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Peer Steinbrück, Helmut Schmidt und Gastgeber Günther Jauch.

© dapd

Jauch, Schmidt, Steinbrück: Plaudern auf hohem Niveau

In Günther Jauchs Talkshow lobte Helmut Schmidt Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten. Danach ging es ums Rauchen und um Ironie. Keine schlechte Sendung, meint Matthias Kalle.

Stellen Sie sich vor, Sie wären der Gastgeber einer sonntäglichen Talkshow in der ARD – aber nicht nur das: Gleichzeitig sind Sie eine Art Hoffnungsträger für den Sender, Sie spüren die Last der Erwartungen auf Ihren Schultern und außerdem versuchen Sie selbst mit dieser Sendung den Höhepunkt Ihrer eigenen Karriere zu kreieren. Abgesehen davon gibt es natürlich, wie überall im deutschen Fernsehen, noch Neid und Missgunst und die Quote. So. Und dann, Sie sind noch nicht allzu lange Gastgeber dieser Talkshow, erleben Sie eine Woche wie die vergangene, und in den Konferenzen Ihrer Redaktion stellen Sie fest, das selbst bestbezahlte Spitzenleute langsam die Orientierung verlieren. Einer wagt vielleicht sogar den Befund, dass die ganze Welt vom Fieber des Wahnsinns befallen sei, und dass im Prinzip alles sinnlos sei. Trotzdem müssen Sie am Sonntag eine Sendung abliefern, die Zuschauer erwarten das, der Sender erwartet das – aber was genau erwarten die Zuschauer, was der Sender? Sie haben, angesichts der momentanen Situation im Prinzip genau zwei Möglichkeiten. Entweder, Sie laden Thomas Gottschalk und Hape Kerkeling in Ihre Talkshow ein und reden mit den beiden, darüber wie es eigentlich um die deutsche Fernsehunterhaltung steht, wenn alle Magazine Interviews mit Wolfgang Rademann abdrucken, wenn Hella von Sinnen den deutschen Comedypreis für ihr Lebenswerk bekommt und danach, im Rausch der Selbstüberschätzung, Barbara Schöneberger als Moderatorin für „Wetten, dass..?“ ins Gespräch bringt, der Höhepunkt dieses Talks aber natürlich darin besteht, dass Gottschalk offiziell Kerkeling zu seinem Nachfolger bestimmt und dieser dann vor laufender Kamera annimmt. Oder aber Sie machen es sich etwas einfacher und laden Altbundeskanzler Helmut Schmidt ein und den ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück (beide SPD) und während der Sendung sagt Schmidt, dass Steinbrück Bundeskanzler werden könne und Steinbrück sagt nicht nein. So hat das jedenfalls Günther Jauch gemacht.

Man kann Schlimmeres machen an seiner Stelle, und der Zuschauer kann am Sonntagabend auch Schlimmeres gucken (zum Beispiel den „Tatort“ vorher), und eine intellektuelle Unterforderung fand mit Sicherheit nicht statt. Was Schmidt und Steinbrück bei Jauch über Europa, die Krise, die Banken sagten, das meldeten bereits die Agenturen, denn diesmal wurde „Günther Jauch“ bereits im 19 Uhr 30 aufgezeichnet, hier ging es darum, ob es eine gute Sendung war – und ihren größten Moment hatte sie, als Helmut Schmidt Peer Steinbrück durch Lob zum Kanzlerkandidaten machte und die Kamera zeigte: Steinbrück. Danach, nach einer halben Stunde, wurde das Gespräch leichter, Schmidt und Steinbrück sprachen über ihr gemeinsames Schachspiel (Steinbrück, sagt Schmidt, spiele besser) und dann ging es ums Rauchen, denn natürlich rauchte Schmidt in der Sendung, und als Jauch von ihm wissen wollte, wie man im Alter geistig so auf der Höhe sein könne wie er, das sagte Schmidt, dass auch das natürlich an den Zigaretten liegen würde. Das war Plaudern auf ganz hohem Niveau – und auch wenn sich alle drei einig waren, dass Ironie fast nie funktioniert, vor allem nicht im Fernsehen, nahmen sie weder diesen Befund noch sich selbst so ernst, dass es angestrengt wirkte. Keine schlechte Sendung.
Günther Jauch moderiert seit zwei Monaten seine Talkshow, und er hat bereits die amtierende Bundeskanzlerin zu Gast gehabt, einen ehemaligen Bundeskanzler, und vielleicht den kommenden Bundeskanzler. Keine schlechte Quote, weder im übertragenen noch im Wortsinne: 5,61 Millionen Zuschauer schalteten den ARD-Talk ein, der Marktanteil lag bei 18,9 Prozent. Der beste Wert seit dem Start von „Günther Jauch“ am 11. September. Matthias Kalle

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