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Interview: „Das ist Gefühlsduselei“

Schauspieler Devid Striesow über das Privatleben der „Tatort“-Kommissare, seine neue Rolle als Ermittler im Ersten, Menschen auf der Straße und Ehrgeiz.

Herr Striesow, im April stehen Sie noch als Assistent von Bella Block fürs ZDF vor der Kamera, im Juni dann als „Tatort“-Kommissar für die ARD. Können Sie beide Rollen parallel spielen?

Nein, denn dass ein und dieselbe Person sowohl im Ersten als auch im Zweiten einen Kriminalermittler gibt, geht nicht. Sonst weiß der Zuschauer gar nicht mehr, wo er ist. Deshalb wird das jetzt für mich leider die letzte Folge als Jan Martensen in „Bella Block“ sein.

Sie lösen als Kommissar im Saarland Maximilian Brückner und Gregor Weber alias Kappl und Deininger ab, an Ihrer Seite wird dafür Elisabeth Brück ermitteln. Warum wechseln Sie zum „Tatort“?

Der „Tatort“ ist ein Format, das nach 40 Jahren sicher nicht neu zu erfinden ist. Aber gerade das reizt mich. In einem bestehenden Format eine neue Figur zu entwickeln, finde ich spannend und diese Figur wird der Kommissar Jens Stellbrink sein.

Was ist dieser Stellbrink für ein Typ?

Er soll nicht alles so bierernst nehmen, ein humorvoller und emphatischer Kommissar sein, auch eher sportlich.

Das hört sich ja nach einem Traummann an.

Das sieht seine Ex-Frau anders. Stellbrink wird aus dem Norden in das Kommissariat nach Saarbrücken versetzt, er hat sich von seiner Freu getrennt, mit der er einen 14-jährigen Sohn hat. Über den Sohn wird zwar gesprochen, aber er taucht nicht auf, denn das Privatleben des Kommissars soll kaum eine Rolle spielen. Nur in bestimmten Situationen soll es aufblitzen, um Stellbrinks Reaktionen wie seine Lakonie oder seinen Sarkasmus verständlich zu machen.

Nimmt das Privatleben bei den anderem „Tatort“-Kommissaren zu viel Raum ein?

Ich muss Ihnen sagen …

… Sie gucken keinen Tatort?

Doch, aber ich bin so involviert, dass ich selten um 20 Uhr 15 vorm Fernseher sitze, gar nicht sitzen kann. Wenn, dann gucke ich mir Wiederholungen an oder lass mir DVDs schicken.

Und dann stört Sie beim Zuschauern all das Drumherum beim „Tatort“?

Mich interessiert das Privatleben der Kommissare eher weniger. Viel spannender finde ich das Zwischeneinander der Figuren, wenn ein Fall zum Beispiel über die Dienstzeit hinausgeht. Man trifft sich noch in der Kneipe, bespricht sich und daraus entsteht ein Kater für den nächsten Tag. Ein Privatleben ist also insofern gut, dass es ein Leben nach dem Dienst gibt, aber nicht in Verbindung mit Familie oder so. Ein Kommissar, der den Müll rausbringt, ist für mich nicht so von Interesse.

Soll Ihr Stellbrink auch deshalb humorvoll sein, weil es im „Tatort“ zu viele betroffene Gesichter gibt?

Was ich einfach nicht möchte, ist diese Anteilnahme, die den professionellen Charakter aus den Figuren rausnimmt. So eine falsch verstandene Gefühlsduselei. Hannelore Hoger ist als Bella Block beispielsweise in den Fall involviert, ohne jede zweite Minute eine Träne rauszudrücken. Das finde ich toll. Und Humor ist eine Eigenschaft, die meine Person ausmacht und die ich als Jens Stellbrink nicht ausblenden will. Das ist ein sehr norddeutscher Humor, mal gucken, ob die Saarländer damit was anfangen können.

Wird viel Striesow in Stellbrink stecken?

Es ist der Anspruch meines Berufs, sich in der Rolle zu verändern, aber man verschwindet darin nie ganz, sondern es steckt immer ein Anteil von sich selbst darin. Allerdings sammle ich Eindrücke von Menschen, die mich interessieren. Die lasse ich dann in die Rolle einfließen.

Wo sammeln Sie diese Eindrücke?

Auf der Straße, überall. Man kann den Leuten die Biografien teilweise aus dem Gesicht ablesen. Das finde ich toll.

Dann kann an Ihrem Gesicht abgelesen werden, dass Sie auf Rügen geboren wurden, Goldschmied werden wollten und heute Schauspieler sind?

Das müssen Sie sagen.

Ich sehe Bart und blonde Haare. Damit war übrigens auch Ihr Vorgänger Maximilian Brückner ausgestattet, der, wie sein Kollege Gregor Weber, überraschend vom Saarländischen Rundfunk als „Tatort“-Ermittler abgesetzt wurde. Haben Sie Angst, dass Ihnen das auch passieren könnte?

Wenn ich ein Vertragsverhältnis eingehe, hat das eine gewisse Laufzeit. Und wenn ich weiß, dass der Vertrag ausläuft, rechne ich automatisch damit, dass er nicht verlängert wird.

Und wie lang ist Ihr Vertrag mit dem SR?

Wir haben uns so vereinbart, dass die neue Figur genug Zeit bekommt und wir miteinander sehen, wie es läuft. Wir drehen ab Juli die ersten zwei Folgen. Und Anfang 2013 gibt es die erste Ausstrahlung.

Ihr Vertrag geht also über ein Jahr?

Nein, länger. Aber das ist gar nicht der Punkt. Bisher läuft alles gut und ich habe keinen Anlass zu denken, dass wir nicht länger zusammenarbeiten sollten. Ich möchte natürlich, dass meine Figur eine feste Größe wird. Allerdings habe ich jetzt auch nicht den Ehrgeiz, den „Tatort“ über Jahrzehnte machen zu wollen oder zu denken: „Jetzt bin ich ,Tatort’-Kommissar, jetzt kann mir nichts mehr passieren.“ So zu denken geht nicht. Das geht in keinem Job und in keiner Rolle.

Ursprünglich hatte Devid Striesow, der 1973 auf Rügen geboren wurde und in Rostock aufgewachsen ist, Goldschmied werden wollen, entschied sich dann aber doch für eine Ausbildung zum Schauspieler an der Ernst-Busch-Schule in Berlin – und gewann seither zahlreiche Preise. Unter anderem wurde er dreimal mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet: für „Lichter“, „Die Fälscher“ und „So glücklich war ich noch nie“. Zuletzt war er im Kino an der Seite von Sophie Rois in „Drei“ zu sehen. Striesow lebt in Berlin und hat zwei Söhne. sop

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