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Medien: „Harry, hol schon mal den Schlitten“

Ein Trickfilm persifliert „Derrick“ – und Horst Tappert spricht sein Alter Ego

Sagt der eine (eher devot): „Du, Stephan, ich glaub, da stimmt was nicht.“ Sagt der andere (eher dominant): „Harry, ich hab da eine Idee.“ So haben Stephan Derrick und Harry Klein von der Münchner Mordkommission aus der Ettstraße gesprochen, und jetzt hört man diese Dialoge wieder. In den Münchner Bavaria-Musikstudios wird derzeit der Animationslangfilm „Derrick – Die Pflicht ruft“ synchronisiert – und zwar von den „Derrick“-Protagonisten Horst Tappert und Fritz Wepper selbst. Mit anderen Stimmen hätte es auch erst gar nicht funktioniert.

Das sei nun seine endgültig letzte Arbeit, sagt Horst Tappert, der den Derrick einfach nicht loswird. Dieses Jahr im Mai wurde Tappert 80. Von 1974 bis 1998 spielte er 281 „Derrick“-Folgen und danach nur noch zwei Rollen für das ZDF, im Erfolgsfilm „Der Kardinal“ (2000) und im Flop „Herz ohne Krone“ (2003).

„Derrick“, ein Mythos: der Münchner Oberinspektor, Deutschlands Hauspsychologe, ein braver Biedermann, dessen Fälle durchaus ein gesellschaftliches Kaleidoskop abgeben. Eine moralische Instanz, eine Leitfigur – weltweit in 102 Länder verkauft. In Italien, wo Tappert auch die meisten Auszeichnungen erhielt, da ist „Derrick“ eine Art Volksheld, da ist er der Inbegriff des korrekt-anständigen Deutschen. Und der karikiert sich nun selbst, lacht über sich: „Es ist ja eine Persiflage. Und das erklärt sich daraus, dass ich das 25 Jahre lang sehr seriös gemacht habe. Und nun ist es wie ein Befreiungsschlag, es fällt eine Belastung von einem weg. Jetzt wollen wir uns mal selbst auf den Arm nehmen, wollen uns mal überhöhen. Ich habe bei ,Derrick’ ja immer mich selbst gespielt, und jetzt kann ich mich mal selbst auf die Schippe nehmen“, sagt Tappert.

Man glaubt ihm das, wie er das so sagt, wenn er mit diesem typischen „Derrick“- Blick im Studio im Münchner Stadtviertel Haidhausen sitzt, mit Baseballkappe und Jacket, leicht vornüber gebeugt. Auch, wenn er darüber redet, dass das Besondere der Serie vielleicht war, dass man nichts Besonderes habe sein wollen.

Und jetzt also die animierte Persiflage, in der Derrick natürlich mit getönter übergroßer Brille, Toupet und langem Mantel ausgestattet ist, aber in eine ganz andere, fremde Welt eintaucht, in die Glitter- und Glamour-Welt, in die nationale Vorausscheidung des European Song Contest. Dort treibt ein Killer sein Unwesen, ermordet die Konkurrenten. „Du, Stephan, da stimmt was nicht…“

Eine Welt, in der der uns bekannte Derrick wie ein Fremdkörper wirkt. Passt das denn? „Na ja, ,Mord ist Mord’, würde Derrick jetzt sagen“, sagt jetzt Tappert augenzwinkernd. Und: „Da arbeitet einer rigoros auf seinen Erfolg hin und bringt die Leute am laufenden Band um. Dass wir das sehr grotesk machen, versteht sich von selbst.“ Und das Lachen darüber kommt unweigerlich, zu stark hat sich die „Derrick“-Szenerie eingeprägt in unser aller Kopf-Bilder, der Wiedererkennungseffekt ist garantiert. Wie sie da so im BMW sitzen, der Kleine lenkt, der Große denkt, und durch Münchner Straßen Richtung Grünwalder Villa zur nächsten Leiche fahren – das kennt einfach jeder vom ZDF-Freitagskrimi.

Sogar die legendäre Titelmusik der „Les Humphries“ wird, in neuer Variante, vorkommen. Entsprechend breit gefächert dürfte denn auch das Zielpublikum sein: Die, die mit „Derrick“, dieser antiquierten Vaterfigur, seit Mitte der 70er gewissermaßen groß geworden sind, und jene, die ihn nun in den Wiederholungen – mit einer nach wie vor erstaunlich hohen Quote! – neu entdecken.

Auch das Verhältnis zwischen Stephan Derrick und Harry Klein wird im Trickfilm süffisant gewürdigt: Harry, der ewige Zweite, der sein Dasein schon seit 1968, seit Erik Odes „Kommissar“-Zeiten, im Nachnamen definiert sieht, dennoch cool im Outfit ist und mit den Frauen flirtet, Harry landet gar auf der Psycho-Couch einer attraktiven Therapeutin und lässt sich das Syndrom attestieren, unter dem ihn Derrick so leiden lässt. Und als die Ermittlungen mal ins ferne Lappland führen, da hört man den Stephan sagen: „Du, Harry, hol schon mal den Schlitten.“

Aber immerhin, dafür kann Fritz Wepper hier auch mal den Harry-Klein-Song darbieten. Und dann, plötzlich, sinniert Tappert: „Die Serie wird ja freitags im ZDF wiederholt, und ich sitze davor, wenn ich die Zeit habe, und schau’s mir an. Dann sehe ich, dass ich jünger war, ist ja klar. Wie ich da Treppen runter- oder raufsteige, in ein paar Sätzen, wie fabelhaft das ist, und heute kann ich das alles nicht mehr … aber der Mensch muss damit zurechtkommen, auch mit seinem Alter.“

Verantwortlich für den animierten „Derrick“, der seit etwa einem Jahr entsteht und im Frühjahr 2004 in die Kinos kommen soll, zeichnen Regisseur Michael Schaack („Das kleine Arschloch“, „Käptn Blaubär“, „Werner“) und Initiator und Drehbuchautor Ralph Christians. Produziert wird der 80-Minüter von der in München und Hamburg ansässigen ndF, der irischen Magma Films und eben ZDF Enterprises.

Und wer weiß, vielleicht ist diese ziemlich amüsante, bunte, moderne und auch nostalgische „Derrick“–Animation ja auch fernsehkompatibel?

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