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Auf dem Weg zur Großmutter. Beate Zschäpe (Lisa Wagner) in Begleitung der BKA-Beamten Troller (Joachim Król) und Dietrich (Christina Große).

© ZDF/Janett Kartelmeyer

"Letzte Ausfahrt Gera": ZDF-Film bekommt Beate Zschäpe nicht zu fassen

Mit einem Dokudrama versucht das ZDF, Licht in den NSU-Prozess und den Fall Beate Zschäpe zu bringen. Das gelingt nur teilweise.

Von Frank Jansen

Mehr als ein halbes Jahr war seit dem dramatischen Ende des NSU vergangen, doch die Ermittler kamen im Frühsommer 2012 bei zentralen Fragen nicht voran. Wie hatte die rechtsextreme Terrorzelle ihre Mordopfer ausgesucht? Woher stammten die vielen nicht zuzuordnenden Waffen? Was hatte sich intern bei Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe abgespielt? Wie hielten die drei die fast 14 Jahre im Untergrund durch?

Die mutmaßlich einzige Person, die diese Fragen beantworten könnte, war und ist Zschäpe. Doch damals schwieg sie noch. Bundesanwaltschaft und BKA versuchten es mit einem Trick. Zschäpe wurde ein Treffen mit ihrer Großmutter gestattet, in Thüringen. Das BKA organisierte für die Beschuldigte eine Fahrt von der JVA Köln-Ossendorf zur JVA Gera, wo die Oma wartete. Vier Stunden Fahrt hin, vier Stunden zurück. Viel Zeit, um Zschäpe zum Reden zu bringen. Das BKA setzte zu ihr eine Beamtin und einen ausgebufften Kollegen, einen Rheinländer mit durchtriebenem Charme, in den Transporter.

Die Tour im Juni 2012 ist eine der Schlüsselszenen im NSU-Verfahren. Gerade auch, weil der Versuch der BKA-Beamten scheiterte, auf den langen Fahrten Zschäpe zu knacken. Sie sagte wenig über sich und nichts zu den Taten der Terrorzelle. Dennoch oder gerade deshalb sind die beiden Fahrten aus Sicht des ZDF ein interessanter Plot für ein Dokudrama über den NSU. Doch „Letzte Ausfahrt Gera – Acht Stunden mit Beate Zschäpe“ wirkt ambivalent. Vielleicht sogar zwangsläufig.

Joachim Król als Kommissar ist dem rheinischen Beamten, der später im NSU-Prozess als Zeuge auftrat, durchaus ähnlich. Lisa Wagner hingegen fehlt Zschäpes Doppelbödigkeit. Im Prozess verwirrt die Hauptangeklagte mit zwei Gesichtern. Pokerface selbst bei grausigen Bildern der Mordopfer des NSU, reizendes Lächeln plus gestenreiches Einreden auf ihren Lieblingsanwalt.

Wer und wie Zschäpe tatsächlich ist, erschließt sich offenbar nicht einmal ihren Verteidigern. Lisa Wagner hingegen hat 90 Minuten ein Gesicht. Die Film-Zschäpe ist ein lakonisch introvertierter Studentinnentyp, permanent cool, meistens genervt. Mundlos (Kai Malina) und Böhnhardt (Christoph Förster) sind auch dabei, der eine als Bubi, der andere als Verrückter. Doch mit vielen eingestreuten Info-Clips entgeht das Dokudrama der Mutation zu einem holzschnittartigen „Tatort“.

Nachgestellte Szenen unterbrechen das Psychoduell

Häufig wird die filmische Darstellung der beiden Fahrten vom Juni 2012, das Psychoduell zwischen Kommissar und mutmaßlicher Terrorbraut, unterbrochen von nachgestellten Szenen aus dem Münchner Prozess sowie Live-Auftritten von Zeitzeugen. Die Witwe des in Nürnberg erschossenen Blumenhändlers Enver Simsek schildert, wie sie bei den Ermittlungen der Polizei als tatverdächtig stigmatisiert und drangsaliert wurde. Eine Schauspielerin versetzt sich in die Mutter des in Kassel ermordeten Halit Yozgat. Wortgetreu ist der Appell der verzweifelten Frau an Beate Zschäpe zu hören, doch bitte zur Aufklärung der Taten beizutragen.

Das sind starke Momente des Films. Mehr geht vermutlich auch nicht. Der monströse NSU-Komplex mit den vielen Verbrechen und den Versäumnissen der Behörden erscheint auch nach mehr als zweieinhalb Jahren Prozess und diversen Untersuchungsausschüssen unfassbar. Und in Teilen auch weiterhin undurchschaubar, obwohl Zschäpe inzwischen im Prozess über einen Anwalt eine Einlassung präsentiert hat. Das ZDF hat nun immerhin eine Annäherung versucht. Eine Zuschauerin des Films könnte Zschäpe in der JVA Stadelheim sein.

„Letzte Ausfahrt Gera“, ZDF, Dienstag, 20 Uhr 15

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