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Ciro (Marco D’Amore, li.) soll Gennaro (Salvio Esposito) beistehen.

© Sky

Gomorrha als Serie: Alleine in der Mafia

Nach zehn Minuten gibt’s den ersten Bombenanschlag. „Gomorrha“, die Serie nach dem Bestseller-Sachbuch von Roberto Saviano, kommt endlich ins Fernsehen.

Pferdewetten, Bandenkriege, Waffenbesitz, Neapels Armut und Mietsilos auf der einen Seite, der Prunk der reichen Mafia-Bosse auf der anderen. Das ist die Welt, in der Ciro großgeworden ist. Der 30-Jährige ist die rechte Hand des Klanpaten Pietro Savastano (Fortunato Cerlino), und der italienische Jungstar Marco D’Amore spielt diese Rolle so beeindruckend zwiespältig, dass der Betrachter nicht weiß, ob diese mafiöse Figur am Ende vielleicht sogar zur Läuterung taugt. „Gomorrha“, die Serie nach dem gleichnamigen Bestseller von Mafia-Kritiker Roberto Saviano – viel wurde schon über sie geschrieben, gesprochen, man meinte alles über sie zu wissen, am Freitagabend kommt „Gomorrha“ bei Sky Atlantic auf den deutschen Bildschirm. Vorab: Wer die erste Folge sieht, wird nur schwerlich wieder rauswollen.

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Und sollte Gewaltszenen vertragen können. Regisseur Stefano Sollima hat die Geschichte über eine neapolitanische Mafia-Familie im mörderischen Konflikt mit einem verfeindeten Clan an Originalschauplätzen in Neapels Stadtteil Scampia schockierend realistisch in Szene gesetzt. Alleine in den ersten 54 Minuten sterben mehr Menschen als im Til-Schweiger-„Tatort“. Die Mafia-Gewalt ist allgegenwärtig. Nach zehn Minuten gibt’s den ersten Bombenanschlag auf den Protagonisten, in einem Café, vor dem Kinder spielen. Ciro entkommt. Macht weiter. Er weiß, was es bedeutet, Klanmitglied zu sein. Als sein Boss Pietro jedoch von ihm verlangt, Klanmitglieder zu opfern, um gegenüber dem rivalisierenden Klanboss Salvatore Conte (Marco Palvetti)ein blutiges Zeichen zu setzen, stirbt etwas in ihm. Eines der Opfer ist Ciros Ziehvater Attilio, selbst ein loyales Klanmitglied.

Mafia beim Therapeuten

Vater-Sohn-Geschichte, Sozialdrama (selten glaubt man in 55 Minuten Fiktionfernsehen so viel über eine dunklere Seite Italiens erfahren zu haben), ein Hard-Boiled-Krimi natürlich: „Gomorrha“ steht den hochgelobten US-Serien in Sachen Authentizität und filmischem Blick in nichts nach. In den 1980er Jahren war ja mal die ZDF-Serie „Allein gegen die Mafia“ ein Straßenfeger. Dass sich Crime- und Mafia-Stories gut fürs Serien-Format eignen, haben danach „The Wire“ oder die „Sopranos“ gezeigt, jene HBO-Serie, bei der der Mafia–Kodex durch die psychotherapeutische Behandlung der Hauptfigur schon gebrochen zu sein scheint. Nicht so bei „Gomorrha“. Kein Schein. Hier wirkt alles echt, rau, hoffnungslos. Die Serie basiert auf dem Sachbuch-Bestseller „Gomorrha“, mit dem Roberto Saviano 2006 (hier eine Laudatio auf den Geschwister-Scholl-Preisträger) die Praktiken des organisierten Verbrechens in Italien öffentlich gemacht hat. Keine ungefährliche Angelegenheit, nicht nur für den Autor Saviano, der seit Jahren unter Personenschutz inkognito leben muss. Die Camorra hat den Süden Italiens im Griff.

Sicher, Regisseur Sollima zielt mit seiner actiongeladenen Serie auf Unterhaltung ab, manches ist sehr auf blutigen Effekt getrimmt, vorangetrieben vom psychedelischen Post-Rock der italienischen Band Mokadelic im grandiosen Soundtrack. Womöglich ist das aber auch ein Weg, um bei den Zuschauern ein Bewusstsein für die Dramatik der realen Situation in Italien zu schaffen. Es habe sich seit seinem Mafia-Buch wenig geändert, sagte Saviano im Tagesspiegel-Interview.

Natürlich ist nicht abzusehen, wie Ciro aus der Gewalt-Spirale herauskommen soll. Er fühlt sich verpflichtet, Pietro Gehorsam zu leisten und dessen Sohn Gennaro (Salvio Esposito) als Mentor beiseitezustehen, als Pietro zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird. Auch um dessen Ehefrau Imma (Maria Pia Calzone) soll sich Ciro kümmern, möglicherweise mehr, als Pietro lieb ist. Es droht ein Rachefeldzug, der blutiger ist als alles, was Neapel je gesehen hat. Nicht nur, weil hier fast ausschließlich aus Sicht der Kriminellen erzählt wird – gegen „Gomorrha“ nimmt sich „Allein gegen die Mafia“ aus wie Kinderprogramm .

„Gomorrha“, die ersten zwölf Episoden immer freitags um 21 Uhr auf Sky Atlantic HD, danach auf Sky Go.

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