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Irritierend. Einige Schilderungen sowie biographische Details, die nicht direkt angesprochen werden, wurden im Graphic-Novel-Stil in Szene gesetzt. Sieht schick aus, doch ist die direkte Konfrontation mit den Zeitzeugen nicht viel aussagekräftiger?

© Radio Bremen

Gedenken an den Holocaust: Die Überlebenden

Wie der Holocaust ins Fernsehen kam: Eine Dokumentation im Ersten erinnert an wegweisende Filme wie die von Karl Fruchtmann.

Vor 40 Jahren sendete die ARD an einem Sonntagabend die Dokumentation „Zeugen – Aussagen zum Mord an einem Volk“, die ausschließlich aus Interviews mit Überlebenden der Shoah bestand. Danach sei die Hölle los gewesen, erinnert sich Jürgen Breest, Redakteur bei Radio Bremen.

Hunderte Anrufe habe es gegeben, vornehmlich Beschimpfungen und Hass-Tiraden, „der immer gleiche und unsägliche Dreck“. Autor der beiden „Zeugen“-Filme war der 2003 verstorbene Karl Fruchtmann, der in Meuselwitz/Thüringen aufgewachsen, während der Nazi-Diktatur in die Konzentrationslager Sachsenburg bei Chemnitz und Dachau verschleppt worden und 1937 nach Palästina geflohen war.

Susanne Brahms und Rainer Krause erinnern mit der ARD-Dokumentation an diesen ersten und gleichzeitig „vergessensten“ der großen Zeugen-Filme, wie Historikerin Lea Wohl von Haselberg sagt. Eberhard Fechners „Der Prozess“ über die Majdanek-Verfahren wurde erst 1984, Claude Lanzmanns „Shoah“ 1985 ausgestrahlt.

Der Titel ist etwas missverständlich, der Völkermord an den Juden war auch vor 1981 Thema im deutschen Fernsehen. Über den Eichmann- und Auschwitz-Prozess war zu Beginn der 1960er Jahre ausführlich berichtet worden. Zwei Jahre zuvor, 1979, hatte die US-Serie „Holocaust“ für Wirbel gesorgt. Inwiefern diese publikumswirksame fiktionale Aufarbeitung die Fruchtmannschen „Zeugen“-Filme und deren Rezeption beeinflusst haben, untersuchen Brahms und Krause leider nicht näher.

Der Titel bezieht sich auf die Dokumentation „Wie ,Holocaust’ ins Fernsehen kam“ von Alice Agneskirchner, die dafür den Grimme-Preis erhalten hat („Zeugen – Wie der Holocaust ins Fernsehen kam“, ARD, Montag, 0 Uhr). Der Film sei eine Ermutigung gewesen, nachdem zuvor nur noch wenig Interesse an Stoffen zum Thema Nationalsozialismus bestanden habe, sagt Susanne Brahms.

Die Menschenversuche des Doktor Mengele

Fast 80 Stunden Interviews, die Fruchtmanns Team mit 60 Überlebenden in Israel und Polen geführt hatten, sind im Archiv von Radio Bremen noch auf großen Filmrollen gespeichert. Einige der erschütternden Schilderungen von Ruth Elias, Johanna Engel, Jakov Zilberberg, Yehuda Bacon und anderen über den Alltag in Auschwitz, die Menschenversuche des Doktor Mengele und die Arbeit in den Sonderkommandos sind Bestandteil des Films.

Zu Wort kommt neben Redakteur Breest und Historikerin von Haselberg auch Fruchtmanns Tochter Sara, die als Regie-Assistentin dabei war. Zum Teil sprachen die Überlebenden zum ersten Mal, auch vor ihren Familien, so ausführlich über ihre Zeit in den NS-Lagern.

Einige Schilderungen sowie biographische Details, die nicht direkt angesprochen werden, wurden im Graphic-Novel-Stil in Szene gesetzt. Sieht schick aus, doch ist die direkte Konfrontation mit den Zeitzeugen, das unmittelbare Erleben ihrer Sprache, Mimik und Gestik, nicht viel aussagekräftiger?

Susanne Brahms dazu: Während Fruchtmann in seinem Film die Namen der Überlebenden im Abspann aufgeführt habe, weil für ihn jedes Schicksal beispielhaft für das Leid vieler Anderer gestanden habe, wollten sie und ihr Co-Autor die Individuen und ihren Werdegang stärker hervorheben.

Ihre Doku, die im Ersten mal wieder erst um Mitternacht ausgestrahlt wird, ist auch in der ARD-Mediathek zu finden. Wer dort auch die Fruchtmann-Filme von 1981 sucht, muss sich allerdings noch gedulden. Bald sollen sie jedoch nach Brahms’ Angaben für ein Jahr lang abrufbar sein.

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