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Trugbild. Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) sieht plötzlich seine tote Kollegin Melanie Sommer (Anna Brüggemann).

© WDR/Thomas Kost

Kölner „Tatort“: Gefängnis im Kopf

Viel Trauma, mal kein „Wo waren Sie zwischen acht und neun?“. Kommissar Ballauf ermittelt im Kölner „Tatort“ in der Psychiatrie.

Immer wieder erscheint Melanie Sommer (Anna Brüggemann) dem Kommissar. Auch wenn Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) im Schwimmbecken einsam seine Bahnen zieht, steht sie mal hier, mal dort am Beckenrand. Sogar unter Wasser begegnet ihm die junge Polizistin, die er in Notwehr erschossen hatte.

Im Juni 2019 war das, in der „Tatort“-Folge „Kaputt“. In zwei weiteren Episoden ermittelte Ballauf, als wenn nichts gewesen wäre. Nun plötzlich ist das Trauma da – bei einem Fall, in dem der Chefarzt einer Psychiatrischen Klinik getötet wurde.

„Gefangen“, so der Titel des 79. Films mit dem Kölner Team, ist also vor allem der Kommissar selbst („Tatort“; ARD, Sonntag, 20 Uhr 15). Ballauf ist wirklich total neben der Spur. Am Tatort, in der Wohnung des Opfers, legt er sich erst mal aufs Ohr und schläft bis zum nächsten Morgen.

Sein Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär) ist von Ballaufs stummer Zerstreutheit genervt und redet vergeblich auf ihn ein. Auch Ballaufs Ex, die Polizeipsychologin Lydia Rosenberg (Juliane Köhler), ist keine große Hilfe. Bei ihr hockt Ballauf wie paralysiert auf der Couch und lässt die Zeit verstreichen.

Mühelos nimmt der Kommissar dagegen mit Patientin Julia Frey (Frida-Lovisa Hamann) Kontakt auf, die an einer schizophrenen Psychose leidet. Als die Polizei in der Klinik ermittelt, hält sich Julia eine Rasierklinge an den Hals und behauptet, sie werde in der Klinik gegen ihren Willen festgehalten. Auch sie also: gefangen, im doppelten Sinn, denn „das wahre Gefängnis ist hier oben“, wie eine andere Patientin, auf ihren Kopf deutend, später erläutert.

Ballauf beruhigt Julia mit sanfter Stimme. Die besondere Verbindung hilft bei der Aufklärung des Falls, in den die junge Frau irgendwie verwickelt zu sein scheint. Denn der Chefarzt schrieb kurz vor seinem Tod eine SMS: „Wegen Julia. Ich kann nicht mehr. Komm vorbei.“ Adressat war sein Anwalt Florian Weiss (Andreas Döhler), der zufällig auch Julias Schwager ist.

Das Trauma von Ballauf wirkt nicht aufgesetzt

Man kann frühzeitig ahnen, wohin der Fall führt. Action und Thrill bietet das leise Drama weniger, dennoch zählt „Gefangen“ zu den interessanteren „Tatort“-Beiträgen aus Köln. Ein Krimi von der Stange ist dieser Film jedenfalls nicht. Das Drehbuch von Christoph Wortberg trennt jedoch häufig das sonst eng verbandelte Ermittlerpaar, gibt Ballauf eine starke eigene Geschichte und bricht somit die Kölner Routine ein wenig auf.

Das gelingt insbesondere auch dank der Regie von Isa Prahl, die nach ihrem ersten Kinofilm („1000 Arten Regen zu beschreiben“) nun ihr „Tatort“-Debüt feiert und die Geschichte in aller gebotenen Ruhe und mit ausdrucksstarken Bildern (Kamera: Moritz Anton) in Szene setzt.

Das Trauma von Ballauf wirkt nicht aufgesetzt und Klaus J. Behrendt wie befreit vom üblichen „Wo waren Sie zwischen acht und neun?“. Außerdem wird auf plumpe Klinik-Klischees weitgehend verzichtet.

Vor allem aber glänzt Frida-Lovisa Hamann, die zuletzt die Nazi-Krankenschwester in der zweiten Staffel von „Charité“ so furchterregend zu spielen wusste. Als Patientin, die sich gegen ihr Gefangensein auflehnt, setzt sie in dieser „Tatort“-Folge einige Überraschungen.

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