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Misstrauen. Tülay Firat (Yeliz Simsek) hat Ärger mit dem Jugendamt. Kann sie den Kommissaren Ballauf (Klaus J. Behrendt, li.) und Schenk (Dietmar Bär) weiterhelfen?

© WDR/Martin Valentin Menke

Kölner "Tatort": Alle haben sich mal so geliebt

Wenn die Ex mit dem SUV vorfährt: Im „Tatort“ ermitteln Ballauf und Schenk im Dreieck Eltern-Kinder-Jugendamt.

Sie nennen sich Hauptkommissare, tatsächlich sind Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar) die Sozialarbeiter des deutschen Fernsehkrimis. Gerade noch, in ihrem letzten Fall, hatten sie es mit Mobbing und Schwulsein unter Jugendlichen zu tun, so geht es nun in eine neue Dimension menschlichen Dramas.

Eine Mitarbeiterin des Jugendamtes ist erschlagen worden. Monika Fellner (Melanie Straub) hatte sich Feinde gemacht, weil sie unterhaltssäumigen Elternteilen mit Übereifer auf die Füße getreten war. Immer wenn Mutter oder Vater für die Kinder aus ihren gescheiterten Beziehungen keinen Unterhalt zahlen wollten, weil sie angaben oder vorgaben, es nicht zu können, trat die Fellner auf den Plan.

Damit gewinnt niemand einen Beliebtheitswettbewerb, schon gar, wenn er, respektive Monika Fellner sich nicht auf Aussagen verlassen wollte, sondern quasi in Detektivarbeit die Wahrheit, die Unwahrheit hinter den Behauptungen herausfinden wollte.

Nicht alle in der Abteilung Unterhaltvorschusskasse teilten ihre Härte. Mit ihrer Kollegin Ingrid Kugelmeier (Anna Böger) hatte sie des öfteren Streit, weil die hin und wieder ein Auge zudrückte. Dafür kassierte Kugelmaier Abmahnungen, die die Fellner veranlasst hatte. Abteilungsleiter Markus Breitenbach (Christian Erdmann) suchte zu vermitteln.

Im Amt gibt es Verdächtige, im Kreis des Klientels gibt es ungleich mehr. Die Fellner war verhasst, zugleich Puffer und/oder Katalysator für die getrennten Eltern, die sich schier bis aufs Blut bekämpfen. Immer geht es ums Geld, um das Glück der einen im Unglück der anderen – und damit um die Kinder. Sie werden stets in Stellung gebracht, wer kann/darf/muss sich kümmern.

Spiel von Gut und Böse

Autor Jürgen Werner bringt zwei Paare zum Exempel. Bei Rainer Hildebrandt (Peter Schneider) ist die Liebe in Hass umgeschlagen. Seine gegangene Frau Katja (Katrin Röver) lebt auf der Sonnenseite des Lebens, der frühere Architekt ist „Hartzer“ und kümmert sich um Tochter und Sohn. Wenn die Ex mit dem SUV vorfährt, um ihr Zeitdeputat mit dem Nachwuchs zu verbringen, flippt Hildebrandt aus. Die Fellner hat er bedroht, er dreht am Rad.

Die Beziehung zwischen Julia Beck (Karen Dahmen) und Stefan Krömer (Gerdy Zint) liegt ähnlich verquer. Julia Beck schuftet, kümmert sich, der Ex ist mehr Hallodri als gewissenloser Schuft, aber für seine Tochter zaubert er ein niegelnagelneues Fahrrad herbei. Ballauf und Schenk suchen eine Mörderin/einen Mörder, was sie vorfinden, ist ein Milieu zwischenmenschlicher Verzweiflung und Niedertracht. Ballauf wird am Schluss sagen: „Und alle haben sich mal so geliebt“.

Da sind vielleicht noch Restpöstchen vorhanden, doch Autor Werner lässt dem Stress, dem Krieg, freien Lauf. Ballauf und Schenk schauen in einen Abgrund, der eigentlich ein Alltag ist. Das ist die Stärke des Kölner „Tatorts“, („Tatort: Niemals ohne mich“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15) mehr Menschendrama und Sozialtragödie als das Spiel von Gut und Böse. Menschen werden schuldig, doch bewegen sich ihre Leben zwischen enger und enger gesetzten Leitplanken aus Schmerz und Zerrissenheit, aus Ego-Shooting und dem Stellvertreterkrieg auf dem Rücken der Kinder.

Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär wissen um die Grenze solcher Thematik. Da kann es über die Maßen rührselig, schier schmalzig werden. Nein, sie halten die Mordfahnder in der Spur, doch nach so vielen Fällen und Dienstjahren können die Polizisten Momente des Mitgefühls mindestens so glaubwürdig zeigen wie Raffinesse in der Fahndung. Sidekick Norbert Jütte (Roland Riebeling), Hauptkommissar, bringt als Kölsche Erscheinung Witz und Witzchen und Running Gags ins todtraurige Geschehen. Autor Jürgen Werner, Regisseurin Nina Wolfrum dürfen sich allerdings fragen, ob die Lichtduschen-Nummer nicht der Überstrapaze zum Opfer fallen sollte.

Seitenaspekt. Viel wichtiger, weil prägender für die realitätsnahe, schmerzbetonte Inszenierung ist die Präzision in der „Biographisierung“ der Figuren, der Paare und der Mitarbeiter im Jugendamt. Ergebnis ist eine besondere Nähe des Zuschauers zum Geschehen, eine Empathie, die ohne das zielgerichtete Spiel des Ensembles und die zielführende Regie nicht zustande kommen würden. Und als ob die treibenden wie tragenden Kräfte sich ihrer Sache und ihres Themas immer gewisser würden, steigern sich die Schlusssequenzen zum Höhepunkt. Und dann erlebt der Zuschauer, wie ein Film endet, ohne dass er zu Ende ist.

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