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Hat der Hartz-IV-Debatte eine neue Richtung gegeben: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller.

© WDR/Dirk Borm

"Hart aber fair": Auf der Suche nach dem Sinn von Hartz IV

Das Arbeitslosengeld II reicht zum Überleben. Viele kommen sogar gut zurecht. Aber gibt es bessere Lösungen? Bei "Hart aber fair" diskutierten die Gäste auch einen Vorstoß aus Berlin.

Wann ist ein Mensch arm? Wenn er hungert - oder wenn wegen Hartz IV von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen ist? Darüber ließ Frank Plasberg seine Gäste bei "Hart aber fair" diskutieren.

Erkenntnis des Abends: Hartz IV reicht monetär zum Überleben. Die meisten kommen mit dem Geld zurecht. Die ehemalige Hartz-IV-Bezieherin Nadine Arens konnte sogar einmal im Jahr Urlaub in Österreich machen - auch dank Bahn-Sparpreisen. Trotzdem, so die fast einhellige Meinung der Runde: Hartz IV ermöglicht zwar das Nötigste, schließt Menschen aber aus der Gesellschaft aus.

Anderer Meinung war der CDU-Abgeordnete Alexander Krauß, der betonte, wie viele Vergünstigungen es für Hartz IV-Bezieher gebe. Sie kommen mit Ermäßigungen günstiger in den Zoo und in Museen; in viele Bibliotheken sogar umsonst. Für viele dieser Rabatte, ebenso wie für Zuschüsse für Klassenfahrten der Kinder, muss sich der oder die Betreffende aber offenbaren - und oft zig Formulare ausfüllen. Viele Hartz-IV-Empfänger lassen das gleich bleiben: weil sie sich schämen - oder weil der bürokratische Aufwand zu hoch ist.

Sandra Schlensog berichtete Ähnliches: Hartz IV reiche zum Leben, aber schon die Klassenfahrt für ihren zehnjährigen Sohn werde zum finanziellen Problem. Schlensog hatte eine Petition gegen den neuen CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn gestartet, weil er behauptet hatte, dass Hartz-IV-Empfänger nicht arm seien. Ihre Forderung: Spahn solle einen Monat von Hartz IV leben. Bis heute haben mehr als 166.000 Menschen unterschrieben. "In Hartz IV kann sich keiner ausruhen", sagte sie. Auch deshalb versucht sie, so schnell wie möglich einen neuen Job zu finden.

Der ebenfalls geladene Ökonom Hans-Werner Sinn berichtete aus seiner Kindheit, als das Geld "hinten und vorne" nicht gereicht hätte - obwohl beide Eltern berufstätig waren. Sina Trinkwalder, die ein soziales Textilunternehmen betreibt, das auch ehemalige Arbeitslose beschäftigt, war es wichtig, nicht nur "über den monetären Aspekt" zu sprechen. Auch da waren sich alle einig: Das Ziel von Hartz IV müsse es sein, Arbeitslosen wieder einen Job zu vermitteln und sie zur Arbeit zu animieren.

Michael Müller: Gemeinschaftsgefühl vermitteln

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, sieht dafür zumindest in der Hauptstadt großen Bedarf: "In meiner Stadt gibt es 800 Schulen - und viele Bereiche, in denen man Lehrer entlasten könnte." Müller denkt dabei vor allem an Jobs für Hausmeister, Pausenaufsichten, Hilfen bei der Essensausgabe - nicht wirklich top bezahlt, aber Arbeiten, die Sinn stiften und vielleicht wieder so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl und Lebensfreude vermitteln. Sollte der Lohn nicht reichen, könnte der Staat immer noch etwas zuschießen - oder sogar ein bedingungsloses Grundeinkommen ermöglichen.

Auch Hans-Werner Sinn war der Meinung, dass ein "doppelter Sozialstaat" helfen würde: Der Staat sollte zuzahlen, solange eine Person trotz Arbeit zu wenig auf dem Konto hat. Aber: Es muss und soll auch möglich sein, Arbeit zu finden. Für jeden in der Gesellschaft.

Die Anreize müssen in der Tat besser werden: Plasberg ließ in seiner Sendung vorrechnen, dass ein Ehepaar mit zwei Kinder Anspruch auf 2047 Euro Hartz-IV-Bezüge habe. Für viele Geringverdiener - also Menschen, die wenig verdienen, nicht mit Hartz IV aufstocken und denen niemand die Miete bezahlt - eine durchaus interessante bis verlockende Vorstellung. Doch schon da beginnt das nächste Problem: Wie bekommt man Arbeitgeber dazu, dass sie so anständige Löhne zahlen, dass ein passables Leben - samt gesellschaftlicher Teilhabe - möglich ist? Vielleicht sogar, ohne dass der Staat die niedrigen Gehälter bezuschusst? Diese Antwort blieb die Runde schuldig.

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