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Gute Laune, schlechte Laune. Trixie Kuntze (Alwara Höfels, rechts) und ihre Kinder Murat (Julius Gabriel Göze, links), Afia (Latisha Kohrs, 2. v. l.) und Sean (Lior Kudrjawizki, 2. v. r.) können Olaf Hintz (Dieter Hallervorden) nicht wirklich aufheitern. Foto: ZDF

© ZDF und Conny Klein

Hartz IV trifft Bürgertum: Humor für Hintz und Kuntze

„Mein Freund, das Ekel“: Dieter Hallervorden geht beim ZDF in Serie.

Die Welt deutscher Brennpunktkomödien ist oft von bestechender Schlichtheit. Mit ein wenig bürgerlicher Zuwendung werden Arbeitslose darin werktätig und Einsiedler umgänglich, Migranten integriert, überhaupt Sozialfälle am eigenen Haar aus dem Morast gezogen. Zum Beispiel Trixie Kuntze: Als die alleinerziehende Analphabetin mit drei Kindern dreier Väter bei Olaf Hintz einzieht, um den Studienrat a. D. zu versorgen, dauert es nur 88 Minuten, bis die ungelernte Haushaltshilfe zur lernbegierigen Gefährtin des gelehrten Rollstuhlfahrers aufsteigt.

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Vor zwei Jahren war die ZDF-Komödie „Mein Freund, das Ekel“ zwar drei Regalkilometer Hartz-IV-Anträge von einer Realität entfernt, in der Armut und Reichtum fast unwiderruflich vererbt werden. Zugleich aber war sie mit acht Millionen Zuschauern so erfolgreich, dass ein Seriensequel nahezu unvermeidlich wirkte. Et voilà: Das Zweite setzt seine Aschenputtel-Variante unter neuen Vorzeichen mit altem Personal fort.

[„Mein Freund, das Ekel“, ZDF-Mediathek, ZDF, 30. September, 20 Uhr 15]

Nachdem die schlichte, aber herzliche Mutter ihr Schicksal ebenso wie das des klugen, aber grantigen Pensionärs zum Guten gewendet hatte, steht zu Beginn des Sechsteilers Ungemach vor der Tür: Früher als gedacht zieht Olafs Schwester Elfie (Ursula Monn) zurück in die gemeinsame Altbauwohnung. Sie hat ihre Weltreisebekanntschaft Waldemar (Horst Günther Marx) dabei, weshalb Trixie das Charlottengroßbürgertum mit Kind und Kegel wieder Richtung Ghetto verlässt, 17. Stock, Fahrstuhl kaputt, alles im Eimer.

So scheint es. Denn während Franziska An der Gassens Modernisierung von Johanna Spyris Waisenkindermärchen im Wedding zu enden droht, zündet Fräulein Rottenmeier 2.0 (Hintz) sein riesiges Altbauappartement an und steht am Ende der ersten Folge bei Heidi 2.0 (Kuntze) vor der winzigen Plattenbaubude. Und vom beengten Asyl aus kämpft das Quintett fortan fünfmal 45 Minuten um die Rückkehr ins traute Heim, Glück allein. Happy End im Rahmen der Aussicht auf weitere Fortsetzungen garantiert.

Holzschnittkabinett

Dabei bietet dieses Holzschnittkabinett nicht nur ein dubioses Aufstiegsversprechen, das Trixies Sohn Murat (Julius Gabriel Göze) umstandslos vom Schulverweigerer zum Klaviervirtuosen macht und wie so oft ein humoristischer Schlag ins Gesicht echter Wohlstandsverlierer ist; schon die Namen sind wandelnde Klischees. Hintz & Kuntze? Witzig! Waldemar? Prust! Jacqueline Mangels? Ah, Unterschicht! Imbiss-Inge? Gloobste nich!

Und auch sonst sind sämtliche Figuren vor allem auf Wirkung gepolt. Allen voran das titelgebende Ekel, dem Didi Hallervorden gern Grimassen der Nonstop-Nonsens-Epoche zwischen Pepitahut und Fliege tackert, während er aller Welt die Genitive korrigiert. Oder Elfies Lover, ein Späthippie aus dem Humorbastelset für Mario-Barth-Fans, der ständig Plattitüden wie „Wo Pläne enden, fängt das Leben an“ abfeuert und – logo – Jutebeutel trägt. Auch Hochhausmeister Nowak (Thorsten Merten) nebst Sohn namens, tihi, Dustin (Fritz Röhl) hat sich Chefautor Daniel Scotti-Rosin offenbar hackevoll am Rosenmontag ausgedacht.

Humor ohne Brechstange

Bei all den Stanzen kann die versierte Klassengesellschaftsdarstellerin Alwara Höfels noch so organisch um Authentizität ihrer Trixie ringen: Sobald Riad Abdel-Nabis seine Serienmusik über erwartbare Wendungen tröpfelt, klingt „Mein Freund, das Ekel“ nach Schmunzelkrimi im Ersten. Da ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Tarantel aus Jacquelines Terrarium flieht und der Verkäufer in „Maik’s 1-Euro-Shop“ Olafs Apostroph-Lektion mit „wir hatten mal welche im Angebot“ kommentiert. Immerhin, es gibt auch lichte Momente: Wenn Hallervordens Blockwart-Blick wortlos die Gegend kontrolliert und Hauswart Nowak von Morricone-Musik begleitet zum Rollstuhlrennen vs. Sitzmäher bittet, nutzen selbst diese Ulknudeln Humor ohne verbale Brechstangen.

Dummerweise nur dann, wenn niemand außer der fabelhaften Frau Höfels redet. „Auf’m Dach ist bestimmt cool“, sagt ihr Jüngster Sean, als Trixie die schöne Aussicht im Plattenbau lobt. „Ja“, antwortet sie, „nee. Also, det hamse zujemacht wegen, weil, is’ ejal.“ Timing, Betonung, Gestik – alles perfekt. Der Rest? Bliebe manchmal besser Schweigen.

Jan Freitag

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