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„Schaltet uns nicht ab.“ Auf zahlreichen Demonstrationen, hier in Salford, Greater Manchester, protestieren britische Rentnerinnen und Rentner gegen das Ende der Gebührenbefreiung.

© picture alliance / empics

Großbritannien streitet über Fernsehgebühren: Desaster für die BBC – oder für die Tories?

In Großbritannien soll die Gebührenfreiheit für Fernsehschauer ab 75 gestrichen werden. Das schafft Ärger.

Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm sagt Programmkürzungen voraus, sofern der Rundfunkbeitrag nicht von 2021 an erhöht wird. BBC-Generaldirektor Tony Hall hat ein ähnliches Szenario entworfen: Setzt die britische Regierung die Gebührenfreiheit für Menschen über 75 Jahre nicht über 2020 hinaus fort und gleicht parallel die entgangenen Millionenbeträge an den Sender nicht aus, dann muss die BBC an Kanälen und Programmen sparen. Trotz der Drohung haben die konservativen Tories ihren Beschluss von 2016 nicht revidiert, der den staatlichen Ausgleich 2020 beenden und es der BBC überlassen soll, wie sie die Verluste ausgleichen will.

Also hat die British Broadcasting Corporation jetzt reagiert: Die Gebührenbefreiung für Menschen über 75 wird abgeschafft, würde sie beibehalten, müsste der Sender Einnahmeausfälle zwischen 670 und 780 Millionen und damit ein Fünftel seiner Einnahmen kompensieren, was Einschnitte bei Radio- und Fernsehangeboten bedeuten würde. Gespart werden muss unverändert, weil die BBC die Gebührenbefreiung bei jenen armen Rentnerinnen und Rentnern fortsetzen will, die Anspruch auf zusätzliche Zahlungen – dem sogenannten „Pension Credit" – haben, wie der Medienjournalist Steffen Grimberg auf mdr.de schreibt.

Die Gebührenpflicht in Großbritannien ist anders als in Deutschland nicht an den Haushalt gebunden, sondern an den Besitz eines oder mehrerer Fernsehapparate; die Radionutzung ist kostenlos. Derzeit beträgt die jährliche „Licence Fee“ rund 174 Euro (Rundfunkbeitrag in Deutschland: 210 Euro). Über die Gebühren nimmt die BBC rund 4,3 Milliarden Euro ihres 5,6 Milliarden umfassenden Jahresetats ein. Im Inland betreibt die BBC zwölf Radio- und 14 Fernsehsender.

Labour schaffte Gebührenpflicht ab

Abgeschafft wurde die Gebührenpflicht für Menschen über 75 von der Labour-Regierung 1999, „um die kulturelle Teilhabe für ärmere und arme Menschen im Land zu verbessern“. Um diesen Aspekt dreht sich der neue Streit. Tom Watson, Schatten-Kulturminister von Labour, die neue Gebührenpflicht würde die rund drei Millionen Betroffenen in „soziale Isolation“ und „Einsamkeit“ führen. Auch BBC-Chef Hall gestand zu, dass für manchen Rentner die TV-Lizenz eine Menge Geld bedeute. Er nannte die Entscheidung einen Kompromiss zwischen der Belastung einer Bevölkerungsgruppe und der Gefahr, dass eine weitere Gebührenbefreiung viele BBC-Services bedrohen würde.

Die Tories, die letztlich das Hin und Her bei der „Licence Fee“ zu verantworten haben, werfen in Gestalt von Medienminister Jeremy Wright der BBC vor, sie müsse „nun mehr tun, um alte Menschen zu unterstützen“. Wie immer das aussehen soll, hat er nicht gesagt. Zahlreiche Konservative argumentieren nun, die BBC müsse zuerst bei den Gehältern und bei den Honoraren der Moderatoren sparen. Das Verhältnis zwischen der Partei und dem Sender ist seit Jahren angespannt.

Vielleicht sind es die Tories selbst, die zu neuem Nachdenken kommen. Schließlich sind die BBC-Seher laut „Guardian“ im Schnitt 60plus, finden sich also bevorzugt in der Altersgruppe, die mehrheitlich die Tories wählt. Da kommt das Ende der Gebührenbefreiung gar nicht gut an, wie Demonstrationen zeigen.

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