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Fußball Champions League - mal nicht geschaut: Im Schweiß gebadet

Das gute, alte Radiogefühl: Unser Autor weigert sich, sich dem Fußball-Diktat des Pay TVs zu beugen - und entdeckt die Champions League in der "Sportschau"-App.

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Es sind noch drei Minuten zu spielen an der ehrwürdigen Anfield Road. Die Anfield Road ist immer ehrwürdig, ehrwürdig ist der Vorname der Road in Liverpool. Drei Minuten, und dann kommt die Frau in die Küche: „Was machst du hier eigentlich?“ Die Antwort ist unmissverständlich: „Raus!“ Denn bei Fußball im Fernsehen hört das Auge ja mit, bei Fußball am Radio aber ist Multitasking nicht drin.

Fußball im Fernseher gibt es nicht mehr, oder nur teuer, oder nur in der Kneipe, auch teuer. Und wenn man nicht mal weiß, was zum Beispiel Dazn ist aber trotzdem live mitbekommen will, wie sich der FC Bayern (ruhmreich) an der ehrwürdigen Anfield Road gegen den FC Liverpool (ehrwürdig, ruhmreich, never alone) macht? Dann kann man in der ARD-"Sportschau"-App den Audio Livestream finden.

Und dann ist es auf einmal wie damals in den Sechzigern, als in den Schulferien im Schwarzwald die noch viel ruhmreichere Fortuna als Aufsteiger im Radio den Europapokalsieger aus Dortmund besiegte: Spannend bis die Fingernägel runtergekaut waren.

In der Folge war samstags um 15 Uhr 30 Showtime. Die hieß damals noch nicht so, war aber die Konferenzschaltung mit allen Spielen, allen Toren, im Radio! Und so schallte es aus dem Auto-Äther, wenn die Väter mit Wagen zeitgleich ihre Karossen wuschen.

Fast schon so altehrwürdig wie die Fortuna

Nun hat uns die Gier des Fußballs die Zeitlupen geklaut, die Super-Totalen, die Wiederholungen. Na und? Am Dienstag kommentierten Philipp Eger und als Experte ein Fußballspieler namens Patrick Schmid. Im Radio! Das ist noch viel altehrwürdiger als der FC Bayern, die Anfield Road und der FC Liverpool zusammen, fast schon so altehrwürdig wie die Fortuna.

Es braucht vielleicht eine Viertelstunde, bis das Gehirn die gehörten Worte in Bilder im Kopf umsetzt. Dann aber setzt sich Alaba am linken Flügel durch, „nun flank endlich“, sagt der Radiohörer flehentlich, „siehst du nicht, dass  Lewandowski frei ist?!“ Dann kommt der fulminante Salah in Strafraumnähe und der Hörer sieht, dass keine Gefahr droht, weil Neuer das schon machen wird („Manu, Manu, du bist ein Teufelskerl"“).

Kann sein, dass der Hörer am Ende der Radio-Übertragung in Schweiß gebadet ist, kann sein, dass die Kommentatoren manchmal lechts und rinks verwechselt haben (eine Kritik daran verbietet sich schon aus Altehrwürdigkeit). Kurze Rede, langer Sinn: Dazn, Wasn, wie immer ihr heißen mögt mit euren Bildrechten, mit denen ihr uns Fans erpressen wollt, schmeißt eure Kameras weg.

Die Zukunft des Fußballs heißt Radio! In der Halbzeitpause lief übrigens keine Werbung, sondern ziemlich gute Mucke von der Anfield Road. Beim Rückspiel wieder auf bildloser Sendung: Helmut Schümann

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