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Georg Restle leitet und moderiert das Politmagazin „Monitor“ seit September 2012. Der Journalist führt außerdem das Investigativ-Ressort des WDR.

© WDR

Interview mit "Monitor"-Chef Georg Restle: „Politiker gehen lieber in Talkshows“

Das Polit-Magazin „Monitor“ wird 50: Magazinchef Georg Restle über Journalismus, Spindoktoren und die „heute-show“.

Herr Restle, war früher alles besser?
Bei „Monitor“? Nein. Wir sind heute zum Beispiel in der Themenauswahl politisch viel breiter und auch viel globaler aufgestellt als früher.

Aber fehlen nicht Typen wie Franz Josef Strauß, an denen man sich abarbeiten konnte?

Es geht gar nicht nur um die Typen. Das Hauptproblem ist, dass Politiker heute fast nur noch versuchen, PR-Botschaften zu platzieren, und sich nicht mehr dem gesellschaftlichen Diskurs stellen. Politiker gehen bei uns nicht mehr ins Interview, sondern lieber in eine Talkshow. Sie erweisen damit der Demokratie einen Bärendienst, weil die Gleichförmigkeit der Botschaften am Ende ermüdet und dies bei breiten Schichten der Bevölkerung zur Abkehr von Politik führt.

Kann es sein, dass sich Politiker heute mehr vor der „heute-show“ als vor „Monitor“ fürchten?

Nein, das glaube ich nicht. Die „heute-show“ betreibt keinen investigativen Journalismus, generiert keine eigenen Themen, sondern bedient sich bei uns. Wir liefern die Rohmasse. Und was wir aufdecken, spielt in der Politik dann doch eine große Rolle. Zum Beispiel der Atomdeal zwischen der hessischen Landesregierung und RWE, den wir dieses Jahr aufgedeckt haben. Das beschäftigt heute sehr intensiv einen Untersuchungsausschuss in Hessen und auch die Regierungskoalition in Berlin. Oder unser Beitrag über den alltäglichen Rassismus in deutschen Ausländerbehörden. Den hat sogar die „heute-show“ übernommen.

Täuscht der Eindruck, dass Ihr Team immer weiter fleißig aufdeckt, aber immer weniger Resonanz schafft?

Das betrifft ja nicht nur uns. „Monitor“ ist Teil einer allgemeinen Krise des Journalismus. Das hat mit der Finanzierung von Journalismus zu tun, mit neuen Seh- und Konsumgewohnheiten, aber auch mit der Veränderung der politischen Kultur. Wir erreichen immer noch eine ganze Menge, aber das wird von einer breiten Öffentlichkeit nicht mehr so wahrgenommen, weil Politik im gelebten Alltag der Menschen insgesamt eine immer geringere Rolle spielt. Dazu kommt: Durch die chronische Unterfinanzierung von unabhängigem Journalismus geht die Waffengleichheit zwischen Journalisten und den Spindoktoren aus Politik und Wirtschaft zunehmend verloren.

Der kürzlich verstorbene Klaus Bednarz hat gesagt: „Monitor“ müsse der „Anwalt derer sein, die sich sonst kaum Gehör verschaffen können. Trifft das heute noch im Internet-Zeitalter zu?

Auf jeden Fall. Wer meint, die Kakophonie des Netzes ersetzt das, wofür Journalismus steht, der täuscht sich. Es kann sich dort zwar jeder äußern, das heißt aber nicht, dass auch jeder gehört wird.

Ist „Team Wallraff“ bei RTL eine Konkurrenz für Sie?

Nein, im Gegenteil. Wenn der investigative Habitus, der bei „Team Wallraff“ zum Ausdruck gebracht wird, auch für jüngere Zuschauer wieder attraktiv wird, finden wir das gut und richtig. Aber wir wollen keine Schmuddelecken bei Burger King aufdecken. Uns geht es um ganz andere Themen.

Wie hoch ist der Altersschnitt Ihrer Zuschauer?

Wir liegen wie die ARD insgesamt bei rund 60 Jahren, aber wir schauen nicht mehr nur auf die Fernsehquoten. Allein unser Video zum Thema EU-Trinkwasserverordnung ist bei uns weit über eine Million Mal im Netz abgerufen worden, der Altersschnitt lag bei unter 35 Jahren. Das zeigt: Es gibt auch bei jungen Zuschauern eine Lust am Investigativen und an komplexen Stoffen.

Sie erreichen im Fernsehen zwischen 2,5 und gut drei Millionen Zuschauer. Ab wann wird es bedrohlich?

Ich erkenne keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die ARD oder der WDR sich von seinen politischen Magazinen verabschieden will.

Sie sind im Dezember aus der Rolle des journalistischen Beobachters herausgetreten und haben bei einer Demonstration gegen Kögida in Köln eine Rede gehalten. Welche Reaktionen haben Sie erhalten?

Fast nur positive. Schon Klaus Bednarz und Sonia Mikich haben sich gesellschaftlich eingemischt, und ich tue das auch. Ich verstehe mich nicht als neutrale Moderatorenfigur, sondern bin ein politisch denkender Kopf und bringe das auch zum Ausdruck.

Dann stimmen Sie Hanns Joachim Friedrichs nicht zu, der sagte, ein Journalist dürfe sich mit keiner Sache gemeinmachen, auch nicht mit einer guten?

Ich bin entschieden anderer Meinung. Journalisten dürfen und sollen sogar Haltungen haben – und sie auch zeigen. Wo kämen wir hin, wenn es tausende Tote im Mittelmeer gibt und wir den riesigen Flüchtlings-Skandal, der beendet werden muss, nicht als solchen benennen dürften? Was heißt denn „nicht gemeinmachen“? Heißt das, dass wir danebenstehen müssen und sagen: Schaut’s euch an?

Es geht wohl eher darum, über Themen neutral und distanziert zu berichten.

Dass wir sauber recherchieren und uns nicht vereinnahmen lassen, ist die eine Sache. Auch dass wir Distanz halten zum Gegenstand unserer Berichterstattung. Aber wir sollten auch unsere Haltung zum Ausdruck bringen, wenn wir eine haben. Letztendlich geht’s hier um ein Stück Wahrhaftigkeit.

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Am 21. Mai 1965 strahlte der WDR erstmals „Monitor“ aus. Das „zeitkritische Magazin“ beschäftigte und beschäftigt sich heute mit Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Was der erste Redaktionsleiter Claus-Hinrich Casdorff mit grimmig-bohrendem Interviewstil und fast 17 Jahre lang vorantrieb, das wurde von Nachfolger Gerd Ruge mehr ruhig und analytisch betrieben. Klaus Bednarz, „Monitor-Chef von 1983 bis 2002) holte freie Journalisten dazu, verzichtete auf jeden SchnickSchnack, wurde zur Identifikationsfigur. 2002 kam Sonia Seymour Mikich, 2012 übernahm Georg Restle. In der Quotenskala der sechs ARD-Magzine liegt „Monitor“ aktuell auf Platz fünf.

„Monitor“, ARD, Donnerstag, um 21 Uhr 45; „50 Jahre Monitor“, WDR, Donnerstag, um 22 Uhr 30

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