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Demo gegen Sexismus. Die Medien sollten an dem Thema Sexismus dranbleiben und über Aspekte wie die Verharmlosung von Vergewaltigungen berichten.

© picture alliance / dpa

Interview zur Sexismus-Debatte: „Wir wollen keine Zensur“

Eine Kampagne protestiert gegen Sexismus in der „Bild“-Zeitung. Organisatorin Penelope Kemekenidou über harmlose Sprache und #MeToo.

Frau Kemekenidou, seit 2014 protestiert Ihre Kampagne „Stop Bild Sexism“ gegen Sexismus in der „Bild“-Zeitung. Warum?

Bei der „Bild“ gab es nicht die eine Schlagzeile, die uns schockiert hat. Es geht um die Struktur, die Alltagssexismus fördert. Als auflagenstärkstes Blatt Europas hat die „Bild“ eine enorme Relevanz in der Gesellschaft. Das sind keine Patzer, dort werden jeden Tag unterschwellig und sogar offen sexistische Inhalte verbreitet.

Was kritisieren Sie konkret?

Wir checken jeden Tag, was die „Bild“ veröffentlicht. Frauen werden systematisch sexualisiert: Das „Bild-Girl“ gibt es immer noch, Frauen ohne Modelmaße werden „Presswurst“, Frauen im Bikini „Luder“ genannt. Wir haben in einer eigenen Studie herausgefunden, dass Frauen in der „Bild“ auch unterrepräsentiert sind. Nur ein Drittel aller Bilder zeigt Frauen, überdurchschnittlich häufig sind diese dann nackt und tauchen nicht im Politik-Teil, sondern bei Unterhaltung auf. Sogar zur Frauen-Fußball-WM wurden weniger Frauen als Männer im Sportteil gezeigt. Das ist medialer Sexismus.

Da hat sich in den vergangenen Jahren aber kaum etwas verändert.

Wir wollen eine gesellschaftliche Veränderung. Das Problem war lange, dass „Bild“-Leser nicht schockiert waren. Da verändert sich etwas durch unsere Arbeit. Als wir zum Beispiel die strukturelle Sexualisierung von Minderjährigen in der „Bild“ thematisierten, wurde der Sexismus für viele erst erkennbar. Unser Hauptziel ist es, diesen Alltagssexismus sichtbar zu machen. Wenn sich die Haltung der Leser ändert, sinkt die Auflage weiter und die „Bild“ muss reagieren.

Penelope Kemekenidou
Penelope Kemekenidou

© Privat

Ist die „Bild“-Zeitung das einzige Blatt, das Sie kritisieren?

Nein, gerade bei der #MeToo-Debatte haben auch andere Medien, zum Beispiel die „Gala“, Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe als „Sex-Skandal“ oder „Sex-Attacke“ abgetan. Das ist eine Verharmlosung von Sprache. Vergewaltigung sollte niemals mit Sex in Verbindung gebracht werden – aber Sex sells.

Stichwort #MeToo: Wie fanden Sie die Berichterstattung darüber in der „Bild“?

Die ist konstant schlecht geblieben. Es kann einen nur wundern, wie man Überschriften drucken kann wie „Sex-Skandal um Weinstein. Hat sein eigener Bruder ihn verraten?“ und „Wird Hollywood jetzt keusch?“. Da sieht man schon, welchen Gedanken die Redaktion treibt. Die „Bild“-Zeitung hat keine Ideologie, sondern macht das, was zieht.

Was empfehlen Sie Redaktionen?

Die Medien müssen an dem Thema Sexismus dranbleiben und über Aspekte wie die Verharmlosung von Vergewaltigungen berichten. Die Art, wie berichtet wird, intendiert immer noch oft, dass Frauen eine Mitschuld für ihre Vergewaltigung tragen würden. Das geschieht zum Beispiel durch die Erwähnung, die Frau sei betrunken gewesen oder habe einen kurzen Rock angehabt. Wir wollen einen korrekten Sprachgebrauch, keine Zensur.

Die Reaktionen auf die Kampagne?

Überwiegend positiv. Unsere Petition gegen das „Bild-Girl“ wurde von rund 60 000 Menschen unterschrieben. Außerdem werden wir von vielen Kampagnen und Vereinen unterstützt und auch unzählige Politiker – Frauen wie Männer – haben sich solidarisiert. Klar,es gibt vereinzelte Trolle. Das sind aber Einzeltäter, die uns Penisbilder schicken oder Vergewaltigungen androhen. Eine Hass-Welle haben wir bisher aber nicht gespürt.

Und die „Bild“-Zeitung?

Gespräche gab es nie. Tanit Koch, „Bild“- Chefredakteurin, wurde einmal auf uns angesprochen, unsere Kampagne hält sie für sinnlos. In einem Kommentar meinte sie, Frauen seien längst gleichberechtigt. Vielleicht hatte sie, als weiße, privilegierte Frau das Glück, keine sexistische Erfahrung gemacht zu haben, aber ich bezweifle es. Vielmehr wird die Scham, per se zu einer diskriminierten Personengruppe zu gehören, überkompensiert, indem man diese selbst mit unterdrückt. Die #MeToo-Debatte besteht letztendlich aus zwei Punkten: Der Entlarvung dieser zuvor fast unsichtbaren Vergewaltigungskultur, aber auch einem noch bewussteren Verständnis dafür, dass diese Taten nur durch ein Netz von Komplizenschaft möglich war. Damit dreht sich #Metoo um etwas Simples: Solidarität.

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