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Killerspiel-Debatte: "Wir sind keine Amokläufer!"

In Berlin, Köln und Karlsruhe protestierten Computerspieler gegen ein "Killerspiel"-Verbot. Sie fühlen sich vorschnell verurteilt, ein Verband soll um Verständnis werben.

Die Demo ist auch ein Coming-Out. "Wir sind Gamer!", rufen die rund 400 Demonstranten. Seht her, soll das heißen, so normal sehen Leute aus, die in ihrer Freizeit in virtuellen Welten herumstreifen und mit mehr oder minder schweren Geschützen ihre Gegner abballern. Dass sie weder sozial gehemmte Nerds noch blinde Killermaschinen sind, wollen sie auch der Öffentlichkeit zeigen. "Wir sind keine Amokläufer“, rufen sie im Chor.

Für die Gamer – so nennen sich passionierte Computerspieler – geht es um ihr liebstes Hobby: das Spielen von so genannten "Killerspielen". Im Juni hatte die Innenministerkonferenz erneut auf ein Verbot der Spiele gedrängt. Für die Leute vom Bündnis "Wir sind Gamer" ist das ein Einschnitt in die Selbstbestimmung der Computerspieler, gegen den sie sich wehren wollen. An diesem Samstag gingen sie deshalb auf die Straße, Demonstrationen fanden in Berlin, Köln und Karlsruhe statt.

Die Botschaft der Organisatoren: "E-Sport ist kein Mord“. Die "Stigmatisierung sanftmütiger Computer- und Videospieler" müsse ein Ende haben. Die Politiker machten die Gamer zum Sündenbock für gesellschaftliche Probleme, statt sich mit der Jugendkultur des Gaming auseinandersetzen, kritisiert "Wir sind Gamer". Dabei täte dies durchaus Not. Es sei selbstverständlich, dass Counterstrike nicht von Achtjährigen gespielt werden sollte, sagt der Sprecher des Bündnisses, Robert Bahl. "Aber es geht darum, dass Erwachsenen nicht vorgeschrieben werden soll, was sie in ihrer Freizeit tun".

Genau das geschieht bereits: Im Juni musste eine der größten LAN-Partys Süddeutschlands, die Convention Xtreme in Karlsdorf-Neuthard, abgesagt werden. Die Stadt hatte es zur Auflage für die Party gemacht, dass die Spiele Counterstrike und Warcraft 3 dort nicht gespielt werden. Damit war die Veranstaltung überflüssig. Kurz darauf gingen in Karlsruhe erstmals Computerspielfans auf die Straße.

Nun haben die Zocker zumindest ein wenig Unterstützung aus der Politik bekommen. Zu den Demonstrationen am Samstag hatte die Piratenpartei aufgerufen. Auch die Nachwuchsorganisationen von SPD, FDP und Grünen unterstützten den Protest. Benedikt Lux von den Grünen sagte, viele Politiker hätten schlicht "keine Ahnung" vom Internet. "Dabei gibt es durchaus auch ältere Leute, die die Faszination für Computer- und Videospiele verstehen". Er verwies auf Veranstaltungen wie die Wii-Seniorenmeisterschaften. Florian Bischof (Piraten) sagte, schon Kleinkinder könnten zwischen Spiel und Realität unterscheiden.

Um den Nicht-Zockern ihr Anliegen greifbar zu machen, spielten die Demonstranten am Berliner Alexanderplatz eine Runde "Killerschach". Die Spielfiguren sind Menschen, die bei einem Treffer unter Schmerzen und von Kunstblut überströmt auf dem Spielfeld zusammenbrechen. Denn auch beim Schach geht es darum, den Gegner auszuschalten. Es deshalb verbieten? Die Angst, Computerspiele machten Zocker zu aggressiven Monstern, finden die Demonstranten genauso abwegig.

Um noch mehr Menschen von ihrer Harmlosigkeit überzeugen zu können, organisieren sich die Gamer jetzt noch besser. Gerade haben sie einen eigenen Verband gegründet: Martin Eiser von "Wir sind Gamer" erklärte auf der Demo, der Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler (VDVC) habe bereits 500 Mitglieder. Unter ihnen sind Deutschlands erfolgreichster Counterstrike-Clan und eine Gemeinschaft von Wii-Spielern. Der Verband soll unter anderem Aufklärungsarbeit für besorgte Eltern leisten und weitere Demos organisieren.

Dass ihre Lobbyarbeit nicht umsonst ist, zeigt das Interesse für die Onlinepetition „Gegen ein Verbot von Action-Computerspielen“: Seit Juni wurde diese von mehr als 66 000 Menschen unterzeichnet.

Quelle: ZEIT ONLINE

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