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Der TV-Entertainer Jan Böhmermann.

© dpa/Matthias Balk

Jan Böhmermann und Uwe Steimle: Narzissten unter sich

Darf Jan Böhmermann im Westen, was Uwe Steimle im Osten nicht darf? Welch ein Irrtum! Ein Kommentar.

Sendeschluss. Für beide. Aber mit einem entscheidenden Unterschied: Jan Böhmermann beschließt sein „Neo Magazin Royale“ am kommenden Donnerstag, um nach einer lange Pause im Herbst 2020 mit neuem Magazin im ZDF-Hauptprogramm aufzuwarten. Der 38-jährige Satiriker erlebt einen Aufstieg.

Uwe Steimle hat „Steimles Welt“ am 17. November zum letzten Mal im MDR Fernsehen präsentiert. In der vergangenen Woche hat sich der Sender von Steimle getrennt. Der 56-jährige Satiriker erlebt einen Abstieg.

In den heftigen und bis heute nicht enden wollenden (Twitter-)Auseinandersetzungen zum Fall des Uwe Heinz Steimle findet sich dieser Tweet: „Was Böhmermann (West) darf, darf Steimle (Ost) noch lange nicht.“ Ist das wahr, gibt es unterschiedliche und damit ungerechte Bewertungssysteme? Ist der „linke“ Satiriker der Alles-Dürfer, der „rechte“ dagegen der Wenig-Dürfer? Teilt sich die Meinungsfreiheit an der Grenze Links/Rechts?

Böhmermann wollte mit seinem „Ziegenficker“-Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Erdogan die Grenze von (satirischer) Meinung austesten. Das ist ihm sehr weitgehend gelungen. Paragraf 103, also die Majestätsbeleidigung wurde gestrichen, wenn auch zum Preis, dass Böhmermann 18 von 24 Zeilen des „Gedichts“ nicht wiederholen darf. Böhmermann hat die Grenzen des Sagbaren erweitert und – wohl als ungewollter Kollateralschaden – erreicht, dass sich eine Renate Künast die allerschlimmsten Schmähungen im Netz gefallen lassen muss. Die Fans jedenfalls feiern den „blassen Jungen“ für seine „Eier aus Stahl“.

Deutschland ein "besetztes Land"

Uwe Steimle sah Deutschland als „besetztes Land“, die Deutschen müssten die Kriege bezahlen, die Amerikaner und Israelis anzetteln, beim MDR erkannte er auf „mangelnde Staatsferne“, im Bundestag sitze „arbeitsscheues Gesindel“. Der (rechts-)populistische Furor fand und findet begeistertes Publikum. Was die eigene Bereitschaft zur Attacke in gleicher Weise befeuerte. Sein Niggi „Kraft durch Freunde“ ist Ausdruck seiner Kraft durch Fans. Die prompt vor dem MDR-Landesfunkhaus Sachsen gegen das TV-Aus protestiert haben.

Beide, Böhmermann wie Steimle, sind Narzissten, beide blitzschnell gekränkt. Als Böhmermann mit seinem „Ziegenficker“-Schmähgedicht in schweres Wetter geriet, rief er bei Kanzleramtsminister Peter Altmaier um Hilfe; als Steimle seine Kommissars-Rolle im „Polizeiruf 110“ verlor, rief er „Dolchstoß“ und „Berufsverbot“, diese Vorwürfe wiederholte er nach dem Rauswurf beim MDR und verschärfte sie mit dem Verdikt „Zensur ersten Grades“. Es ist für Steimle ein undenkbarer Gedanke, dass ein Arbeitgeber sich von seinem Arbeitnehmer nicht bis ultimo beharken lassen will und deshalb in Ausübung der Vertragsfreiheit den Kontrakt nicht verlängert.

Nennt sie Komiker, Comedians, Satiriker, im Kern bleiben sie Glückskinder. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat sie groß gemacht, die gewonnene Popularität wird kapitalisiert. Glaubt auch nur einer, dass der mit „Berufsverbot“ belegte Steimle die Säle auf seinen Tourneen nicht doppelt und dreifach ausverkaufen wird? Und Böhmermann kann auch bei jeder weiteren Grandiosität und Blödheit auf seine Fanbase und den den starken juristischen Arm des öffentlich-rechtlichen ZDF rechnen.

Bleiben schwer erträglich

Beide, Böhmermann wie Steimle, sind von einer Opferrolle so weit entfernt wie zahlreiche Sottisen der beiden vom undogmatischen Witz. Wo auch immer die Satiriker künftig auftreten werden, sie werden schwer erträglich bleiben. Uwe Steimle mit seinem Ressentiment-beladenen Rückwärtsfanatismus, Jan Böhmermann mit seinen (nicht nur gegen Dieter Nuhr) gericheten Fresse-Polieren-Gags – sie befriedigen Lagerdenken links und rechts. Das genügt ihnen, der jeweilige Bühnenrand ist der individuelle Tellerrand. Dass aus der eigenen Deutungshoheit die königliche Hoheit eigener Deutung geschlussfolgert wird, passt ins Persönlichkeitsbild.

Steimle darf im Osten, was Böhmermann im Westen darf. Das ist von der Meinungsfreiheit in dieser Demokratie gedeckt. Aber beide müssen stets damit rechnen, dass jene, die sich von ihnen belämmert/belästigt/beleidigt fühlen, sich dagegen (ver-)wehren. Satire darf alles, auch das Gegenteil. Links? Rechts? Jan Böhmermann? Uwe Steimle? Welch ein Irrtum, die beiden.

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