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© Thilo Rückeis

Interview: Wolfgang Menge: "Wahnsinnig witzig, kann ich Ihnen sagen"

85 Jahre und kein bisschen leise: Ein Gespräch mit Wolfgang Menge über Willy Brandt, die Lust am Fernsehen und Trauerreden.

Wolfgang Menge, geboren am 10. April 1924 in Berlin, gehört zu den erfolgreichsten Fernsehautoren Deutschlands. Er hat das Krimi-Genre bedient mit Drehbüchern für die Serie „Davidswache“ oder den „Tatort“, für den er die Figur des Zollfahnders Kressin erfand. Zu seinen großen Einzelstücken, in denen er politische Zeitprobleme mit dem Mittel spannender Unterhaltung bewusst machen wollte, gehören „Die Dubrow-Krise“ oder das Dokumentarspiel „Smog“, aber auch die Fernseh-Parodie „Millionenspiel“. Menges wohl größter Erfolg war die Polit-Satire um den Spießbürger und Sozi-Hasser Alfred Tetzlaff. Die Wiederholungsquote von „Ein Herz und eine Seele“ ist rekordverdächtig.

Herr Menge, erwarten Sie noch irgendetwas vom deutschen Fernsehen?

Ach, wissen Sie, in meinem Alter schaltet man ein und dann schaltet man irgendwann wieder aus. Um 22 Uhr ist bei mir meistens Schluss.

Was interessiert Sie denn am meisten?

Ich verfolge häufig die Unfallmeldungen im RBB. Haben Sie das mal gesehen? Das ist toll. Zu hören, dass es wieder ein paar Idioten von der Straße gefegt hat. Da tut es mir dann auch gar nicht mehr leid, selbst nicht mehr Auto fahren zu können.

Michael Jacksons Tod war ein gewaltiges Medienereignis. Hat Sie das interessiert?

Ich verstehe das Phänomen Jackson, aber ich kann den ganzen Aufwand nicht nachvollziehen, der da getrieben wurde. Jeder stirbt, der eine früher, der andere später. Was soll’s also.

Nicht der Tod eines Menschen wie Jackson belästigt sie, sondern die Berichterstattung darüber.

So ist es.

Und wenn nach Ihrem Tod Tausende mit Blumen in der Hand vor Ihrer Haustür stünden und weinten?

Kinder, wenn die nichts anderes zu tun haben, dann sollen sie es um Himmel willen machen. Aber ich fände das idiotisch.

Waren Sie jemals auf einer Trauerfeier?

Auf einer oder zwei, so weit ich mich erinnere. Zuletzt war ich beim Begräbnis meines Kollegen Gustav Trampe, ehemals Studioleiter des ZDF in Berlin. 1950 habe ich sogar die Trauerrede am Grab meines damaligen Chefs beim „Hamburger Abendblatt“, Gustav „Guschi“ Döring gehalten. Aber mehr als ein oder zwei Sätze werden es nicht gewesen sein. Wir waren damals nur drei Mitarbeiter in der Redaktion, einer von uns musste also ran. Ich hab’s dann gemacht.

Nur eine Trauerfeier: weil sie nicht eingeladen wurden oder weil sie nicht wollten?

Soweit ich weiß, wird zu Trauerfeiern nicht eingeladen, da kann jeder hin, der will.

Haben Sie jemals einen Nachruf verfasst?

Ich habe mich lieber an die Lebenden gehalten. Zum Beispiel bei Preisverleihungen. Als Sandra Maischberger den Deutschen Fernsehpreis bekommen hat, habe ich mich sogar richtig angestrengt und mich einen ganzen Tag lang auf meine Rede vorbereitet.

Eines haben Grabreden und Preisverleihungen gemeinsam: Bei beiden wird garantiert nicht die Wahrheit gesagt.

Ob das so stimmt, weiß ich nicht. Man lässt vielleicht ein paar Sachen aus.

Sie haben Preise ohne Ende kassiert. Das Schönste waren doch immer die Lobreden auf Sie, oder? Davon kann man doch nie genug bekommen.

Stimmt. Ich erinnere mich allerdings auch an eine Rede von Norbert Schneider, der damals Programmdirektor des SFB war, die mit dem Satz begann: „Er hat noch nie in seinem Leben ein Theaterstück geschrieben“. Wenn ich eine Rede über mich halten müsste, wäre mein erster Satz: „Angefangen hat er mit einem Theaterstück“. Wissen Sie warum? Weil ich durch das Theater überhaupt erst zum Fernsehen gekommen bin.

Das war aber nicht nett von Herrn Schneider.

Das habe ich Herrn Schneider aber nicht gesagt. Der hat das nie mitbekommen.

Was wäre der erste Satz über Sie, wenn Sie Ihre eigene Grabrede halten müssten? Vielleicht: „Er war der größte Fernsehautor aller Zeiten“?

Ehe ich antworte, muss ich Ihren Satz erst einmal verarbeiten. Fragen Sie mich doch später nochmal.

Sie könnten ja nach der goldenen Regel verfahren, über Tote nichts Schlechtes.

Diese Regel kenne ich nicht. Wie viele andere auch nicht.

Was halten Sie davon: „Er war einfach der Beste“.

In Ordnung. Könnte man so machen. Neulich hat mir einer meiner Söhne ein Exemplar des „Südkuriers“ mitgebracht. Die hatten eine ganze Seite über mich. Da steht das so auch – mehr oder weniger – drin. Sie sehen, Sie stehen nicht ganz alleine da mit Ihrer Meinung.

Ihr „Ekel Alfred“ läuft immer noch. Wahnsinn, oder?

Unglaublich. Aber so ein Ekel scheint in jede Zeit zu passen. Wir hatten, als „Ein Herz und eine Seele“ mit der Hauptfigur Tetzlaff startete, das große Glück, dass Willy Brandt Kanzler war. Eine Art Heiliger, unstörbar. Alfred Tetzlaff hat es trotzdem getan.

Hatten Sie eine Beziehung zu Willy Brandt?

Er hat mich hier in meinem Haus öfter besucht und dabei meinen Drehstuhl zweimal zerbrochen, glatt in der Mitte durch, der war danach Schrott. Und das war nicht irgendeinen Drehstuhl, das war ein Stuhl von Charles Eames, eine Kostbarkeit und der erste Stuhl, den ich mir nach meiner Rückkehr aus Asien, wo ich Korrespondent war, gekauft habe. Der hat mich damals 1600 Mark gekostet.

Wo bleibt eigentlich Ihre Autobiografie? Selbst vom Fernsehkoch Johann Lafer gibt es bald eine.

Ich selbst wollte das nie machen. Es gibt da jemanden, der schon zwei oder drei Kapitel geschrieben hat, aber weiter ist das Projekt noch nicht gediehen. Ob das jemals was wird, ich weiß es nicht. Ich hätte lieber einen Fotoband über mich. Fotos und dazu kurze Texte, das würde mir gefallen.

Sie sind bekannt als rastloser Autor. Gibt es Projekte?

Sie werden es nicht glauben: ja. Der Regisseur Peter Kahane möchte gerne irgendetwas mit mir machen. Wenn es nach mir ginge, könnte er für den Anfang meine jüdische Comedy machen, die der WDR nie in die Tat umgesetzt hat. Da geht es um einen Mann, der feststellt, dass seine Mutter Jüdin war und der jetzt in die Geheimnisse des jüdischen Alltags eingeführt werden will. Was da alles passiert, wahnsinnig witzig, das kann ich Ihnen sagen. Ein Jammer, dass bisher nichts daraus geworden ist. Die ersten zehn Folgen sind fertig geschrieben und es gäbe sogar einen Produzenten.

Unvollendet, das geht doch nicht, Herr Menge. Wollen Sie wirklich das Risiko eingehen, dass der erste Satz über Sie lauten könnte: „Er hat etwas nicht zu Ende gebracht“?

Warum nicht? Das ist doch völlig in Ordnung.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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