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Wer Hass verbreitet im Netz, der darf nicht anonym bleiben.

© imago images / epd

Internetregulierungsgesetz der EU: Pflicht zu Klarnamen im Netz – Wer hasst mich?

Der Digital Services Act verzichtet auf die Pflicht zur Nennung von Klarnamen – die Opfer von Hass und Hetze können nicht darauf verzichten. Ein Kommentar.

Erinnern Sie sich? 1987, Volkszählung in Deutschland. Riesenaufregung, Widerstand bis hin zum organisierten Boykott. Jetzt, 2022, läuft wieder eine Volkszählung, dieses Mal Zensus genannt. Kein lauter Protest nirgendwo. Der Umgang mit Daten hat sich stark verändert. Nahezu jeder und jede verstreut permanent seine Persönlichkeit im Netz. Online-Leben erfordert den Online-Bürger.

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Bei einer Frage aber wird’s katholisch, bei der Klarnamenpflicht. Medienanwalt Christian Schertz weist im epd-Interview daraufhin, dass die EU beim Digital Services Act durch den Verzicht auf eine solche Pflicht zum Realnamen eine Chance verpasst habe. Angesichts großer Initiativen von Netzaktivisten, die sich immer wieder dagegen aussprechen, wolle man sich vielleicht „nicht der Kritik im Netz aussetzen“. Zwar sehe er, dass eine Klarnamenpflicht in autoritären Regimen die Verfolgung von Kritikern erleichtere, „aber da gibt es andere Möglichkeiten für Whistleblower, unerkannt Themen zu setzen.“

Wer profitiert vom Verzicht?

Und es gilt abzuwägen, wer von dem fortgesetzten Verzicht auf die Klarnamenpflicht vor allem profitiert. Die Hater, die Verleumder, die Hetzer, die Propagandisten von Fake News und rechtsextremer Gewalt verstecken sich im Nebel der Anonymität. Wer je wissen wollte, was die Erregung und die Tendenz zur Verunglimpfung und Beleidigung in der Gesellschaft vorantreibt, der findet hier Nachweis und Argument.

Das Nein zur Klarnamenpflicht stellt die Opfer bloß und schützt die Täter. Der Persönlichkeitsschutz im Netz weist in die verkehrte Richtung.

Die aktuelle Situation ist ja absurd. Kaum ein Auftritt, kaum eine politische Rede, in der nicht Klage geführt wird über die ausgeuferte Verrohung im Miteinander, das zum aggressiven Gegeneinander mutiert ist.

Opferschutz ist wichtiger

Und dann wird im Digital Services Act auf die Pflicht zur Nennung des Realnamens im Netz verzichtet. Schon klar, beileibe nicht alle, die anonym anschwärzen oder bedrohen, werden sich abschrecken lassen, wenn ihr Name bekannt wird. Aber nicht auf die Täter, auf die Opfer kommt es an. Sie müssen sich wehren können.

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