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Iris Berben und Rainer Bock als Ehepaar Ebba und Markus in dem TV-Film "Mein Altweibersommer", der am 12.08.2020 zum 70. Geburtstag von Iris Berben im Ersten ausgestrahlt wird.

© Conny Klein/ARD Degeto/dpa

Iris Berben wird 70: Geburtstagsfilm „Mein Altweibersommer“ heute im Ersten

Lieb gemeint: der ARD-Film „Mein Altweibersommer“ zum 70. von Iris Berben. Doch für diesen Geburtstagsfilm ist das schauspielerische Energiebündel zu jung.

Schwurbelzeit im Ersten. Er: „Du bist die Schönste. Du weißt das genau.“ Sie: „Das bin ich nicht.“ Er: „Wie ist das, wenn man überall die Schönste ist?“ Sie: „Was, wenn man das gar nicht sein will, sondern jemand, der ist, der war oder sein wird. Du hast noch nicht viele Frauen gesehen?“ Er: „Doch viele, sehr viele“. Sie: „Wie ist es entstanden, dass man ist? Ist es einfach passiert oder hat man die Zügel in der Hand gehabt? Will man das weiter sein oder bleibt gar keine Zeit, sich das noch zu fragen...?“ Hilfe.

So viele Fragen, so hoffentlich wenige Antworten. Gut, der Film heißt „Mein Altweibersommer“, da dürfen Sinn und Verstand schon mal vor sich hin murmeln, um nichts zu suchen und nichts zu finden. Aber eigentlich soll mit dem Werk (Buch: Beate Langmaack, Regie: Dustin Loose) Iris Berbens 70. Geburtstag gefeiert werden. Und die ist schauspielerisches Energiebündel. Schier alterslos, zu präsent für philosophisches Geraune.

Dabei ist der Beginn der Geburtstagssause traumhaft irre. Ein Hauch „Rosemaries Baby“ mit einem kleinen Satansbraten zum Kuscheln in kriselnder Ehe. Ebba (Berben), die Lebensmittelbiologin, und ihr Geschäftspartner und Gatte Markus (Rainer Bock) lustwandeln durch einen Containerhafen, da melden sich bei der Frau die Wehen. 70 und niederkommend, staunt der Zuschauer. Dann schaut das Köpfchen aus der Gebärenden hervor.

„Kräftiger Bursche, so dunkle Haare wie Sie,“ heißt es am Wochenbett. „Sie haben einen gesunden Bären geboren.“ Die Bärengeburt erweist sich als Traum Ebbas. Ein verkappter Wunsch nach Veränderung, ein Wink aus dem Unterbewusstsein? Die träumerische Bärengrille nimmt das Buch schwer ernst. Als wörtlich zu nehmender Auftakt für ein humorfreies Erlösungs- und Selbstfindungsprogramm, in dem Symbole über die erzählte Alltagsgeschichte herrschen.

[„Mein Altweibersommer“, Mittwoch, ARD, 20 Uhr 15]

Man versteht, dass Frau Ebba die ewige Fragerei des Göttergatten „Hast du mein Kopfkissen eingepackt?“ auf den Wecker geht. Auch seine machohafte Selbstverliebtheit, wenn Markus vor einer entscheidenden Verhandlung mit einem Krankenhaus die Rollen festlegt: „Zuerst kommst Du, ne klare Klarinette, ein kühles Lächeln, dann ich, der freundliche Klotz, durch und durch glaubwürdig, ein tiefes Cello.“

Iris Berben beim 40. Filmfestival Max Ophüls Preis 2019.
Iris Berben beim 40. Filmfestival Max Ophüls Preis 2019.

© imago/Becker&Bredel

Überpoetisierter Selbstfindungskitsch

Den Rest vom schrägen Konzert namens Ehe bekommt die Klarinette, als sie mit Cello neureiche Freunde (Leslie Malton, Martin Brambach) besucht. Es gibt Weinbergschnecken, Suff. Da ergreift ausgerechnet Iris Berben, das Darstellergesicht für Kampfbereitschaft, die Flucht und geht dem überpoetisierten Selbstfindungskitsch des Buches auf den Leim. Am Ostseestrand, gleich neben Neureichs, ist es, als hörte man den Ruf der wieder auferstandenen weltberühmten Clownslegende Grock : „Nit möööglich“.

Richtig, da steht ein kleines Wanderzirkuszelt. Darin der attraktive dänische Herr Direktor Arne (Peter Mygind), Trompete spielend, Hühner streichelnd. Auf einmal scheint Ebba Rettung vom Ehejoch möööglich, es tänzelt nämlich auch ein Bär, genauer ein Mensch im Bärenkostüm, durch die Manege. Ebba braucht nicht lange. Die Bärendienststelle ist vakant. Schluss mit unterwürfiger Klarinettenbegleitung, mit Elefantenpopeln und Menstruationsgedöns. Auf ins Bärenkostüm zum schwitzigen Selbstfindungsprozess. Anstrengend, eigensinnig, aber auch glaubhaft?

Es folgen Reisen mit dem zarten, tragisch umflorten Arne. Es gibt Lagerfeuerschein, weises Reden (man wusste es bisher nicht: Nord und Ostsee fließen wie Liebende ineinander), aber leider einen Anstieg der Spannungslosigkeit, bis junge Banausen dem Bärenleben ein Ende bereiten. Arne macht sich davon. Die Problembärin kehrt zurück zu Kissen und Mann. Sie entdeckt die Vorzüge der ehelichen Zivilisation und, angeregt durch tiefes Cello, den Reiz der Frage: Wie schafft man es, einen ins Koma versetzten Patienten, der Jahre lang an die Küche der Frau gewöhnt ist, weiter mit dem gewohnten und geliebten Geschmack zu versorgen?

Schade, was der Autorin Beate Langmaack zuvor zur Verabschiedung von Hannelore Hoger als Bella Block wunderbar gelungen ist, scheitert im Fall „Mein Altweibersommer“ an sentimentalem Bärengebrumm und poetischem Honigschlecken. Dafür ist die 70 gewordene Iris Berben noch zu jung. Und das verdient erst recht einen Glückwunsch.

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