zum Hauptinhalt
Divers. Die aktuellen Cover von „Art“, „Weltkunst“ (im Bild) und „Monopol“ zeigen die ganze Bandbreite an Kunst und Künstlern, mit denen die Redaktionen die Aufmerksamkeit des kunstaffinen Publikums erregen wollen.

© G + J/Zeit Verlag/Res Publica Verlag

Kunstzeitschriften im Überblick: Zweidimensionale Galerien

„Art“ wird 40, „Monopol“ liegt vorn, „Weltkunst“ erscheint seit 1930 – der Markt der Kunstzeitschriften im Überblick.

Von einem „Mid-Career Magazine“ spricht Tim Sommer seit Neuestem, wenn er die „Art“ meint. Das ist Slang aus dem Kunstbetrieb, aber doch für fast jeden verständlich: Sommer, Chefredakteur von „Art“ seit 2005, spielt auf Künstler jenseits der vierzig an, die in der Mitte ihrer Karriere angekommen sind. Entsprechend erfolgreich sollten sie am Markt sein und nun ein neues Kapitel ihrer Biografie aufschlagen können.

Auch das Kunstmagazin aus Hamburg hat vier Jahrzehnte hinter sich, seitdem es von Axel Hecht im Verlag von Gruner + Jahr gegründet wurde. Was ihn damals von der Konkurrenz unterschied und bis heute ein Markenzeichen des monatlich erscheinenden Heftes ist: Axel Hecht wollte populär über Kunst schreiben lassen. Für jeden verständlich, ohne theoretischen Überbau, aber auch nicht endlos simplifizierend. So sprach im allerersten Heft, dessen Titel ein pneumatisches Frauenporträt von Fernando Botero zierte, unter anderem Eva Beuys über ihren Mann Joseph und die Frage, weshalb der Künstler nur mit Hut herumlief.

Dieser Versuch der anschaulichen Kunstvermittlung erwies sich als Coup: Kein anderes Heft verkaufte sich über die Jahre so häufig, in Spitzenzeiten erreichte die Druckauflage fast 60 000 Exemplare. Aktuell sind es laut IVW noch 43 000. Damit hat „Art“ den ersten Platz im Ranking der Kunstzeitschriften eingebüßt und an das Monatsmagazin „Monopol“ abgegeben, das mit 45 000 gedruckten Heften ebenfalls um kunstaffine Leser wirbt.

"Kunstforum" bereits seit 1973

Tatsächlich ist „Art“ ja nicht allein. Was bei all den medialen Glückwünschen zur dickleibigen Jubiläumsausgabe ein wenig unterging: Das „Kunstforum“, eine Publikation im Buchformat, die viermal jährlich erscheint, gibt es seit 1973 und damit schon um einiges länger als „Art“. Im selben Rhythmus gibt Isabelle Graw seit 1990 „Texte zur Kunst“ heraus. Und auch wenn das Magazin für theorielastige Schwerpunkte – die aktuelle Ausgabe widmet sich etwa dem Genre der Autofiktion – 5000 Druckexemplare nie überschreitet, hat diese Special-Interest-Publikation ihre treuen Leser.

Die „Weltkunst“ mit einer Auflage von 25 000 Exemplaren erscheint immerhin schon seit 1930. Ursprünglich verstand sie sich als „Zentralorgan sämtlicher Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler-Verbände“, hat diesen umständlichen Titel jedoch längst abgelegt. Trotzdem leistet man sich weiterhin einen Fokus auf alter Kunst wie auch Antiquitäten und eine umfangreiche Agenda mit Auktionsberichten. Ein Alleinstellungsmerkmal, das Chefredakteurin Lisa Zeitz seit 2012 im monatlich erscheinenden Magazin bei aller Pflege von Traditionen sukzessive um Storys zur zeitgenössischen Kunst erweitert.

Das jüngste Kunstmagazin mit langen, monografischen Künstlerporträts kam 2015 bei Axel Springer Media House heraus. Anfangs lag „Blau“ als exklusives monatliches Supplement noch der „Welt“ an jedem vierten Samstag bei. Seit einiger Zeit finden es allerdings bloß noch Abonnenten kostenlos in ihren Briefkästen. Alle anderen müssen „Blau“ für sechs Euro pro Ausgabe kaufen.

Sechs deutschsprachige Magazine allein für die Kunst. Oder für „Kunst und Leben“, wie es „Monopol“ bewusst im Untertitel apostrophiert. Das ist eine ganze Menge und bezeugt ein über Jahrzehnte konstantes Interesse an der tiefer gehenden Beschäftigung mit dem Thema. Den größten Zuspruch haben naturgemäß jene Publikationen, die ihre Texte mit üppigen Bilderstrecken versehen. Das gilt für „Art“ wie „Monopol“ und „Weltkunst“, in denen man immer wieder auf Portfolios von Malern oder Fotografen stößt. Es kann aber auch nicht alles sein, denn sonst wäre ein buchstabenlastiges Magazin wie „Texte zur Kunst“ längst eingestellt. Wer nur die Bilder liebt, der könnte längst kostengünstig zu Instagram wechseln, wo im Sekundentakt Bilder von Ausstellungen gepostet werden oder sich junge Künstler inzwischen gleich selbst vermarkten.

Gesteigertes Erklärungsbedürfnis

Es herrscht wohl doch ein gesteigertes Erklärungsbedürfnis angesichts aktueller Kunst, die sich prinzipiell über die Sinne vermittelt, aber eben selten auf Anhieb verstehen lässt. „Art“ hat den Spagat zwischen anspruchsvoller Avantgarde und einfühlsamer Erläuterung im Jubiläumsheft vorbildhaft gelöst: Mit einer Ausgabe zur „Zukunft der Kunst“, die sich komplexen Werken wie denen von Raphaela Vogel oder Oscar Murillo nähert.

Wer die Texte liest, versteht auf einmal, weshalb sie sich in die seltsamsten Kostüme wirft und falsche Pferde riesige Brüste hinter sich durch den Raum ziehen. Oder warum Murillo den Galerieraum mit schwarzen Stoffbahnen zuhängt.

Ein bisschen Selbstlob darf natürlich auch nicht fehlen: Wenn Fernando Botero als 87-Jähriger für seine Konstanz gefeiert wird, mit der er bis heute an der Leinwand steht, um immer noch erfolgreich aufgeblähte Körper zu malen, dann bestätigt dies nicht zuletzt, wie richtig das Magazin 1979 lag, als es den Künstler auf den Titel hob.

Dass nicht jede Neugründung der jüngeren Vergangenheit Erfolgsgeschichte schreibt, zeigen andere Beispiele. Die englischsprachige „Frieze“ stellte ihren deutschen Ableger nach fünf Jahren im Herbst 2016 ein. Jüngere Projekte wie das Magazin „Idealist“, das 2011 zum Preis von 100 Euro erschien und sich als „zweidimensionale Galerie“ von exquisiter Druckqualität verstand, kam über die Erstausgabe nicht heraus. Bei der „Art“ – auch darüber verlor kein Gratulant ein Wort – verzichtet man seit Ende 2017 online auf redaktionelle Beiträge. Ein Rückzug, der auf Sparmaßnahmen schließen lässt, war „Art“ im Vergleich doch das Magazin mit dem aufwändigsten Internetauftritt. Doch wie schreibt Tim Sommer im Vorwort zur Jubiläumsausgabe: Mid-Career-Künstler hätten gelernt, „wie flüchtig der Ruhm sein kann, wenn man nicht dranbleibt mit der permanenten Selbsterfindung“. Mid-Career-Magazine wissen das auch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false