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Störmomente. Jessy Wellmer, 39 (l.), und Eva-Maria Lemke, 37, sind als Moderatorinnen von „Sportschau“ und „Kontraste“ die bekanntesten weiblichen RBB-Gesichter in der ARD. Nun werden sie Gastgeberinnen im Talk „Hier spricht Berlin“ (Dienstag, ARD, 23 Uhr).

© rbb/Thomas Ernst

Interview mit Eva-Maria Lemke und Jessy Wellmer: „Hätten Sie Helmut Schmidt ausgeladen?“

„Hier spricht Berlin“: Die neuen Talk-Moderatorinnen Eva-Maria Lemke und Jessy Wellmer über Rauchverbote, Ost-Biografien, Campen und Ironie.

Frau Lemke, Frau Wellmer, werden Sie eigentlich gerne interviewt?
WELLMER: Das kommt auf den an, der interviewt. Es ist sofort zu spüren, ob das Interesse ehrlich ist. Aufgesetzte Neugier törnt ab. Gespräche müssen echt sein. Sonst kann aus ihnen nichts werden.

LEMKE: Geht mir ähnlich. Am schlimmsten sind Interviewer, die vorher eine Bestellung aufgeben: „Und dann könnten sie ja in der Sendung noch diese hübsche Geschichte mit der Dosenananas erzählen!“ Dass das gar nicht so selten vorkommt, merke ich in der Sendungsvorbereitung. Ich höre in Interviews mit den Gästen, die am Dienstag zu uns kommen, oft identische Fragen und Antworten. Da wird etwas abgespult. Es entsteht nichts.

Ab 1. Oktober können Sie es besser machen. Mit welchen Ideen gehen Sie in die neue Talkshow „Hier spricht Berlin“?
LEMKE: Mit Störmomenten. Wir wollen keine komplett vorhersehbare Talkshowsituation, sondern auch mal überrascht werden und uns gegenseitig herausfordern. Es wird eine Stimme aus dem Off geben, die ab und zu eingreift und die Gäste vorstellt.

Neu ist das nicht. Friedrich Küppersbusch spricht rein bei „So! Muncu!“.
LEMKE: In der Welt der Talkshows gibt es wenig, was es zuvor noch nicht gab. Es ist auch nicht unser Anspruch, so etwas wie die erste Unterwasser-Talkshow zu machen.

Aber etwas anderes soll’s schon sein.
WELLMER: Wir sind doch ziemlich neu, als Talkmasterinnen, gerade in diesem kulturell-gesellschaftlichen Umfeld. Wobei: Ein weibliches Talk-Duo hat es ja schon gegeben.

„Herman und Tietjen“ im NDR. Zwei Frauen als Moderatorinnen einer Talkshow – ist das 2019 noch Thema?
WELLMER: Der Sender wollte uns als Person und nicht in der Rolle einer Frau. Mit der „Sportschau“ und „Kontraste“ sind wir beide zudem ja die einzigen weiblichen RBB-Gesichter im Ersten.

Sind Sie befreundet? Kannten Sie sich schon vorher gut?
LEMKE: Schon lange! Wir haben vor vielen Jahren zusammen das ZDF-„Morgenmagazin“ gemacht.

WELLMER: Eigentlich ist es ein Wunder, dass wir noch keine gemeinsamen Campingplatz-Sommer miteinander verbracht haben.

LEMKE: Tatsächlich wollten wir beide schon immer etwas zusammen machen. Auch das ist vielleicht etwas Besonderes, wo man sonst bei Talkshows eher auf Antipole achtet. Herman und Tietjen waren sich nicht immer hundertprozentig grün.

In der ersten Ausgabe von „Hier spricht Berlin“ ist Petra Schmidt-Schaller zu Gast, die am Tag drauf im ARD-Drama zu sehen sein wird. Ganz ohne Talkshow-übliche Werbung für Gästeprojekte geht es nicht.
LEMKE: Natürlich streifen wir den Film, aber Petra Schmidt-Schaller hat eine sehr interessante Familiengeschichte, die unseren beiden Geschichten nicht ganz unähnlich ist. Wir gehören der gleichen Generation an, wir haben alle drei eine Ost-Kindheit.

WELLMER: Auch bei Günther Jauch, Sido oder Else Buschheuer haben wir nach Leuten geguckt, die zu 30 Jahren Mauerfall etwas Interessantes beitragen können.

Es gibt, anders als zum Beispiel im „Kölner Treff“, ein übergreifendes Thema?
WELLMER: Ja. Natürlich wollen wir über die Nacht des Mauerfalls reden. Wir wollen aber auch über wichtige Momente im Leben unserer Gäste und über Umbrüche in deren Leben sprechen, die nichts mit der friedlichen Revolution in der DDR zu tun haben.

Was ist, wenn dabei ein Gast seine Zigarettenpackung rausholt und sich eine ansteckt? Das sollte ja bei Ihnen zunächst möglich sein. Nun gab es am Donnerstag ein Rauchverbot nach einer Abmahnung von Pro Rauchfrei.
LEMKE: Ich war überrascht, dass die Ankündigung mit der Raucherlaubnis vorher so eine Aufregung verursacht hatte.

WELLMER: Wir wollten damit auch keinen Nichtraucher zum Raucher machen. Hätten Sie Helmut Schmidt ausgeladen, weil er im Studio geraucht hat?

Eher nicht.
LEMKE: Allerdings: Wir haben dazu mittlerweile eine ganz eindeutige Haltung eingenommen – mehr dazu verraten wir in der ersten Sendung.

WELLMER: Fakt ist: Wir wollen die Leute so wahr wie möglich erleben.

Wird es eine besondere Berliner Talkbrille geben?
LEMKE: Was Berlin und die Menschen in der Stadt ausmacht, egal ob nun Wahl-Berliner oder hier Geborene, ist ja, dass man sich nicht ganz so leicht beeindrucken lässt, auch nicht von einer bestimmten Prominenz. Wir laufen nicht rot an, wenn wir über Sex und Drogen reden.

Es wurde ja schon mehrmals probiert, dem SFB/RBB eine Talkshow zu verpassen – erfolglos. Ist der Erwartungsdruck mit Ihnen jetzt nicht sehr groß?
WELLMER: Die haben halt sehr lange auf uns gewartet.

LEMKE: Das wäre sehr erdrückend, wenn wir uns nur in dieser Reihe sehen würden. Da lastet ja kein Fluch auf dem Sender. Ich bin da furchtlos. Das Einzige, was mich tatsächlich einschüchtert, ist der Sendeplatz am Dienstagabend im Ersten – ein schwieriger Platz.

Gegen Markus Lanz im ZDF.
LEMKE: Genau.

WELLMER: Im Oktober gibt es eh erst mal eine Testphase. Danach wird geschaut, wie das funktioniert mit den Talks im Ersten.

Vielleicht ist die Erwartung an einen Berlin-Talk aber eben doch eine andere. Jauch, Sido, Schmidt-Schaller, Quasthoff, Buschheuer: Das sind die Gäste Ihrer Premierensendung, Kulturbetrieb. Ist das die Blaupause für die weiteren Sendungen, oder wird es noch politischer?
LEMKE: Es kann sich schon mal der eine oder andere Politiker zu uns verirren, aber „Hier spricht Berlin“ ist eindeutig nicht tagesaktuell.

In Berlin gibt es das Kanzleramt, die großen Parteizentralen, den Bundestag, da kann doch mehr kommen.
WELLMER: Der Markt für Polit-Talkshows ist voll. Auf diesem Dienstags-Sendeplatz wechseln wir uns mit drei stark unterhaltsam gefärbten Talkshows ab. Da bringt es nichts, aus der Reihe zu gehen.

Apropos aus der Reihe. Frau Wellmer, Sie sagten im Zusammenhang mit Ihrem Job im „Mittagsmagazin“, es bräuchte Chuzpe für gute Gespräche. Wir empfinden Sie eigentlich so gar nicht als unverfroren, dreist oder auch mal unverschämt ...
WELLMER: Das ist superinteressant. Wie sehen uns eigentlich die Leute? Sie sehen uns beide eher zurückhaltend?

Verglichen mit einer Barbara Schöneberger, ja.
LEMKE: Na ja, wir kriegen in diesem neuen Talk ja schon auch neue Gesprächssituationen, verglichen mit dem, was wir sonst vor der Kamera machen, „Kontraste“, „Abendschau“ oder „Sportschau“. Da lernen Sie an uns vielleicht noch andere Seiten kennen.

Störmomente.
WELLMER: Ja. Sicher ist: Wir wollen niemanden beleidigen oder outen. Wir gehen mit Berliner Schnauze auf die Leute zu, auch mit Ironie. Viele sagen ja, Ironie funktioniert im Fernsehen nicht. Wir wollen das Gegenteil beweisen.

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