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Dina, geboren nach der Terrorattacke von 2011, musste ihre Jugend ohne Vater bewältigen.

© Arrow Pictures

Leben und Überleben nach dem Tod des Vaters: „Generation 9 11“

Eine zweiteilige Arte-Dokumentation über US-Jugendliche, die ihre Väter in der Terrorattacke auf das World Trade Center verloren haben.

Jeder Mensch weiß noch heute, wo er am 11. September 2001 war. Der historische Moment hat sich eingebrannt in die individuelle Biographie. Viel mehr noch bei jenen, die unmittelbar von dem Ereignis betroffen waren und es auch weiterhin sind. Im Falle des 11. September betrifft dies Menschen, die bei den Terroranschlägen Familienangehörige, Freunde, Verwandte, Kollegen verloren haben – etwa 3000 Tote haben die Anschläge auf das World Trade Center in New York und auf das Pentagon in Washington gefordert. Der Dokumentar-Zweiteiler „Generation 9/11“ der Filmautorin Liz Mermin porträtiert sieben junge Menschen, die vor, während oder nach dem Jahr 2001 geboren wurden und die allesamt eines eint: sie haben ihre Väter, die an diesem Tag in den beiden Twin Towers waren, verloren und ihre Väter nie kennenlernen konnten.

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Eine Zeitlang können die sieben jungen Menschen gar nicht wissen, wer ihr Vater überhaupt ist. Denn jeder dieser Väter ist am 11. September ums Leben gekommen, die meisten von ihnen waren gerade einmal Ende zwanzig, Anfang dreißig, sie alle hatten ihre Leben noch vor sich. Heute sind diese Sieben, vier Männer und drei Frauen, um die zwanzig, junge Erwachsene, die sich im Studium befinden, am Berufsanfang stehen oder aber noch auf der Suche nach ihrem Weg sind. Sie alle und allesamt US-Bürger kennen ihre Väter lediglich aus Erzählungen ihrer Mütter, von Fotos, und aus Videoaufnahmen, die in „Generation 9/11“ immer wieder zwischen die Interviews montiert sind. In diesen Bildern ist auch das Amerika zur Jahrtausendwende zu sehen: Familienfeiern, New York, Vorstadt-Idylle. Was nicht explizit erneut gezeigt wird, sind die aus Endlosschleifen bekannten Bilder der Einschläge der Flugzeuge in die Türme. Nur einige wenige Sequenzen aus den vollkommen mit Staub bedeckten New Yorker Straßenzügen kommen vor. „Generation 9/11“ zeigt, angenehmerweise, keine harten Bilder. Das, was diese Sieben bis heute begleitet, ist hart genug.

[ „Generation 9/11“, Arte, Dienstag, um 20 Uhr 15 und ab Montag in der Mediathek]

Sie heißen Dina oder Claudia oder Luke oder Ronald. Sie haben für ihre zwanzig Jahre schon viel erlebt – darunter den ersten schwarzen US-Präsidenten, mehrere Amokläufe an Schulen, die Bewegung Black Lives Matter und die zunehmende Spaltung der US-Gesellschaft, sie haben Donald Trump erlebt und zu Beginn ihres Studiums oder ihres Berufes werden sie mit einer Pandemie konfrontiert, die ihr Leben lahmlegt.

Dina ist es, die einmal sagt, das sei für ein so kurzes Leben ganz schön viel, eigentlich zu viel, und sie alle sehnen sich nach so etwas wie einem normalen Leben. Doch so ganz normal wird ihr Leben vermutlich nie werden: so erzählt Megan, dass sie jedes Jahr am 11. September auf ihrem Smartphone von Nachrichten regelrecht geflutet werde - die Menschen wollten sie trösten, da sie doch ihren Dad an jenem Tag verloren habe. Doch sie kennt ihren Vater gar nicht, sie beträfe das nicht, sagt sie mit hörbarem Trotz. Wen es beträfe, das sei ihre Mutter, die an diesem Tag ihren Mann verloren habe. Sie selbst, so Megan, fühle sich nun erwachsen. Während sie dies sagt, wirkt sie sehr nahbar und verletzlich.

„Generation 9/11“ ist ein stiller, behutsamer Film. Zu sehen ist ein Amerika im Jahre 2001 und ein Amerika im Jahre 2021. Es sind zwei verschiedene Länder. Was sie eint, ist diese neue, junge Generation, die viel, zu viel schon erlebt hat, die von persönlichen Verlusten erzählen kann, von gesellschaftlicher Spaltung. Und von ihren Vätern, die sie in der 9/11-Katastrophe verloren haben: „Er ist immer und überall bei mir – egal, was passiert.“

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