-Klamauk (Münster) und Pistolero-Ausbruch (Til Schweiger).

Moore/Hübner/Sarnau haben es geschafft, Rostock eine Farbe zu geben (ähnlich wie Schimmi seinem Duisburg früher), einer, so Moore, bunten Stadt voller Widersprüche mit vielen jungen Leuten, Touristen und einer tollen Hafenkultur. „Innerhalb kurzer Zeit hat man das Gefühl, durch verschiedene Zeitzonen zu laufen.“ Auch in „Keiner von uns“ ist der Stadthafen regelmäßiger Platz der Handlung – und Ort des absurdesten Heiratsantrags im deutschen Fernsehkrimi.

Bald ist er zu sehen im neuen TV-Experiment zu sehen

Moore hat viel erzählen dürfen mit seinen Krimihelden, meistens stimmig, jenseits aller Klischees. Wahrscheinlich wäre es nicht mehr besser geworden. Schluss also. Tschüss, Alexander Bukow, sorry, tschüss, Sascha, der von keinem anderen gespielt werden konnte als von Charly Hübner. Den zieht es nach 24 Folgen Primetime-Ermittlung mit regelmäßig sechs, sieben Millionen Zuschauern zu neuen Ufern. Was mutig genug ist, bei Hübners Klasse aber kein Problem sein dürfte. Bald ist er zu sehen im neuen TV-Experiment von Jan-Georg Schütte.

Wobei, so ganz verliert sich der Hübner-Touch im „Polizeiruf“ wohl nicht. Königs neue KollegIn wird Lina Beckmann, Hübners Ehefrau, mit der er zusammen viel Theater spielt. Es ist davon auszugehen, dass mit der Ermittlerin Melly Böwe viel Wut und frischer Wind im Nordosten Krimi-Deutschlands bleibt.

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