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Nachrichtenleben. Die 73-jährige Journalistin und Autorin hat jetzt ihre Autobiografie verfasst. Wibke Bruhns lebt in Berlin.

© Amos Schliack / laif

Interview: „Wir werden nicht lange froh sein mit Gauck“

Wibke Bruhns über den Polit-Wirbel der Woche, Wahlkampf für Willy Brandt, die Lust der Frauen auf Führungspositionen und ihre Autobiografie, die demnächst erscheint.

Von Barbara Nolte

Frau Bruhns, Helmut Schmidt soll über Sie gesagt haben: Ohne Willy Brandt wären Sie nie „so weit gekommen“.

Ist mir auch so zugetragen worden. Eine Frechheit. Was soll das heißen? Wie weit war ich denn gekommen?

Haben Sie Schmidt mal gefragt, was er meinte?

Nein. Schmidt und ich haben uns später vertragen. Damals sah er mich nach dem Rücktritt von Brandt beim Bundespräsidenten, als das ganze Kabinett entlassen wurde. Wir Journalisten standen auf den Fensterbänken. Schmidt soll gesagt haben, was ich denn hier noch wolle. Als sei ich schuld an der strapaziösen Angelegenheit, die so ein Kanzlerwechsel ist.

Brandt trat zurück, weil der Spion Günter Guillaume Details zu Frauengeschichten an die DDR weitergegeben haben könnte. Brandt wäre erpressbar, hieß es. Sie galten als eine der Geliebten.

Ein Gerücht, gegen dessen Veröffentlichung ich mich mehrmals vor Gericht erfolgreich gewehrt habe. Es ist im Prinzip ja nichts Ehrenrühriges, die Geliebte von einem Kanzler zu sein, jedenfalls nicht von diesem Kanzler, bei Kohl hätte ich meine Zweifel, aber es stimmte nicht.

Sie haben mit Brandt Urlaub in Norwegen gemacht.

Das war Rut Brandts Idee. Sie suchte sogar ein Ferienhaus für mich und meine Töchter. Ich plante, eine Geschichte über Brandt zu schreiben, für die ich ihn öfter treffen musste.

Bei Helmut Kohl waren Sie zu Hause in Oggersheim. Hannelore Kohl spielte Schlager auf der Heimorgel.

Dass ich zu Kohl nach Hause konnte, lag daran, dass er zu der Zeit mit dem damaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Gerhard Stoltenberg, um den Parteivorsitz der CDU rivalisierte. Ich glaube, der hätte damals seine Söhne verkauft, um Publicity zu kriegen.

Das angeblich neue Phänomen, dass Politiker sich als Privatleute inszenieren, scheint ein recht altes zu sein. Nur dass sich die Politiker heute für ihre Homestorys die „Bunte“ aussuchen.

Damals nicht. Brandt führte ein offenes Ferienhaus. In Norwegen saß eine Handvoll Journalisten mit ihm beim Wein in der Sonne. Doch seine Persönlichkeit hat Brandt nicht offenbart. Ich war damals aus Studentenzeiten trainiert im pausenlosen Herumwühlen in Befindlichkeiten. An Brandt bin ich abgeprallt. Er lebte in einer Ideenwelt, in Gefühlsdingen war er defizitär.

Sie zitieren in Ihrem Buch den ehemaligen Minister Egon Bahr, der sagte: Politiker seien wie Traber. Getrimmt auf Höchstleistungen in widernatürlicher Gangart.

Gerade bei den jüngeren Politikern sieht man das heute wieder. Sie sind getrieben vor Ehrgeiz.

Wie beobachten Sie heute den politischen Betrieb?

Ich lese Zeitung. Näher muss ich nicht mehr ran. Es gibt in der Politik mittlerweile Dynamiken, die ich nicht leiden kann. In diesen Online-Nachrichtendiensten muss alle zwei Stunden etwas Neues stehen mit dem Ergebnis, dass aus Mücken Elefanten werden. Wenn FDP-Chef Philipp Rösler einmal in seinem Leben etwas Gescheites sagt: dass die FDP für Joachim Gauck als Bundespräsident ist, dann ist die Kanzlerin ungehalten. Schon erzählen alle Unionschristen, wie ungehalten die Kanzlerin ist. Tagelang heißt es: Missstimmung in der Koalition. Die Kanzlerin hat die Koalition infrage gestellt. Hat sie nicht. Hat sie doch. Wir haben es tagelang mit einer Mücke zu tun. Ja, können die nicht den Mund halten?

"Wir können froh sein, dass die Kuh vom Eis ist."

Sie favorisieren Gauck als Präsident.

Wir können froh sein, dass die Kuh vom Eis ist. Ich glaube allerdings, wir werden nicht so lange froh sein mit Gauck. Der ist so überzeugt davon, dass er der Welt etwas mitzuteilen hat, was sie noch nicht weiß. Die Chuzpe, die dahintersteckt, muss man erst mal haben: die Mitmenschen Mores lehren zu wollen.

Hat es Sie überrascht, dass die „Bild-Zeitung“ ihrer konservativen Haltung zum Trotz so beharrlich den Christdemokraten Christian Wulff demontierte?

Die Macher der „Bild-Zeitung“ würden ihr Handwerk nicht verstehen, wenn sie die Geschichte nicht so lange am Köcheln gehalten hätten, wie es nur geht. Weil sie sicher sein können, dass in der U-Bahn die Leute die Geschichte als Erstes lesen. Wenn ein König strauchelt, weidet sich das Volk daran. Man muss das nicht mögen. Man muss es wissen. Man darf sich nicht mit der „Bild-Zeitung“ einlassen. Wulff hat wirklich in seiner Naivität geglaubt, dass sie ihm nichts tut, weil er immer so nett zu ihr war.

Sie haben bei „Bild“ volontiert.

Meine studentischen Freunde haben mich dafür gevierteilt. Ich konnte das damals vertreten. Ich habe viel gelernt.

Journalismus war in den 60ern eine Männerdomäne. Wie haben Sie sich behauptet?

Ich dachte, wenn für die ganzen Kerle Platz ist, ist für mich auch Platz. Ich war immer sehr tatendurstig.

Spielten Sie eine Frauenrolle?

Ich war völlig neutral, ein Nachrichten-Aufsaug-Maschinchen.

Als erste Frau, die in Deutschland die „heute“-Nachrichten präsentierte, wurden Sie zum Symbol für Gleichberechtigung.

So sah ich mich nie. Ich war überrascht von der Unmenge Briefe, die ich bekam. Sie waren entweder negativ oder obszön. Männer boten an, mir „meine Weiblichkeit zurückzugeben“ – mit Angabe eines Hotels in Wiesbaden.

1972, als Sie noch die Nachrichten sprachen, machten Sie Wahlkampf für Brandt. Zwei Rollen, die sich nicht vertragen.

Natürlich nicht. Wenn die mich rausgekegelt hätten, hätte ich es nicht schlimm gefunden. Ich hatte eine Tür für Frauen aufgemacht. Meine Aufgabe war erfüllt.

Nach der Wahl wechselten Sie zum „Stern“, wo Sie über die SPD berichteten. Sie waren als erklärte Parteigängerin journalistisch nicht unabhängig.

Ich hielt mich nie für befangen, auch weil ich auf die SPD eingedroschen habe. Sie war nach der Wahl in einem beklagenswerten Zustand.

Damals soll der Referent von Brandt Sie nachts im Hotelzimmer angerufen haben. Und Guillaume bat Sie, kurz bevor er enttarnt wurde, nach Frankreich zu kommen, wo er Urlaub machte. Das klingt so, als hätten Sie doch eine Frauenrolle gespielt.

Brandt muss besoffen gewesen sein. Sonst hätte er das nicht gemacht. Es war in Israel. Im Fall von Guillaume weiß ich nicht, ob er noch andere angerufen hat. Natürlich hatte ich eine Frauenrolle. Ich war in Maßen attraktiv, eine singuläre Figur, weil sonst nur Männer da waren. Die Kerle balzten. Kerle balzen immer.

Heute arbeiten viele Frauen in den Medien. Die Führungsposten sind noch in der Hand von Männern. Woran liegt das?

Kann es sein, dass Frauen breiter fokussiert sind, sie keine Lust haben auf diese Jobs? Du hast einen Mann, Kinder, Freunde. In den Führungsjobs verbringt man 14 Stunden im Büro. Da braucht man eine Ehefrau im klassischen Sinne, die einem den Rest Privatleben organisiert. Ich habe früher immer gesagt, im nächsten Leben will ich eine Frau haben, die mir lauter Krempel vom Hals hält.

Das Gespräch führte Barbara Nolte.

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