zum Hauptinhalt
Enger Kontakt zur Bundesregierung. Peter Limbourg, Intendant der Deutschen Welle, beim Festakt zum 65. Bestehen des Senders mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© picture alliance / Bernd von Jut

Interview mit DW-Intendant Peter Limbourg: „Wir reagieren sehr schnell auf Missstände“

Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg über #MeToo, besorgte Politiker und protestierende Botschafter.

Herr Limbourg, in einem aktuellen Beitrag der "Zeit" wird der Fall des Moderators Yosri F. geschildert, von dem sich die Deutsche Welle nach Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs getrennt hat. Yosri F. wehrt sich dagegen vor Gericht. Die DW-Geschäftsleitung stuft die "vorgebrachten Anschuldigungen als glaubwürdig" ein. Wird das auch die Haltung sein, sollte der Fall tatsächlich vor Gericht kommen?
Ich bitte um Verständnis, dass wir zu Einzelfällen aus juristischen Gründen keine Stellung nehmen. Ich verstehe das Interesse, aber hier gibt es diverse Persönlichkeitsrechte zu beachten.

Die #MeToo-Debatte im Sender scheint keineswegs beendet zu sein. Wird sie offen und transparent geführt?
Wir haben diese Debatte ja vor über einem Jahr bei der DW selbst angestoßen. Uns war und ist klar, dass dies nicht von heute auf morgen beendet sein wird. Wir führen diese Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr offen. Unsere Verwaltungsdirektorin Barbara Massing und ich haben in über 35 Diskussionen in den einzelnen Abteilungen unseren Standpunkt der „Null-Toleranz" klargemacht. Wir haben aber auch in das Unternehmen hineingehört und da wo wir Missstände gesehen haben, haben wir sehr schnell reagiert.

Hört man in die Deutsche Welle hinein, so ist Wertschätzung in mancher Abteilung mehr eine Absicht als tägliche Praxis. Sind die Führungskräfte wirklich um eine Verbesserung des Klimas bemüht?
Wir sind ein großes Haus mit sehr unterschiedlichen Kulturen, 30 Sprachredaktionen, vielen Ressorts und Abteilungen. Menschen aus über 60 Ländern arbeiten bei uns. Der Maßstab, den wir für die Frage des respektvollen und wertschätzenden Umgangs miteinander ansetzen, entspricht den Wertungen unseres Grundgesetzes. Wenn es im Einzelfall unterschiedliche Wahrnehmungen vom Miteinander gibt, muss man diese klären. Wir sind diese Fragen schon seit längerem aktiv angegangen. Wir führen einen intensiven Dialog mit den Führungskräften, schulen sie. Im vergangenen Jahr haben wir mit einem intensiven Feedbackprozess begonnen. Bei uns können jetzt Mitarbeiter ihre Vorgesetzten bewerten. Die überwältigende Mehrheit unserer Führungskräfte macht übrigens ihren Job hervorragend. Sie brennen für den Erfolg der DW und behandeln die Kollegen respektvoll und wertschätzend. In den Einzelfällen in denen das nicht so ist, haben wir nachgesteuert und werden das auch in Zukunft tun.

Wir bestimmen nicht den Etat - aber die Inhalte

Die Deutsche Welle wird aus Steuergeldern finanziert. Über den Etat entscheidet die Bundespolitik. Sind Sie wirklich frei und unabhängig?
Ja, wir sind vollkommen frei. Der Umfang unserer Tätigkeit hängt von der Mittelzuweisung aus dem Bundeshaushalt ab, der Inhalt nicht. Selbst wenn Bundestag und Bundesregierung auf die abwegige Idee kämen, uns wieder Gelder zu entziehen, müssten wir auf bestimmte Dinge verzichten, aber den Kern unserer Tätigkeit würden wir fortsetzen.

Die Bundesregierung befürwortete Ihre Pläne mit dem türkischsprachigen Programm, schrieb aber in einer Stellungnahme, die Umsetzung müsse mit ihr wegen der außenpolitischen Dimensionen „in enger Abstimmung“ geschehen. Schrillten da bei Ihnen nicht auch die Alarmglocken?

„In enger Abstimmung“ heißt für mich: Ich informiere darüber, was wir tun. Wir haben mittlerweile gemeinsam mit der BBC, France24 und Voice of America den türkischsprachigen Youtube-Channel +90 erfolgreich gestartet – mit mittlerweile über hunderttausend Abonnenten. Es gab vorher sicherlich warnende Stimmen im Dunstkreis der Bundesregierung, die gesagt haben: Oh, das wird bestimmt Ärger geben. Da haben wir geantwortet: Ja, das wird wahrscheinlich Ärger geben, aber das ist es uns wert. Man muss auch mal den Nacken gerade machen.

Die Deutsche Welle hat großen Rückhalt in der Politik, der Etat des Auslandssenders wurde in den vergangenen fünf Jahren sukzessive erhöht. Liegt das womöglich auch daran, dass Ihre Programme im Inland nicht so sehr im Fokus sind?
Jeder, der möchte, kann uns im Netz wahrnehmen. Unsere Programme sind frei empfangbar. Und wer sich rund um die Uhr gut informieren möchte, ist bei unserem englischen Nachrichten- und Informationskanal gut aufgehoben. Wir konnten viele Politiker aus den unterschiedlichsten Parteien überzeugen. Außerdem bekommt die Politik ja auch Feedback aus anderen Ländern. Vielen Politikern ist erst in den vergangenen Jahren bewusst geworden, welch hohes Ansehen wir in Teilen Afrikas, der arabischen Welt und Lateinamerikas haben und welch großes Vertrauen wir etwa im Westbalkan genießen. Natürlich gibt es auch immer wieder Ärger. Sie können nicht für Presse- und Meinungsfreiheit eintreten und sich über Gegenwind wundern.

Ist es schon passiert, dass Politiker in Berlin darum gebeten haben, in bestimmten Programmen mal ein bisschen auf die Bremse zu treten?
Nein, definitiv nicht. Ich würde das Gespräch auch schnell beenden. Man diskutiert über die Ausrichtung der Welle, das ist völlig legitim, so steht es ja auch im Gesetz. Deswegen müssen wir unsere Ziele in der Aufgabenplanung offen legen. Wir besprechen unsere Vorhaben auch mit den Mitgliedern unseres Rundfunkrats und des Verwaltungsrats. Das ist ein üblicher Diskurs, wie er bei allen öffentlich-rechtlichen Medien stattfindet. Aber wir müssen uns von der Politik nichts absegnen lassen und wollen das auch nicht. Wir sind ein unabhängiges Medienhaus und sind nicht der verlängerte Arm des Außenministeriums. Unsere Unabhängigkeit wird Gott sei dank auch von niemandem in Frage gestellt. Es mag vielleicht ein oder zwei Menschen geben, die sagen: Wäre doch toll, wenn Deutschland auch so etwas hätte wie Russia Today. Davor kann ich nur warnen. Dann wäre es ganz schnell vorbei mit der Glaubwürdigkeit.

Botschafter beschweren sich

Und wie häufig rufen ausländische Politiker an?
Der eine oder andere Botschafter beschwert sich schon mal, aber ich würde ungern Länder nennen. Manchmal muss man auch einen handwerklichen Fehler eingestehen. Wir versuchen immer korrekt zu berichten, sind aber bei einer Vielzahl von Programmen in 30 Sprachen auf verschiedenen Ausspielwegen auch nicht völlig fehlerfrei. Dann entschuldigen wir uns und stellen es richtig.

Wie können Sie sicherstellen, dass die Partner, mit denen Sie im Ausland zusammenarbeiten, auch die Werte teilen, für die die DW stehen soll?
Wir haben einen starken Vertrieb, der schon seit Jahrzehnten dafür sorgt, dass unsere Sendungen, das gesamte Programm oder einzelne Magazine, von Partnern übernommen werden. Das ist Teil unseres Geschäftsmodells. Dieser Vertrieb hat eine extrem hohe Regional-Expertise, und wir arbeiten natürlich nicht mit Sendern von Despoten oder üblen Oligarchen zusammen. Da lassen wir schön die Finger von. Manchmal kippt ein Sender in populistische oder undemokratische Extreme. Dann beendet man die Zusammenarbeit, aber es ist kein großes Problem.

Wie gefährdet sind die Journalistinnen und Journalisten der DW?
Die weltweite Entwicklung der Meinungs- und Pressefreiheit ist besorgniserregend. Wir haben ein professionelles Sicherheitsmanagement aufgebaut, unsere Korrespondenten werden eng betreut. Außerdem sind wir im Ernstfall extrem dankbar für die Unterstützung der deutschen Botschaften. Die Mitarbeiter der DW Akademie sind oft an besonders gefährlichen Orten unterwegs, weil sie viele Schulungen und Projekte abseits der Hauptstädte durchführen. Wir tun alles, was möglich ist, aber am Ende des Tages muss man sagen: Journalismus ist ein riskanter Job, und er ist noch riskanter für die freiberuflichen Kollegen vor Ort, die keine deutschen Staatsbürger sind. Ohne diese freien, lokalen Kräfte weltweit könnten wir unseren Auftrag nicht erfüllen. Aber es gibt auch erfreuliche Beispiele, Äthiopien etwa oder Usbekistan. In beiden Ländern hat sich, was die Presse- und Meinungsfreiheit angeht, unheimlich viel getan. Man darf nicht immer nur verkünden: Es wird alles ganz schrecklich. Wir dürfen niemals aufgeben. Eines Tages wird die DW auch im Iran und in China frei empfangbar sein. Es ist noch ein sehr langer Weg, ein dickes Brett, das zu bohren ist – aber es macht ja auch viel Spaß.

Das Interview führten Thomas Gehringer und Joachim Huber.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false